Aldi, Lidl und Co.: Hilft der Wettlauf der Discounter ums Tierwohl den Bauern?

Der Handel sollte nicht immer nur an sich denken, kommentiert Marcus Arden von top agrar und SUS die jüngsten Tierwohl-Vorstöße des LEH.

Der Konkurrenzkampf im Lebensmitteleinzelhandel ist gnadenlos. Vor allem die beiden Platzhirsche im Discountsegment Aldi und Lidl überbieten sich seit Jahren mit immer neuen Tierwohlversprechen. Mal legt Aldi vor, umgehend zieht Lidl nach und legt noch eine Schüppe drauf. Beim nächsten Mal ist es dann genau andersherum.

Überraschend ist, dass beide Unternehmen bei ihren Bestrebungen nach einem schnelleren Warenwechsel auf die Haltungsformstufen 3 und 4 nicht nachlassen. Kommt das teurere Fleisch beim Kunden doch besser an als wir alle vermuten? Es scheint so. Denn würden die Verbraucherinnen und Verbraucher einen Bogen um die höherpreisige Ware machen, würde sich der LEH mit immer neuen und höheren Tierwohlzielen stärker zurückhalten. Die Händler wissen besser als alle anderen, was sie verkaufen können und welche Ware im Regal liegen bleibt. Und freiwillig Geld verschenken tun weder Discounter noch Vollsortimenter.

Zur Wahrheit gehört aber, dass der LEH bei seinen Bestrebungen kaum ein Risiko eingeht. Das Angebot an Tierwohlfleisch ist gerade im Discount gering. Von den gut 4 Mio. t pro Jahr in Deutschland produzierten Schweinefleischerzeugnissen landen nach Schätzungen nur knapp 0,6 Mio. t, also unter 15 %, als Frischfleisch im Handel – und das über alle Haltungsformstufen! Der Mengenanteil in der Discountschiene ist also verschwindend gering. Wenn der Absatz nicht läuft oder teuer eingekaufte Ware über Preisaktionen verkauft werden muss, tut das dem Handel nicht weh. Der schöne Schein der Händler bleibt aber gewahrt.

Profitieren die Bauern dennoch vom Konkurrenzkampf der Handelsriesen? So lange sich das Angebot weiter auf kleinste Marktsegmente und Einzelteile wie Filets, Hackfleisch oder Minutensteaks beschränkt, sicher nicht. Erst wenn Tierwohlware flächendeckend auch in den Bedientheken der Vollsortimenter wie Rewe und Edeka liegt, kann der Kurswechsel allen Beteiligten Vorteile bringen.

Am Ende haben die Aktivitäten des LEH aber auch etwas Gutes. Für die Bauern ist es allemal besser, wenn der Markt deutliche Signale setzt als wenn der Staat weiter an seinem Pseudo-Transformationsprozess arbeitet, der ohnehin nicht vorankommt.

Was der Politik fehlt, ist das „Veränderungs-Gen“. Anstatt Fakten zu schaffen, wird in Berlin endlos weiter diskutiert und debattiert. Wir brauchen keine runden Tische mehr, wir brauchen mutige Minister, die die Tierwohlampel auf Grün schalten! Ein erster Schritt wären notwendige Anpassungen beim Bau- und Umweltschutzrecht. Wenn Berlin das verschläft, kommen das Fleisch oder die Milch künftig aus dem Ausland. Der Handel ist da gnadenlos. Edeka z.B. bietet Eigenmarken-Käse aus Haltungsformstufe 3 an, die Ware kommt aber teilweise aus dem Ausland.

Freude werden die Bauern an mehr Tierwohl am Ende nur haben, wenn der Lebensmittelhandel endlich dazu bereit ist, nicht immer nur sich selbst ins rechte Tierwohllicht zu rücken. Wenn er es wirklich ernst meint, muss er seine Macht dafür nutzen, endlich Planungssicherheit für die Bauern und Lieferanten zu schaffen. Dazu gehört:

  • Der Handel muss langfristige Abnahmegarantien ohne Hintertürchen geben.
  • Der Handel muss den Bauern konkrete Angebote unterbreiten und sagen, wie viel Fleisch er garantiert abnimmt. Das ganze muss vertraglich abgesichert sein.
  • Er muss sich unwiderruflich zu 5xD bekennen.
  • Der LEH muss zusichern, dass nicht nur die begehrten Edelteile in der Tierwohlschiene verkauft werden. Haltungsform 3 muss auch für die restlichen Stücke des Schweins gelten und entsprechend bezahlt werden.
  • Er muss den Mehraufwand im Stallbau und in der Bewirtschaftung langfristig fair honorieren.

Die Erlöse müssen sich dabei an den tatsächlichen Kosten orientieren. Steigende Kosten beim Stallbau oder der Arbeitserledigung müssen eingepreist werden! Es hilft keinem Bauern, wenn er mit ein paar wenigen Cent Bonus abgespeist wird. Unternehmer investieren nur dort, wo die Rendite dauerhaft passt. Der jetzt diskutierte Tierwohlcent von 10 Cent pro kg reicht bei Weitem nicht aus, sagen Fachleute.

Es geht am Ende auch darum, die deutschen Ferkelerzeuger endlich ins Boot zu holen. Ihnen steht ein faires Stück vom Tierwohlkuchen zu. Und wir brauchen Lösungen, wie die Sauenhalter ihren Mehraufwand dauerhaft sicher bezahlt bekommen. Gerade die Ferkelerzeuger haben millionenschwere Investitionen vor der Brust, sind zugleich aber die Basis für 5xD. Der freie Markt wird das nicht richten. Es braucht ein klares Bekenntnis dazu, dass ausreichend Geld dorthin fließt wo der Startschuss für Tierwohlfleisch fällt – im Abferkelstall.