Schlachthofbefunde sind wertvolle Infos für das Gesundheitsmanagement. Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass Befunddaten auch für die Zucht interessant sind.
Wissenschaft und Politik fordern zunehmend die Nutztierzucht zu einem Umdenken auf. Zusätzlich zur Leistung soll eine bessere Gesundheit primäres Zuchtziel werden. Doch Merkmale für Gesundheit lassen sich nur schwer erfassen.
Am Schlachtband werden routinemäßig Befunde erhoben, die einen Überblick über die Gesundheit der gelieferten Tiere geben. Zusätzlich zu den amtlichen Fleischuntersuchungen können die Tiere quantitativ auf erkrankungsbedingte Veränderungen der Organe untersucht werden. Dies ermöglicht auch die Erfassung von subklinischen Erkrankungen. Ob Befunddaten auch für die Zucht nutzbar sind, sollte ein Projekt auf der Grundlage einer Masterarbeit an der Fachhochschule Südwestfalen (Soest) zeigen.
Herz, Lunge, Brustfell
In diesem Projekt lag der Fokus auf den häufigsten und bedeutendsten Schlachtbefunden Perikarditis, Pneumonie und Pleuritis. Zusätzlich wurden Befunde zu Schleimbeuteln an den Hinterbeinen sowie Gelenkentzündungen berücksichtigt.
Perikarditis: Das Vorliegen einer Herzbeutelentzündung ist ein Hinweis für eine Infektion mit Hämophilus parasuis (Glässersche Krankheit), tritt aber auch bei anderen Erregern, z. B. Streptococcus suis auf. Sie verläuft meist in Kombination mit der Pleuritis. Die Beeinträchtigung der Herzaktion bis hin zu einer Herzinsuffizienz ist abhängig vom Grad der Veränderungen. In schweren Fällen sind unsynchronisierte Reibegeräusche zu hören. Eine geringflächige Perikarditis kann ohne Symptome verlaufen. Die Perikarditis wird am Schlachtband in den Kategorien „vorhanden“ und „nicht vorhanden“ erfasst.
Die Pneumonie (Lungenentzündung) wird meist durch fakultative oder obligate Erreger ausgelöst. Typische Lungenkrankheiten beim Schwein sind z. B. Influenza, Mycoplasma hyopneumoniae, Actinobacillus pleuropneumoniae und Pasteurella multocida. Die Veränderungen der Lunge werden bei der Schlachtuntersuchung in einen vierstufigen Befundschlüssel eingeteilt.
Die Pleuritis (Brustfellentzündung) tritt in unterschiedlicher Ausdehnung auf und kann bis zur Verwachsung der gesamten Lunge mit dem Brustfell im Tierkörper führen. Bei ausgedehnten Veränderungen kann dies zur Bewegungseinschränkung der Lunge, des Zwerchfells und des Herzens führen. Zudem können die Brustfellblätter von Brustwand und Lunge verwachsen. Die Veränderungen des Brustfells werden bei der Schlachtuntersuchung in einen vierstufigen Befundschlüssel eingeteilt.
Dicke Gelenke und Schleimbeutel
Eine Gelenkentzündung kann chronisch oder akut verlaufen. Infektionen mit Streptokokken, Rotlauf, Arcanobacterium pyogenes oder Mykoplasmen können Ursache einer Gelenkentzündung sein. Im Zusammenhang mit Wundinfektionen ist eine Weiterverbreitung der Erreger in ein Gelenk ebenfalls möglich. Oft ist das Gelenk geschwollen.
Die Schleimbeutelbildung (Bursitis) entsteht, wenn chronischer Druck auf das Bindegewebe ausgeübt wird. Es bilden sich Hohlräume, in denen sich Flüssigkeit ansammelt. Die Sehnen- und Gelenksfunktionen werden i. d. R. nicht beeinträchtigt. Bei längerer Belastung kann es zur Nekrose der Haut, einer Fistelbildung oder einer Infektion kommen. Bei geringer Belastung kann sich der Schleimbeutel zurückbilden. Diese Veränderungen treten vorwiegend an den Hintergliedmaßen auf.
Projekt mit drei Betrieben
Für die Untersuchung wurden Daten von über 73 000 Schlachttieren aus dem Zeitraum von Juli 2011 bis September 2014 berücksichtigt. Die Mast erfolgte in drei Kombibetrieben; die männlichen Ferkel wurden nicht kastriert.
Alle Ferkel erhielten in den ersten 24 Lebensstunden eine Plastikohrmarke mit einer Nummer zur tierindividuellen Kennzeichnung und Zuordnung der Abstammung. In der dritten Lebenswoche wurde zu der Plastikohrmarke noch eine elektronische Ohrmarke eingezogen, die mit der Nummer auf der Plastikohrmarke verknüpft ist.
Am Schlachthof Coesfeld der Westfleisch wurde am Schlachtband die elektronische Ohrmarke ausgelesen und der Schlachtnummer und damit dem Tier zugeordnet. Die Auswertung der Schlachtbefunde erfolgte im Topigs Norsvin Research Center in Beuningen (Niederlande).
Masteber sind empfindlich
Über alle drei Betriebe traten Pneumonien (Lungenentzündung) mit 12,2 % am häufigsten auf. Der Anteil Tiere mit Pleuritis (Brustfellentzündung) lag bei 3,1 % und der Anteil Tiere mit Perikarditis (Herzbeutelentzündung) bei 2,4 %. Zudem trat bei 12,1 % der Tiere der Befund Bursitis (Schleimbeutelentzündung) auf. Gelenkentzündungen zeigten 4,6 % der Schlachttiere (siehe Übersicht 1).
Die Unterschiede zwischen den Betrieben waren bei einzelnen Befunden groß. Bei den Lungenbefunden variierte die Rate beispielsweise von 8,0 bis 16,3 %. Auch zeigte es sich, dass auf allen drei Betrieben die Eber anfälliger waren als die Sauen. Zwar wurden für die Befunde Pneumonie, Perikarditis und Pleuritis keine oder nur sehr geringe Unterschiede zwischen den Geschlechtern festgestellt. Dafür traten Bursitis und Gelenkentzündungen vermehrt bei den Mastebern auf (siehe Übersicht 2).
Die Häufigkeit der Schlachtbefunde wurde den durchschnittlichen Lebendtagszunahmen der Betriebe gegenübergestellt. Der Betrieb C mit den besten Tageszunahmen wies in der Summe die geringste Anzahl Schlachtbefunde auf.
Auch auf Betriebsebene reduzierte sich mit besseren Lebendtagszunahmen der Anteil an Tieren mit Befunden. Das heißt: Die schnell wachsenden Schweine in einem Bestand wiesen weniger Befunde auf als die langsam wachsenden Buchtengenossen.
Einflüsse auf die Schlachtkörperqualität hingegen konnten nicht festgestellt werden. So gaben die AutoFOM-Bewertungen keine Hinweise auf gerichtete Auswirkungen der Schlachtbefunde auf wertvolle Teilstücke und Magerfleischanteil im Bauch.
Selektion nach Schlachtbefund-Index
In einem zweiten Schritt wurden folgende Erblichkeitsraten für die Befunde berechnet:
- Perikarditis (Herzbeutel):19 %;
- Gelenkentzündungen:17 %;
- Bursitis (Schleimbeutel): 15 %;
- Pleuritis (Brustfell): 12 %;
- Pneumonie (Lunge): 6 %.
Damit ist eine sehr gute Basis für die Berechnung entsprechender Zuchtwerte gegeben. Diese können helfen, den Gesundheitsstatus der Schweine auch durch die Auswahl der Eber zu verbessern.
Das Zuchtunternehmen Topigs Norsvin hat kürzlich einen auf der Grundlage der Befunddaten geschätzten Index für Besamungseber vorgestellt, den sogenannten Topigs-Welfare-Index (TWI). Bei einem Einsatz der besten 10 % der Eber kann der Anteil der Schlachtbefunde um ein Viertel, d. h. von durchschnittlich 33 % auf 24 %, reduziert werden.
Ein solcher Index „Tiergesundheit“ könnte künftig zusätzlich zu den Zuchtwerten für die Mast- und Schlachtleistungen ausgewiesen werden. Er bietet die Möglichkeit, durch gezielte Eberauswahl die Tiergesundheit zu verbessern. Damit kann die Zucht zusätzlich zum Management auch zur Verbesserung des Tierwohls beitragen.
Fazit
Eine Analyse von Schlachtbefund-Daten aus drei Betrieben brachte folgende Erkenntnisse:
- Die häufigsten Befunde am Schlachtband waren Lungen-, Schleimbeutel- und Gelenkentzündungen sowie Brustfell- und Herzbeutelentzündungen.
- Die Häufigkeit der Befunde variierte zwischen den Betrieben und den Geschlechtern sehr stark. Masteber waren häufiger betroffen als weibliche Schweine.
- Die Erblichkeit einzelner Befunde variierte zwischen 6 und 19 %. Damit ist eine sehr gute Basis für eine züchterische Verbesserung der Befundrate am Schlachtband gegeben.