Wenn gesunde und robuste Ferkel auch am dritten Absetztag kein Futter aufnehmen, könnte das Syndrom PFTS dahinterstecken. Ein Fall aus der Praxis.
Dr. Anne Warzecha, Tierärztliche Gemeinschaftspraxis Büren
Es war zum Verzweifeln: Auf einem Sauenbetrieb traten einzelne, abgesetzte Ferkel regelrecht in den Hungerstreik. Direkt nach dem Umstallen in den Aufzuchtbereich suchten und fanden die Ferkel den Trog mit dem Futter. Doch die sonst gesunden und gut entwickelten Tiere nahmen partout keine Futterkrümel auf.
Zwei Tage nach dem Absetzen konnten die „Hungerkandidaten“ sicher identifiziert werden. Die eingefallenen Flanken und leeren Bäuche wiesen eindeutig auf mangelnde Futteraufnahme hin. Zu dem Zeitpunkt waren die Ferkel noch aktiv und versuchten vereinzelt bei Buchtengenossen zu saugen.
Gesunde Ferkel verhungern
Am dritten und vierten Tag verschlimmerte sich der Zustand. Die Ferkel wirkten teilnahmslos, hielten den Kopf gesenkt und die Muskulatur baute sich zusehends ab. Die Tiere bewegten sich kaum und standen nur da.
Der Betriebsleiter holte sich tierärztlichen Rat. Bislang hatte seine Absetzstrategie gut funktioniert. Auch waren keinerlei Anzeichen von infektiösen Krankheiten zu erkennen und die Säugephase lief problemlos. Keines der Tiere aus der Gruppe war vor dem Absetzen verhaltensauffällig gewesen.
Seit Jahren werden die Ferkel auf dem Betrieb zwischen dem 21. und 24. Säugetag abgesetzt. Bereits während der Säugephase bekommen sie Prestarter angeboten. Nach dem Absetzen werden die Tiere in ein gut aufgeheiztes Flatdeck verbracht. In den ersten Tagen nach dem Absetzen werden zusätzlich zum Aufzuchtfutter kleine Mengen Prestarter mehrmals täglich in Schalen oder auf festen Flächen angeboten. Zusätzlich zu den Tränken finden die Ferkel Wasser in flachen Schalen vor, die regelmäßig nachgefüllt werden.
Ekel vor Futter?
Bei den folgenden Durchgängen zeigte die Mehrheit der abgesetzten Ferkel eine gute Futteraufnahme, die auch weiter gesteigert werden konnte. Doch wiederum 5 bis 8 % der Ferkel weigerten sich zu fressen. Bei diesen Tieren wurde wie im Durchgang davor neben der Muskelschwäche und Gewichtsverlust wiederholtes Belecken und Mahlen mit den Zähnen, Teilnahmslosigkeit sowie langes, orientierungsloses Stehen beobachtet.
Um die angeschlagenen Ferkel zu retten, wurden sie separiert und mit zerkleinerten Erdnussflips versorgt, zum Teil trocken, zum Teil mit Cola angefeuchtet. Doch die meisten der Hungerleider verschmähten selbst diese Leckerbissen. Gleichzeitig wurde geprüft, ob die Unfähigkeit der abgesetzten Ferkel, sich nach dem Absetzen der neuen Situation anzupassen, auf einen verdeckten Managementfehler zurückzuführen ist. Doch es wurden keine Hinweise gefunden.
Da auch klinisch und diagnostisch sowie pathohistologisch keine viralen oder bakteriellen Infektionserreger bei den erkrankten Ferkeln im betroffenen Betrieb nachgewiesen werden konnten, wurde der Prestarter des Betriebes unter die Lupe genommen. Dabei fiel der etwas herbe Nachgeschmack des Futtermittels auf, weshalb der Prestarter gegen einen vermeintlich besser schmeckenden ausgetauscht wurde. Nach dem Wechsel verbesserte sich die klinische Situation.
PFTS diskutiert
In der Literatur wird dieses Phänomen erstmals 2007 in den USA als PFTS beschrieben. Die Buchstaben stehen für Periweaning failure to thrive syndrom = mangelndes Gedeihen um den Absetzzeitpunkt. Ein größerer Sauenbetrieb mit hohem Gesundheitsstatus war zuerst betroffen.
Inzwischen wurde PFTS auf zahlreichen amerikanischen Tierärztekongressen vorgestellt. Videodokumentation inklusive der Demonstration klinischer Anzeichen des Syndroms haben in den USA und Kanada zur Verbesserung des Bewusstseins für PFTS beigetragen. Auch in Europa sind nach und nach derartige Fälle bekannt und beschrieben worden.
Bei allen PFTS-Tieren wird das massive Einschmelzen von Körper- und Organfettgewebe infolge der mangelnden Futteraufnahme attestiert. Bei einzelnen Ferkeln können zusätzlich eine chronische Rhinitis bzw. Nasenschleimhautentzündung oder eine Entzündung der Magenschleimhaut auftreten. Typisch ist auch die Verkleinerung des Thymus. Dieses Organ spielt bei der Reifung der Immunzellen für die Infektionsabwehr eine Rolle.
Empfohlen wird, betroffene Ferkel in Krankenbuchten zu bringen und mit zusätzlicher Wärme, Elektrolytlösungen, Ferkelmilch und angefeuchtetem Ferkelfutter zu versorgen. Allerdings reagieren nur wenige Ferkel positiv auf diese Extraversorgung.
Begünstigende Faktoren
Doch was begünstigt PFTS? Hier werden in der Literatur unterschiedliche Faktoren angesprochen:
- Vorangegangene Infektionen scheinen eine Rolle zu spielen. Deshalb sind Durchfallerkrankungen bei Saugferkeln wie Rota/Coronavirus- oder Kokzidieninfektionen oder E.coli-Durchfall bzw. Salmonellen bei Absetzferkeln vorzubeugen. Erkrankungen, die die Immunabwehr herabsetzen (PRRSV, PCV2, Glässersche Krankheit) sowie Parasiten sind auszuschließen.
- Oft werden Managementfehler als Auslöser erwähnt. Dazu zählen ein Überbelegen, schlechte Sortierung und mangelndes Wasserangebot ebenso wie fehlende Wärme.
- Ebenfalls spielen Fütterungsfehler wie ungünstige Futterformulierung/Zusammensetzung sowie Mykotoxinbelastung offenbar eine Rolle.
- Selbst genetische Ursachen werden diskutiert: Im Jahr 2015 ergab eine Studie, dass auf betroffenen Farmen unterschiedlicher Genetik der Einsatz bestimmter Eber in einer Beleggruppe ein erhöhtes Aufkommen von PFTS in der zugehörigen Absetzgruppe ergab.
Fazit
In einem Praxisfall traten Symptome auf, die auf PFTS-Syndrom hindeuten. Bis zu 8 % der Absetzferkel hungerten sich zu Tode.
PFTS ist eher ein Problem des Absetzmanagements und seiner vielfältigen Einflussfaktoren als ein reines Gesundheitsproblem. Es werden verschiedene Faktoren als Auslöser diskutiert. PFTS kann jeden Betrieb treffen.