Die Holländer Willy und Marjan Gijsbers sind vor zwei Jahren auf 1250 Sauen gewachsen. Auch im Deck- und Abferkelstall werden ihre Tiere per Chip-Erkennung individuell gefüttert.
Michael Werning, SUS
Willy und Marjan Gijsbers aus dem niederländischen Loosbroek standen vor drei Jahren vor einer schwierigen Entscheidung. Vor über 25 Jahren waren sie ins geschlossene System mit 250 Sauen gewachsen und wirtschafteten lange Zeit gut damit. „Doch unsere Verhandlungsposition gegenüber Viehhandel und Futterlieferanten wurde zunehmend schwächer“, erzählt Marjan Gijsbers.
Hinzu kam, dass mit Sohn Patrick eines der vier Kinder signalisierte, den Betrieb später gerne übernehmen zu wollen. Es galt also die Weichen für die Zukunft zu stellen.
Ferkel-Export im Visier
Weiter in der Mast zu wachsen kam für die Familie nicht in Frage. Denn Loosbroek liegt in der Provinz Nord-Brabant, eine der viehintensivsten Regionen des Landes. Hier sind die Bauauflagen sehr streng und die überbetriebliche Verwertung der Gülle extrem teuer. Mit rund 10 ha Nutzfläche mussten Gijsbers bereits vor ihren Erweiterungsplänen große Teile ihrer Gülle abgeben.
Also richtete sich das Augenmerk auf die Ferkelerzeugung. „Wir wollten von Anfang an für den deutschen Markt produzieren, da dort die Ferkelpreise im Schnitt merklich höher sind als hier. Dafür mussten wir homogene Partien mit 500 Ferkeln oder mehr liefern können“, so Willy Gijsbers.
Sehr gelegen kam der Familie, dass zu der Zeit eine Flaute im niederländischen Baugewerbe herrschte und über Preise gut zu verhandeln war. So wagten Gijsbers einen Wachstumsschritt, der es in sich hatte. In einem Zug wurden 2015 für 1250 Sauen ein Wartestall mit Deckzentrum sowie ein kombinierter Abferkel- und Aufzuchtstall gebaut. Zudem schaffte der Betrieb die alte Sauenherde ab und startete mit hochgesunden PIC-Jungsauen.
Die vorhandenen Gebäude auf den zwei Standorten wurden teils umgenutzt und in das neue Betriebskonzept integriert. „Einen Teil der Mast haben wir für die Jungsauenaufzucht ab 25 kg umgebaut. Auf dem Betrieb meines Bruders, wo vorher die gesamte Sauenherde untergebracht war, stehen jetzt noch 180 Wartesauen und 72 Abferkelplätze“, erklärt der Betriebsleiter.
Wartestall für 750 Sauen
Um Baukosten zu sparen, hat sich das Ehepaar im Wartebereich für eine Großgruppe mit 750 Sauen entschieden. In Holland dürfen die Tiere nach dem Absetzen nur für vier Tage im Kastenstand gehalten werden, dann müssen sie in Gruppen laufen. Weil Gijsbers im Wochenrhytmus produzieren und somit ständig neue Tiere in die Gruppe kommen, war bei ihnen die Sorge groß, dass viel Unruhe im Wartestall herrscht. „Doch das Gegenteil ist der Fall“, berichtet Marjan Gijsbers.
Ihrer Meinung nach ist das vor allem auf die tierindividuelle Fütterung an insgesamt zwölf Nedap-Abrufstationen zurückzuführen. Jede Sau in der Herde ist mit einer RFID-Ohrmarke versehen auf der zahlreiche Daten, darunter Wurfnummer oder Trächtigkeitsstadium, hinterlegt sind. In Kombination mit den manuellen Anpassungen, die Gijsbers oder ihre Mitarbeiter anhand der Körperkondition der Sau vornehmen, erstellt das System eine auf das Einzeltier zugeschnittene Futterkurve.
„Wann und in welcher Menge die Sau ihre Tagesration abruft, ist ihr selbst überlassen“, erklärt Willy Gijsbers. Betritt eine Sau die Abrufstation, greift das oberhalb des Fressplatzes installierte Auslesegerät auf die Daten des Ohr-Chips zu. Liegt ein Futteranspruch vor, wird zunächst eine Menge von wenigen hundert Gramm ausdosiert. Verbleibt die Sau in der Station, wird nach zwei Minuten erneut Futter ausdosiert. „Wir haben Tiere, die ihre komplette Tagesration in eins abrufen. Andere verteilen das auf bis zu zehn Mahlzeiten“, hat die Chefin Marjan Gijsbers beobachtet.
Automatische Tierselektion
Bei einer so großen Sauengruppe ist es sehr wichtig die Übersicht zu behalten. Die Abrufstation bzw. die zwei daran gekoppelten Sortierbuchten spielen dabei eine wichtige Rolle.
Ein Selektionsmerkmal ist die Futteraufnahme. „Frisst eine Sau weniger als vorgegeben, deutet das auf ein Problem hin und sie wird in die Separationsbucht geschleust“, erklärt Willy Gijsbers. Weil bei der Sauenanzahl auch in der Separationsbucht schnell der Überblick verloren gehen kann, werden auffällige Sauen in der Station farblich markiert. Für Futterverweigerer ist beispielsweise die Farbe Grün vorgesehen.
Parallel zur Aussortierung des Tieres bekommt der Sauenhalter eine Push-Nachricht auf das Smartphone. Über eine App kann er dann schnell schauen, wo das Problem gelagert ist und sich das Tier genauer anschauen.
Zudem separieren Gijsbers montags, mittwochs und donnerstags die Sauen, die geimpft werden müssen. Gleich wird mit den Tieren verfahren, bei denen dienstags die Trächtigkeitskontrolle per Scanner ansteht oder die freitags in die Abferkelställe umgestallt werden sollen.
Besonders wichtig ist ein schneller Hinweis, wenn Ohrmarken fehlen. Deshalb können die Sauen auch ohne Ohrmarke in die Abrufstation und werden dort bei Auftreten eines Erkennungsfehlers gekennzeichnet und aussortiert. „Sonst könnte es bei der Gruppengröße schnell passieren, dass eine Sau ohne Marke über einen längeren Zeitraum kein Futter erhält“, erläutert die Sauenexpertin.
Seit wenigen Monaten ist die Abrufstation der Gijsbers zusätzlich mit einem innovativen Gewichtsmonitoring ausgestattet. Im Laufgang, zwischen Futterplatz und Sortierschleuse integriert, erfasst nun eine Waage in Sekundenschnelle das Gewicht der Sau und übermittelt es an die Steuereinheit.
Dort werden die Gewichtsdaten gesammelt und in einer Entwicklungskurve dargrstellt. Weicht eine Sau von der Ideallinie deutlich nach oben oder unten ab, bekommt der Landwirt eine Meldung auf das Smartphone und kann die Ration anpassen. „Wir leisten derzeit Pionierarbeit und hoffen, dass bald mithilfe der Gewichtserfassung die Rationskorrektur vollautomatisch abläuft“, erzählt Marjan Gijsbers.
Rausche-Detektor integriert
Angesichts der Gruppengröße wissen Gijsbers die vielen Managementhilfen zu schätzen, weshalb sie ihr System um eine automatische Rauscheerkennung erweitert haben. Dafür wurde im Stall eine Eberbucht mit Sichtfenster eingerichtet. Oberhalb des Fensters ist eine Steuerungseinheit verbaut, die erfasst, wie oft eine Sau in einer bestimmten Zeit den Eber-Kontakt sucht.
Willy Gijsbers hat die Erkennung so eingestellt, dass eine Sau, die ungewöhnlich oft an einem Tag Eberkontakt sucht, zunächst über eine Farbsprühvorrichtung gezeichnet wird. Wenn sie dann das nächste Mal die Abrufstation betritt wird sie separiert. „Das macht eine visuelle Kontrolle bei den täglichen Rundgängen nicht überflüssig, aber bei 9 von 10 selektierten Sauen handelt es sich wirklich um Umrauscher“, ist der Niederländer mit der Erfolgsquote der Rauscheerkennung ebenso zufrieden wie mit der Umrauscherquote von nur 7%.
Individualfütterung überall
Auf die individuelle Fütterung setzen Gijsbers auch im neuen Deck- und Abferkelstall. Die Umsetzung ist hier nicht so einfach, da die Sauen über Volumendosierer gefüttert werden. Um dennoch das Futter in kleinen Rationen vorlegen zu können, sind unter jedem Volumendosierer ein Chipleser und eine quer zur Richtung des Fallrohrs verlaufene Futterspirale installiert.
Auch hier greift das Steuerungssystem über die RFID-Ohrmarke auf die individuelle Futterkurve der Sau zurück. Die richtet sich im Deckstall nach der Kondition der Sau oder im Abferkelstall nach Laktationstagen bzw. Anzahl säugender Ferkeln.
Im Deck- und Abferkelstall geben Gijsbers feste Fresszeiten vor, um in diesen empfindlichen Produktionsbereichen möglichst wenig Unruhe aufkommen zu lassen. Von 7 Uhr bis 19 Uhr beginnt im 4-Stunden-Takt jede Fütterung damit, dass zunächst eine kleine Menge Futter ausdosiert wird. Anschließend fragt die Steuereinheit in einem zweiminütigen Intervall ab, ob die Sau noch vor dem Trog steht und somit weiteren Futterbedarf signalisiert. Dieser Prozess läuft über 20 Minuten, dann ist ein Fütterungsblock durch. „An heißen Tagen lassen wir den 15 Uhr-Block ausfallen und füttern dafür um 3 Uhr nachts“, so Marjan Gijsbers.
Dennoch kommt es grade während der Rausche oder rund um die Geburt vor, dass eine Sau kurzfristig weniger frisst. In solchen Fällen nehmen es Gijsbers und ihre zwei Mitarbeiter als echte Arbeitserleichterung wahr, dass sie mit wenigen Klicks auf dem Smartphone die Ration anpassen können. „Das zeitaufwendige Verstellen der Volumendosierer gehört der Vergangenheit an“, ist Willy Gijsbers froh.
Höhere Futteraufnahme
Daneben haben er und seine Frau im Abferkelstall noch einen weiteren positiven Effekt ausgemacht. Durch die kleineren Portionen nehmen die Sauen an die 9 kg Säugefutter und reichlich Wasser auf. „In Kombination mit dem häufigen Aufstehen wird der Stoffwechsel der Tiere angekurbelt. Das ist im Abferkelstall sehr wichtig“, so die Sauenexpertin. Nicht zu unterschätzen ist aber die steigende Erdrückungsgefahr insbesondere für junge Ferkel. Deshalb sind alle Abferkelboxen im neuen Stall mit Abrollbügeln ausgestattet, die ein ruckartiges Ablegen der Sau verhindern.
Unterm Strich zahlt sich das ausgefeilte Fütterungskonzept für Gijsbers aus. Zwar schlagen die Investionskosten mit knapp 265 € pro Fressplatz zu Buche. Denn dank der hohen Futteraufnahme geben die Sauen viel Milch. So erreicht der Betrieb nach vier Wochen Säugezeit ein durchschnittliches Absetzgewicht von 7,5 kg. Dazu wirkt sich die gleichmäßige Konditionierung positiv auf die Fruchtbarkeit aus. Mit 30 abgesetzten Ferkeln pro Sau und Jahr befindet man sich auf einem sehenswerten Niveau.
Fazit
Der niederländische Familienbetrieb Gijsbers ist 2015 aus dem geschlossenen System mit 250 Sauen in die schwerpunktmäßige Ferkelerzeugung mit 1250 Sauen gewachsen. Dieser große Schritt war nötig, um attraktive Ferkelpartien für den Deutschland-Export anbieten zu können.
Beim Management der 750 Wartesauen hilft die Chip-gesteuerte Abrufstation mit integrierter Gewichtserfassung und angekoppelter Rauscheerkennung. Das die tierindividuelle Fütterung auf den Deck- und Abferkelstall ausgeweitet wurde, macht sich in einer niedrigen Umrauscherrate und hohen Absetzgewichten bemerkbar.