Wenn die ASP nur ein Wildschwein infiziert, sind die Folgen für den Markt unkalkulierbar. Dr. Albert Hortmann-Scholten, LWK Niedersachsen, erklärt warum.
Heinrich Niggemeyer
Was passiert am Markt, wenn wir den ersten ASP-Fall haben?
Hortmann-Scholten: Wichtige Drittlandsexportmärkte wie China, Südkorea und Japan würden von heute auf morgen wegbrechen. Dabei wird es keinen Unterschied machen, ob die Afrikanische Schweinepest (ASP) bei Wild- oder Hausschweinen ausbricht. Deshalb muss das Ziel sein, die bilateralen Handelsvereinbarungen mit diesen Ländern so zu gestalten, dass bei einem ASP-Ausbruch zwischen Haus- und Wildschweinepest differenziert wird. Nur wenn Hausschweine betroffen sind, sollten Fleischexporte aus den betroffenen Regionen Handelsrestriktionen unterliegen. Ob dies schnell gelingt, ist allerdings unsicher.
Welche Auswirkung hätte der erste ASP-Fall auf den Schweinepreis?
Hortmann-Scholten: Wir haben in den letzten Jahren rund 1 Mio. t Schweinefleisch und Nebenerzeugnissen im Wert von ca. 1,6 Mrd. € in Drittstaaten exportiert. Diese Geschäfte würden zusammenbrechen. Zudem rechne ich mit panischen Reaktionen seitens der Mäster, so wie es bei den Handelssperren während der Dioxinkrise 2010 der Fall war. Zum einen müssten Warenströme umgeleitet werden, was Arbeit und zusätzliche Kosten verursacht. Außerdem würde die allgemeine Verunsicherung zu Marktverwerfungen und einen deutlichen Preisverfall führen. Die daraus resultierenden wirtschaftlichen Schäden würden immens sein.
Welche Drittländer würden noch deutsche Ware aufnehmen? Wie reagieren die EU-Länder?
Hortmann-Scholten: Nach gegenwärtiger Sachlage würden bei einem ASP-Ausbruch bei Wildschweinen nur Hongkong, Kanada und die Ukraine deutsche Ware aufnehmen. Innerhalb der EU ist der Handel mit Schweinefleisch und Ferkeln einheitlich geregelt. Wenn die Ware freigestempelt ist, darf sie EU-weit vermarktet werden. Doch kein Handelspartner kann verpflichtet werden, mehr Ware aufzunehmen. In der Defensive sind immer auch Preiszugeständnisse einzukalkulieren.
Geraten Notierungen anderer EU-Länder ebenfalls unter Druck?
Hortmann-Scholten: Während der Dioxinkrise 2010 sind unmittelbar nach dem russischen Einfuhrstopp insbesondere in den Niederlanden, Belgien und Dänemark die Schweine- und Ferkelnotierungen unter Druck geraten. Deshalb rechne ich auch bei einem ASP-Ausbruch damit.
Trotz ASP boomt in Polen der Export.
Hortmann-Scholten: Im Vergleich zu Deutschland exportiert Polen deutlich weniger Ware. Der Selbstversorgungsgrad liegt bei 100 %. Zudem sind neben dem Drittlandsmarkt Hongkong nach wie vor Exporte in die USA möglich, was nach jetzigem Stand den Deutschen verwehrt bliebe.
Wie lange dauert die Phase der Verunsicherung und Neuorientierung?
Hortmann-Scholten: Während die Dioxinkrise nach einigen Monaten überstanden war, dürften die Marktverwerfungen bei einem ASP-Ausbruch über Monate, wenn nicht gar Jahre, anhalten.
Sind finanzielle Hilfen zur Stützung des Marktes möglich?
Hortmann-Scholten: Denkbar sind Aufkaufaktionen, wie sie im Rahmen von früheren Preiskrisen mithilfe der Privaten Lagerhaltung (PLH) durchgeführt worden sind. Aufgrund der zeitraubenden Bekämpfungsmaßnahmen müssten in Krisengebieten drastische Maßnahmen wie Keulungen oder sogar Besamungsverbote angewendet werden, um den Markt zu entlasten. Auch wenn die ASP gar nicht bei Hausschweinen festgestellt worden ist.
Mit welchen konkreten Reaktionen ist am Ferkelmarkt zu rechnen?
Hortmann-Scholten: Sollte in den deutschen Mastzentren ein ASP-Ausbruch festgestellt werden, würde die gehandelte Stückzahl an Ferkeln sofort stark zurückgehen. Allerdings kommt es da-rauf an, ob der Ferkelerzeuger in einer Kern- und Pufferzone oder außerhalb dieser Restriktionsgebiete liegt.
Würden dann Ferkelimporte untersagt?
Hortmann-Scholten: Der Import von Ferkeln in eine Pufferzone, auch aus dem Ausland, ist erlaubt. Innerhalb eines gefährdeten Bezirkes ist die Verbringung und damit auch die Einfuhr von Tieren nur mit behördlicher Ge-nehmigung möglich. Das heißt, die dänischen und holländischen Ferkelexporteure würden weiter liefern. Der Ferkelhandel nach Polen ist ja auch nicht nach den ersten ASP-Fällen zum Erliegen gekommen.
Welche Vorsichtsmaßnahmen würden bei Tiertransporten in Krisengebiete ergriffen?
Hortmann-Scholten: Mit der Anpassung der Schweinepest-Verordnung werden die Regelungen zur Desinfektion von Fahrzeugen, die aus Krisengebieten zurückkommen, verbessert. Neben den rechtlichen Vorgaben arbeiten die Dänen z.B. mit Umladestationen. Wichtig ist da-rauf zu achten, dass die Transportfahrzeuge aus den Krisengebieten gründlich desinfiziert und erst nach einer entsprechenden Leerstehzeit erneut eingesetzt werden.
ASP könnte auch Dänemark oder Holland erreichen. Welche Folgen hätte das?
Hortmann-Scholten: Die Seuchenbekämpfung in der EU unterliegt in allen Mitgliedstaaten den gleichen Spielregeln. Aus den Sperr- und Beobachtungsgebieten ist die Vermarktung der Ferkel nur unter erheblichen, kostenträchtigen Auflagen möglich. Beide Länder sind extrem auf den Ferkelexport angewiesen und müssten sich Gedanken machen, wo sie mit ihren Ferkeln bleiben.
Sollen sich die Betriebe noch versichern?
Hortmann-Scholten: Je spezialisierter ein Betrieb, je höher sein Fremdkapitaleinsatz und Fremd-AK-Anteil ist, umso wichtiger ist diese Frage. Ferkelerzeuger und geschlossene Systeme tragen allgemein höhere Risiken als reine Mastbetriebe. Sollte bereits eine Ertragsausfallversicherung vorliegen, muss man den Vertrag auf die eventuell veränderte betriebliche Situation anpassen. Allerdings wird keine Versicherung das aufgrund von Exportbeschränkungen drohende allgemeine Preisrisiko absichern.
Wie sollen sich die Marktbeteiligten vorbereiten?
Hortmann-Scholten: Neben der starken Prävention sollten schon in Friedenszeiten Krisenpläne ausgearbeitet werden. Es sind Teams von Experten zusammenzustellen, die die Vielzahl der Aufgaben geordnet abarbeiten. Nach einem Seuchenfall müssen wir so schnell es geht wieder zur Normalisierung des Schweinefleischabsatzes und des Marktes kommen. Sonst werden die wirtschaftlichen Schäden für die Betriebe noch größer.