Faserreiches Beifutter scheint ein Schlüssel für nachhaltige Beschäftigung zu sein. Ein Versuch zeigt die Effekte auf Leistung, Gesundheit und Schwanzbeißen.
Dr. E. Meyer, Lehr- und Versuchsgut Köllitsch
Beschäftigungsdefizite in der Schweinehaltung werden häufig als der klassische Auslöser für Verhaltensstörungen gesehen. Dieses kann dadurch entstehen, dass die Tiere für die Aufnahme hochkonzentrierter Futtermittel nur wenig Zeit benötigen. Aus diesem Grund empfiehlt die EU ein Beschäftigungsmaterial, das nicht nur manipulierbar, sondern auch kau- und fressbar ist. Im Optimalfall sollte das Beschäftigungsmaterial auch einen ernährungsphysiologischen Nutzen haben, was bei den meisten Materialien oder Beschäftigungsgeräten nicht der Fall ist. Auch ist eine dauerhafte Attraktivität für die Schweine nicht immer gegeben.
Von Grascobs bis Strohpellets
Soll organisches Beschäftigungsmaterial eine nachhaltige Beschäftigung und Akzeptanz sichern, muss es Eigenschaften eines Futtermittels haben. Dazu gehört zum einen ein reduzierter, zum Hauptfutter passender Nährstoffgehalt. Zum anderen muss ein definiert niedriger Keimgehalt sichergestellt sein. Letzteres wird u.a. durch den Pelletiervorgang erreicht. Verarbeitete Produkte sind zudem die Voraussetzung für die mechanisierte Futtervorlage.
Im Lehr- und Versuchsgut Köllitsch (LVG) wurden Ferkel mit Grascobs, Luzerne- und Stohpellets versorgt, die zusätzlich zum Hauptfutter angeboten wurden. Die drei Verarbeitungsprodukte wurden im Landhandel für 47,60 €/dt (Gras), 26,10 €/dt (Luzerne) und 17,20 €/dt (Stroh) bezogen. Angeboten wurden die Faserfutter in konventionellen Trockenfutterautomaten aus Kunststoff zur Befestigung auf dem Spaltenboden.
Die drei eingesetzten Ergänzungsfuttermittel wurden auf ihre Inhaltsstoffe untersucht:
- Grascobs mit einem Pelletdurchmesser von 17 mm wiesen den höchsten Futterwert auf. Auch der Zuckergehalt war mit über 9 % am höchsten.
- Luzernepellets aus gemahlenem Luzerneheu zeichneten sich durch einen hohen Eiweißgehalt von 14,7 % aus.
- Stohpellets waren mit über 40 % Rfa extrem rohfaserreich. Der Rohproteingehalt lag unter 4 %.
- Nur in den Strohpellets wurden unerwünschte Mykotoxine nachgewiesen (siehe Übersicht 1).
Der Versuch startete im Mai 2016 und wurde im Januar 2017 beendet. Es wurden insgesamt 1740 Ferkel in drei unterschiedlich ausgestatteten Abteilen einbezogen. Die für den Versuch vorgesehenen Ferkel wurden nach dem Absetzen einzeln gewogen und auf die Kontrollgruppe und drei Versuchsgruppen verteilt.
Das mittlere Gewicht zu Beginn der Aufzucht lag bei 8 kg. Eine zweite Wägung sowie eine subjektive Bonitur von Schwanzverletzungen und -nekrosen auf einer Skala von 1 bis 4 fanden zum Versuchsende nach durchschnittlich 35 Tagen statt.
Ferkel nahmen mehr Rohfaser auf
Die Ergebnisse: Die rohfaserreichen Ergänzungsfuttermittel werden von den Ferkeln unterschiedlich und im Verlauf der Aufzucht zunehmend akzeptiert. Die Akzeptanz folgt offensichtlich dem Zuckergehalt der Futtermittel. Demzufolge fraßen die Ferkel am liebsten Grascobs (siehe Übersicht 2 auf Seite 42).
Der Gesamtverzehr während der 35-tägigen Aufzuchtperiode betrug hier 1711 g je Ferkel, bei Luzernepellets 980 g je Ferkel. Bei Strohpellets war die Aufnahme deutlich schlechter. Hier betrug der Verzehr nur 515 g je Ferkel.
Auch wenn die aufgenommenen Mengen an Beifutter überschaubar waren, führten sie dennoch zu einer zusätzlichen Rohfaseraufnahme bzw. einem Rohfaserverbrauch von 10 g (Gras), 7 g (Luzerne) bzw. 6 g (Stroh) je Ferkel und Tag. Wird ein mittlerer Futterverbrauch von 950 g je Ferkel und Tag unterstellt, beträgt die Rohfaseraufnahme über das Hauptfutter knapp 36 g je Tier und Tag. Über Grascobs, Luzerne- und Strohpellets wird die Rohfaseraufnahme somit um 28 %, 19 % und 17 % erhöht.
Dieser zusätzliche Beitrag zur Rohfaserversorgung ist offensichtlich leistungssteigernd. So kamen die 872 mit unterschiedlichen Rohfaserträgern beigefütterten Ferkel auf 502 g tägliche Zunahmen. Die unter gleichen Bedingungen aufgezogenen Kontrollferkel erreichten lediglich 477 g Tageszunahme (siehe Übersicht 3). Dieser Unterschied konnte statistisch abgesichert werden.
Auch auf die Gesundheit der Ferkel scheint die Grobfuttergabe einen positiven Einfluss zu haben. So erreichten in der Kontrollgruppe 35 Ferkel (4,0 %) aus gesundheitlichen Gründen das Versuchsende nicht und mussten aus dem Versuch genommen werden. In den Versuchsgruppen mit der Beifütterung betraf es hingegen nur 20 Ferkel (2,3 %).
Verzehrmengen verglichen
Der leistungssteigernde Effekt ist insbesondere bei der Vorlage von Grascobs zu beobachten. Die Zunahmen in dieser Gruppe waren gegenüber der Kontrolle 36 g höher. Dies wird zum einen durch die Stimulation des Hauptfutterverzehrs erreicht. Die Ferkel aus dieser Gruppe nahmen im Schnitt täglich 994 g Hauptfutter zu sich, während die Kontrollferkel pro Tag nur durchschnittlich 913 g Ferkelfutter fraßen. Zum anderen wird auch der relativ hohe Nährstoffgehalt der Grascobs (Lysin, Threonin) zu den besseren Zunahmen beigetragen haben.
Bei einem hohen Verzehr des rohfaserreichen Beifutters wird allerdings die Verdaulichkeit der Gesamtration tendenziell schlechter. Sogar ohne Berücksichtigung der Nährstoffe aus dem Beifutter fiel der Futteraufwand in der Grascob-Gruppe am schlechtesten aus. Bei einem eher mäßigen Verzehr von Luzerne- und Strohpellets wurde eine bessere Futterverwertung ausgewiesen.
Beim Einsatz von Strohpellets trat als Nebeneffekt ein tendenziell verringerter Verzehr an Hauptfutter auf. Möglicherweise kann diese Beobachtung auf den nachgewiesenen Mykotoxingehalt der Strohpellets zurückgeführt werden. Dagegen spricht allerdings die günstige Futterverwertung dieser Behandlungsgruppe, sodass es sich auch um einen Verdrängungseffekt der Pellets und deren Quellvermögen handeln könnte.
Schwanzbeißproblem gelöst?
Neben den Leistungs- und Gesundheitseffekten spielt auch die längere Beschäftigung eine wichtige Rolle, um dem Problem Schwanzbeißen entgegenzutreten. Zwar konnte die Vorlage von faserreichem Beifutter Schwanz-beißen nicht verhindern, aber bei Ferkeln mit ungekürzten Schwänzen tendenziell vermindern.
In diesem Zusammenhang wurden auch Schwanznekrosen erfasst. Sie können als Auslöser für Schwanzbeißen gesehen werden. Die subjektive Bonitur zum Ende der Aufzucht bestätigte, dass die Frequenz von Schwanzbeißen und -nekrosen in etwa gleich hoch und in Ursache und Wirkung schwer voneinander zu trennen ist.
Unter gemeinsamer Verrechnung aller Ergebnisse der beigefütterten Ferkel führt der Einsatz der rohfaserreichen Ergänzungsfuttermittel zu 5 % weniger Verletzungen durch Schwanznekrosen und zu 2,5 % weniger Verletzungen durch Schwanzbeißen. Dabei scheint auch die Anzahl Tiere je Fressplatz unterschiedlich auf das Tierverhalten zu wirken (siehe Übersicht 4).
Ob der positive Effekt des Faserfutterangebots auf den Ausgleich eines möglichen Rohfaserdefizites des Hauptfutters oder auf eine nachhaltige Beschäftigung zurückzuführen ist, bleibt unklar. Mit Blick auf die Tiergesundheit überwiegt jedoch offensichtlich ein physiologischer Effekt der Rohfaser auf die Schwanznekrosen, die als ein möglicher Auslöser für das Schwanzbeißen gewertet werden können.
Nachgewiesen ist, dass der positive Effekt bei unkupierten Ferkeln viel stärker zum Tragen kommt. Daher ist bei einem Kupierverzicht darauf zu achten, dass das Beschäftigungsmaterial attraktiv bleibt. Hier scheint die Vorlagetechnik sowie ein eher restriktives Angebot entscheidend zu sein.
Zusammenfassung
- Der Einsatz rohfaserreicher Ergänzungsfuttermittel verbesserte die Rohfaserversorgung in der Ferkelaufzucht.
- Mit Grascobs wurde die beste Akzeptanz erreicht. Das Angebot verbesserte den Verzehr des Hauptfutters, verschlechterte aber tendenziell dessen Verwertung.
- Der Einsatz von Strohpellets wirkte sich eher negativ auf die Zunahmen aus, indem der Verzehr des Hauptfutters reduziert war. Der Einsatz von Luzernepellets wirkte sich nicht auf die Futterverzehrsmengen aus.
- Von den eingesetzten Verarbeitungsprodukten aus Luzerne und Gras geht offensichtlich eine gewisse Prophylaxe im Hinblick auf Schwanznekrosen aus, mit Mykotoxinen belastete Strohpellets bewirken offensichtlich das Gegenteil.