Frühindikatoren lassen auf eine Marktentlastung hoffen. Wann kommen der Ferkel- und Schweinemarkt wieder in Schwung?
Dr. Albert Hortmann-Scholten, LWK Niedersachsen
Seit fast zwei Jahren kämpfen Ferkelerzeuger und Mäster mit schlechten Preisen. Oft ist die Liquidität angespannt. Nachhaltig bessere Preise scheinen aber erst möglich, wenn die Produktion sinkt.
EU-Sauenhalter stocken ab
Zunächst ein Blick in die europäischen Sauenbestände. Im letzten Jahr haben wichtige Länder spürbar abgestockt. Deutschland, Frankreich, Dänemark, Holland sowie Belgien reduzierten ihre Bestände um 4 bis 5 %. In Polen standen sogar fast 15 % weniger Sauen. Insgesamt haben die 16 wichtigsten EU-Staaten 2015 die Sauen um 1,9 % zurückgefahren.
Im laufenden Jahr setzen sich die Abstockungen in Deutschland, Holland, Polen und Belgien vermutlich fort, in leicht abgeschwächter Form auch in Dänemark. Viele Ferkelerzeuger haben massive Liquiditätsprobleme. Insider berichten über Aufgaben und Leerstände auch von großen Sauenanlagen. In den Niederlanden stehen größere Farmen zum Verkauf. So dürfte die EU-Ferkelproduktion in diesem Jahr um mindestens um 2 bis 3 % sinken.
Allerdings können Spanien und Portugal die Sauenhaltung gegen den Trend ausbauen. Möglicherweise spielt hier die Wirtschaftskrise den großen Integratoren in die Hände. Hinzu kommen ein positiveres Zins- und Investitionsklima.
Den Abstockungen steht die zunehmende Leistungsfähigkeit der Sauen entgegen. Im Zuge des rasanten Strukturwandels arbeiten die verbleibenden Betriebe immer professioneller. In Deutschland liegt der Leistungsschub zwischen 0,3 und 0,7 verkauften Ferkeln pro Sau und Jahr.
Dänische Berater peilen mittlerweile bis zu 38 abgesetzte Ferkel an. So könnten in einigen Jahren 9 Mio. Zuchtsauen in Europa ausreichen, um die benötigten 260 Mio. Mastferkel zu erzeugen.
Stabile Ferkelpreise
Auch in Deutschland lassen Frühindikatoren weitere signifikante Produktionsrückgänge erwarten. So kamen 2015 rund 6 % mehr Schlachtsauen an den Haken als 2014. Ebenfalls hat sich bis Mitte Mai das Angebot an abgängigen Altsauen erhöht. Gleichzeitig ist der Spermaverkauf um 5 bis 10 % gesunken. Auch der Jungsauenabsatz liegt unter der Linie der Vorjahre.
Der Rückgang der Sauenzahlen zeigt sich im Ferkelgeschäft. So konnte sich der Ferkelmarkt trotz schwacher Schweinepreise gut behaupten. Das Angebot marktgängiger Partien sank nach Auswertungen der Vereinigung der Erzeugergemeinschaften (VEZG) seit November 2015 im Nordwesten um rund 4%. Deutschlandweit wurden sogar 5 % weniger Ferkel nach VEZG-Notierung gehandelt als im Vorjahreszeitraum (siehe Übersicht).
Das erlaubte stabile Ferkelpreise. So lag die VEZG-Notierung im ersten Quartal um 1,43 € über dem Vorjahr. Das sinkende Ferkelangebot spricht für eine geringfügige zyklische Angebots- entlastung ab dem Spätsommer.
Trotz rückläufiger Sauenzahlen legten die Schlachtzahlen EU-weit zu. Im letzten Jahr haben die EU-28-Länder rund 260 Mio. Schweine geschlachtet. Der Selbstversorgungsgrad der EU liegt damit deutlich über 110 %.
Ganz erheblichen Anteil daran hat Spanien. Das Land hat im letzten Jahr mit 46,4 Mio. Schweinen rund 7,3 % mehr geschlachtet. Bezüglich der Brutto-Eigenerzeugung hat Spanien Deutschland sogar vom ersten EU-Platz verdrängt. Die Folgen spüren die deutschen Fleischexporteure deutlich. Der innereuropäische Markt ist härter umkämpft. Spanische Produzenten drängen z.B. die Deutschen aus dem lukrativen italienischen Markt.
Ursachen für die deutlich verbesserte Wettbewerbsfähigkeit der Spanier liegen in den geringeren Produktionskosten, die vor allem durch geringere Lohn-, Umwelt-, Tierschutz- und Sozialstandards zu erklären sind. Zudem scheinen die spanischen Integratoren in Tiefpreisphasen weniger krisenanfällig zu sein.
2016 weniger Mastschweine
Trotz der Aufstockungen in Spanien sieht der EU-Prognoseausschuss für das laufende Jahr eine Trendwende. Anfang März gab man als neuen Schätzwert eine um 6 Mio. Schweine verringerte Erzeugungsmenge für 2016 an.
Dennoch bleibt festzuhalten, dass das innereuropäische Angebot bedarfsübersteigend sein wird. Die EU ist nach wie vor auf umfangreiche Exporte angewiesen. Dabei ist der Euro-Dollar-Kurs für die Wettbewerbsfähigkeit relevant.
Die europäischen Exporte von Schweinefleisch haben im ersten Quartal deutlich zugenommen. Vor allem China bietet großes Potenzial. Die Schweinepreise erklimmen dort neue Rekordhöhen. Im Februar lagen die Preise um 60 % über dem Vorjahr. Die Ausfuhren nach China als wichtigsten Drittlandsmarkt werden auch im zweiten Halbjahr den europäischen Markt stark mitbestimmen. Doch darf man nicht verkennen, dass die Volksrepublik primär gefrorene Nebenerzeugnisse wie Schnauzen, Pfoten und teilweise Innereien aufnimmt. Sie können das Anfang 2014 weggefallene Russlandgeschäft nicht kompensieren.
Neben dem Export ist wichtig, wie sich der Fleischverzehr in Europa entwickelt. Erfreulicherweise konnte dieser im letzten Jahr um 800 g auf 32,5 kg pro Kopf zulegen. Entgegen dieses positiven Trends hat der Verbrauch in Deutschland nachgegeben und wird sich voraussichtlich auch in diesem Jahr verringern. Der Prozess ist zwar nicht dramatisch. Er erhöht aber den Druck auf die Wirtschaft, sich stärker auf den Export auszurichten.
Fazit
Die Trendwende am Schweinemarkt ist offensichtlich eingeläutet. Mit Blick auf die Fußball-EM wird sich ein insgesamt günstigeres Verbrauchsumfeld verfestigen.
Spätestens im dritten und vierten Quartal treffen deutlich geringere Angebotsmengen auf den europäischen Markt. Dies eröffnet weitere Spielräume für steigende Erzeugerpreise.