Wer in der Antibiotika-Datenbank über Kennzahl 2 liegt, steht im Fokus der Behörde. Drei Praxisfälle zeigen, wie der Schweinegesundheitsdienst helfen kann.
Dr. Claudia Lambrecht, SGD Nordrhein-Westfalen
Seit dem zweiten Halbjahr 2014 müssen Schweinehalter ihre antibiotischen Behandlungen in die staatliche Antibiotika-Datenbank melden. Zusätzlich läuft schon länger die Datenbank für QS. Ziel ist es, durch eine weitere Einsparung von Antibiotika Resistenzen vorzubeugen. Denn diese können im Tier- und im Humanbereich Probleme bereiten.
Um den gezielten Einsatz von Antibiotika zu forcieren, ermitteln die Behörden aus der staatlichen Datenbank halbjährlich für jeden Betrieb und jede Nutzungsgruppe die Therapiehäufigkeit. Diese wird dann dem Antibiotikaeinsatz aller Betriebe gegenübergestellt. Maßgeblich ist insbesondere die sogenannte Kennzahl 2. Sie beschreibt den Wert, unter dem 75 % aller Therapiehäufigkeiten liegen.
Jeder vierte Betrieb im Fokus
Alle sechs Monate stehen 25% der Betriebe mit Überschreitung der Kennzahl 2 unter Beobachtung der Behörde. Sie müssen auf Grundlage tierärztlicher Beratung einen schriftlichen Maßnahmenplan zur Einsparung von Antibiotika erstellen. Das Veterinäramt kann eine Änderung oder Ergänzung des Plans fordern sowie Vorgaben zu Antibiotika, Impfungen, Haltung, Fütterung und Hygiene machen.
Bei zweimaliger und erheblicher Überschreitung der Kennzahl 2 kann die Behörde anordnen, dass für einen festen Zeitraum nur noch der Hoftierarzt antibiotisch behandeln darf. Im Extremfall kann sie die Tierhaltung für bis zu drei Jahre untersagen. Soweit soll es aber nicht kommen.
In Nordrhein-Westfalen bieten daher mehrere Veterinärämter in Zusammenarbeit mit dem Schweinegesundheitsdienst (SGD) der Landwirtschaftskammer NRW Hilfestellung an. Sie richtet sich an Betriebe, die in vier Halbjahren nacheinander die Kennzahl 2 überschritten haben und keine Tendenz zur Besserung zeigen. Die Veterinärbehörde fordert die Landwirte auf, kurzfristig einen Beratungstermin mit dem SGD zu vereinbaren. Alternativ können sie eine andere neutrale Institution hinzuziehen.
Die Betriebe sind verpflichtet, den Veterinärämtern die Ergebnisse der Beratung mitzuteilen. Das Angebot ist freiwillig. Die Teilnahme unterstreicht aber die Bereitschaft, die Probleme in den Griff zu bekommen. Der Schweinegesundheitsdienst NRW hat bislang etwa 50 Betriebe in diesem Rahmen unterstützt. Fast immer ist der Hoftierarzt bei den SGD-Besuchen dabei.
Intensive Diagnostik
Die Veterinäre und der Betriebsleiter machen zunächst einen umfassenden Bestandsdurchgang, um Gründe für die antibiotischen Behandlungen zu erörtern. Bei Ferkelerzeugern werden die Sauen einbezogen, auch wenn die staatliche Antibiotika-Datenbank nur die Aufzucht und Mast erfasst. Sofern noch nicht ausreichend erfolgt, wird zusätzlich Labordiagnostik durchgeführt.
Die Ursachen für den erhöhten Antibiotikaeinsatz sind betriebsindividuell. Dennoch treten einige Erkrankungen gehäuft auf. In der Ferkelaufzucht stehen oft Streptokokken, die Glässersche Krankheit und Coli-Infektionen im Vordergrund. In der Mast handelt es sich meist um Atemwegserkrankungen, oft bedingt durch PRRS oder APP. Auch Dysenterie ist häufiger als erwartet.
Wie die Beratung bei anhaltend hohem Antibiotika-Verbrauch abläuft, zeigen drei Fälle aus der Praxis.
Streptokokken im Flatdeck
Im ersten Betrieb mit 210 Sauen führten anhaltende Probleme mit Streptokokken im Flatdeck zum Anstieg der antibiotischen Behandlungen. Zusätzlich hatte ein Influenza-Einbruch hartnäckigen Husten und Fruchtbarkeitsprobleme in der Sauenherde zur Folge. Die Auswirkungen machten sich mit Husten bis ins Flatdeck bemerkbar. Insbesondere durch die wiederholt notwendigen Gruppenbehandlungen in der Ferkelaufzucht stieg die Therapiehäufigkeit des Betriebes stark an.
Beim Bestandsdurchgang fielen einzelne Tiere mit Kopfschiefhaltung auf, zwei Ferkel lagen auf der Seite. Sie waren abgesondert und behandelt worden. Zudem stach die dichte Belegung der Aufzuchtabteile ins Auge. Im Gespräch berichtete der Landwirt von Strohbuchten in Altgebäuden, die er zum Teil für die Ferkelaufzucht mitnutzt.
Nach dem Rundgang wurden folgende Maßnahmen besprochen:
- Strohbuchten vorerst mitnutzen,
- strikt Rein-Raus belegen,
- mehr Aufzuchtplätze schaffen,
- zusätzliche Fressplätze anbieten,
- Gesäuge waschen,
- Kanülen und Klingen wechseln,
- Bestands-Vakzine als Option.
Letzterer Punkt war nicht mehr nötig. Denn im Verlauf der folgenden Monate besserte sich das Bild durch die Umsetzung der besprochenen Maßnahmen deutlich. Und die antibiotischen Behandlungen konnten auf Einzelfälle reduziert werden. Durch die zügigere Entwicklung der Tiere entspannte sich auch das Platzproblem im Flatdeck.
PRRS in der Mast
Der zweite Betrieb hatte mit PRRS in der Mast zu kämpfen. Der 1 300er-Bestand zeigte wiederkehrenden Husten, der immer wieder antibiotisch behandelt werden musste.
Beim Bestandsdurchgang waren die Tiere zwar recht gut entwickelt. Doch in allen Altersgruppen husteten die Tiere und es traten vermehrt Bindehautentzündungen und Augenausfluss auf. Die Ammoniakwerte waren erhöht.
Die Analyse von Blutproben zeigte eine aktuell zirkulierende PRRS-Infektion in allen Altersgruppen, die das klinische Bild erklärte. Der Test auf weitere Atemwegserreger verlief negativ.
Die Empfehlung für den Landwirt beinhaltete die Einstallung möglichst schon PRRS-geimpfter Ferkel, da die Infektion bereits in der jüngsten Gruppe mit 40 kg Gewicht zirkulierte. Falls eine Impfung beim Sauenhalter nicht umzusetzen ist, sollte diese bei Einstallung in die Mast erfolgen. Dies stellt jedoch nur eine Notlösung dar. Die Impfung sollte möglichst auf der Basis von Blutproben erfolgen, die zu Mastbeginn noch negativ sein sollten.
Aufgrund der erhöhten Schadgaswerte wurde weiterhin eine Lüftungsüberprüfung empfohlen. Um kurzfristig reagieren zu können, soll der Betrieb die Luftrate und bei Bedarf die Abteiltemperatur leicht anheben.
Weitere Untersuchungen zeigten, dass der Sauenbetrieb bis zum Ende der Flatdeckphase PRRS-negativ ist. Er lehnte die PRRS-Impfung der Ferkel im eigenen Betrieb daher ab.
Dem Mäster war klar, dass es ohne PRRS-Impfung der Ferkel nicht geht. Deshalb trennte er sich von seinem Ferkelerzeuger und nutzte die Leerstehphase für Umbaumaßnahmen und die gründliche Generalreinigung. Danach wurde ein neuer Ferkelerzeuger gefunden. Seither hat sich die Gesundheit im Mastbetrieb stabilisiert.
Dennoch gilt: Der Wechsel des Ferkelbezuges ist keine generelle Beratungsempfehlung des SGD. Vielmehr ist dieser Schritt nur in Einzelfällen als letzte Möglichkeit ratsam.
Mastbetrieb mit Dysenterie
Im dritten Fall geht es um einen Mastbetrieb mit 1 000 Tieren. Obwohl alle Ferkel aus einer festen Herkunft stammen, traten wiederkehrend Atemwegsprobleme auf. Durch Umstellungen an der Lüftung und die PRRS-Impfung der Ferkel besserte sich die Lage.
Jedoch kam es zusätzlich zu einem Dysenterie-Einbruch. Landwirt und Hoftierarzt berichteten von blutigen Durchfällen und Verlusten in mehreren Abteilen. In Kotproben wurde der Dysenterie-Erreger nachgewiesen. In den betroffenen Altersgruppen bzw. Abteilen waren mehrfach umfangreiche Antibiosen unverzichtbar.
Beim gemeinsamen Stallbesuch mit dem SGD waren keine Durchfälle mehr zu sehen. Durch die antibiotische Behandlung der betroffenen Gruppen über drei Wochen konnte der Mäster die Dysenterie erfolgreich bekämpfen. Um Verluste zu vermeiden und die Durchfälle schnell zu beenden, ist bei Dysenterie eine ausreichend lange und richtig dosierte antibiotische Behandlung unabdingbar.
Bei der Dysenterie ist die Gefahr erneuter Infektionen mit Aufflackern des Krankheitsgeschehens sehr hoch. Gemeinsam wurde daher ein Plan zur Optimierung der Hygiene erarbeitet. Hierzu gehören insbesondere die intensive Stalldesinfektion und die Schadnagerbekämpfung. Hierzu wurden mögliche Schwachstellen und Optimierungsmaßnahmen intensiv besprochen.
Zudem benutzt der Mäster jetzt für jedes Abteil getrennte Stiefel und vor dem Betreten der Buchten wechselt er den Overall. Nach jedem Durchgang erfolgte eine Desinfektion der Restgülle gegen den Dysenterie-Erreger mit Cyanamid, die noch für einige Monate fortgeführt wurde.
Inzwischen treten keine Anzeichen für Dysenterie mehr auf, sodass eine medikamentöse Behandlung nicht notwendig ist. Der Schlüssel zum Erfolg waren neben der Hygiene insbesondere die konsequente antibiotische Bekämpfung des Erregers. Wichtig ist bei der Dysenterie, dass die Antibiose auch nach dem Abklingen der akuten Krankheitssymptome strikt fortgeführt wird.
Fazit
Ein hoher Antibiotika-Einsatz ist bei Ferkeln oft auf Streptokokken, Glässer und E. coli zurückzuführen. In der Mast geht es häufig um PRRS, APP und Dysenterie. Im Rahmen der Antibiotika-Überwachung müssen Betriebe mit hohem Medikamenteneinsatz Gegenmaßnahmen ergreifen.
Hier bietet der Schweinegesundheitsdienst NRW Hilfe an. Neben der Ursachenklärung und Maßnahmenplänen geht es um die Mittlerrolle zur Behörde.
Wichtig ist, dass Landwirt, Hoftierarzt und SGD klare Kriterien festlegen, wie sie den Behandlungserfolg überprüfen. Bei hartnäckigen Erkrankungen können bis zur nachhaltigen Besserung einige Monate vergehen.