Kastration: Düsser Ergebnisse zur Lokalbetäubung

In Deutschland ist zurzeit eine sehr kontroverse Diskussion um den sogenannten „vierten Weg“, die Lokalanästhesie, im Gange. Auf der Veranstaltung "Brennpunkt Ferkelkastration" am Mittwoch stellte Frau Dr. Susanne Zöls, LMU München, neueste Untersuchungsergebnisse hierzu vor. An insgesamt 232 männlichen Ferkel wurden Wirksamkeit und Belastung der Lokalbetäubung mit Lidocain und Procain gemessen. Die Mittel wurden in die Leistengegend (inguinal) bzw. im Hodensack (skrotal) injiziert. In einer Gruppe wurde Lidocain direkt in den Hoden gespritzt. Die Kontrolltiere wurden ohne lokale Betäubung kastriert. Die Untersuchungen fanden auf Haus Düsse statt.

Die Ergebnisse: Die Applikation von Lidocain führte zu einer geringeren Belastung als Procain. Lidocain reduzierte deutlich Schmerz und Stressbelastung. Allerdings führte keine der angewandten Methode formell zur vollständigen Schmerzausschaltung. Frau Dr. Katharina Kluge, Referatsleiterin Tierschutz im BMEL, wollte die Ergebnisse nicht kommentieren, kündigte aber gleich schon mal ein Nachfolgeprojekt an. „Entweder werden die Methoden der Lokalbetäubung weiter verbessert. Oder der Passus vollständige Schmerzausschaltung müsse im Tierschutzgesetz angepasst werden, wofür es aber politisch keine Mehrheiten gebe“, so Frau Dr. Kluge. Sie appellierte, sich jetzt der anderen Alternativen zuzuwenden. Beispielsweise erhalte die Inhalationsnarkose mit Isofluran noch in diesem Jahr die offizielle Zulassung. Auch soll es bis Ende 2019 eine Regelung geben, dass Landwirte nach einer Schulung die Methode anwenden dürfen.

Schnell kamen Einwände, dass diese Methode einen hohen apparativen und personellen Aufwand mit sich bringe, den gerade kleinere Betriebe gar nicht leisten könnten. Dem entgegnete Frau Dr. Kluge, dass überlegt werde, den Landwirten mit finanziellen Hilfen bei der Investition zu unterstützen. Sie zog einen Vergleich mit der Schweiz, die vor einigen Jahren ähnlich verfahren und mit dieser Methode sehr gut zufrieden seien. Andere Diskussionsteilnehmer sahen die Inhalationsnarkose eher als Brückentechnologie. Nach Schweizer Untersuchungen zeigten bis zu 14 % der Ferkel Abwehrreaktionen, weil die Tiere nicht tief genug narkotisiert seien. Deshalb solle man die lokale Betäubung und die Inhalationsnarkose gegenüberstellen und zeigen, welche unter praktischen Bedingungen besser sei und mehr Tierschutz biete. Schließlich werde die Lokalbetäubung in Schweden und demnächst in Dänemark praktiziert. Einen direkten Vergleich lehnte Frau Dr. Kluge jedoch ab, da die Inhalationsnarkose bereits den Nachweis der vollständigen Schmerzausschaltung erbracht habe. Außerdem wolle sie aufräumen mit den Vorurteilen, dass das Isofluran-Verfahren umweltschädlich sei und die Gesundheit des Anwenders gefährde. Schließlich seien beide Punkte im Rahmen strenger Zulassungstest geprüft worden.

In der Podiumsdiskussion nahmen auch Vertreter der Wirtschaft und Marktexperten Stellung zu den Alternativen der betäubungslosen Kastration. Die viel gepriesene Ebermast tritt auf der Stelle. Der Anteil Eber, der momentan bei 13 % liegt, wird nicht sprunghaft zunehmen können. "Der Eber ist ein anderes Schwein", erklärte Heribert Qualbrink von der Westfleisch. Das Problem: Es liegen andere anatomische Verhältnisse vor, die Verwertung ist nicht so breit angelegt wie bei Kastraten. Und 4 bis 6 % der Tiere sind geruchsauffällig. Sollte der Markt mit Eberschlachtkörpern überschwemmt werden, sind Abschläge unvermeidlich. "Wir haben uns angestrengt, die Ebermast zu etablieren, stoßen aber auf Grenzen", betonte auch Dr. Wilhelm Jaeger von Tönnies. Er sah im Übrigen die Ergebnisse des Düsser Versuchs zur Lokalbetäubung nicht so negativ, als dass man nicht weiter auf den 4. Weg hoffen kann. Marktexperte Dr. Albert Hortmann-Scholten sieht eine Spaltung des Ferkelmarktes mit einer Abwertung der Eberferkel. Das Verbot der betäubungslosen Kastration, dass spätestens 2021 in Kraft tritt, wird seiner Meinung nach den Strukturwandel beschleunigen und den Selbstversorgungsgrad für Ferkel von 70 auf 50 % drücken. "Der Wille zur Anpassungen bei der Kastration ist jetzt überall zu erkennen, aber die rechtlichen und praktischen Möglichkeiten liegen noch weit auseinander."