Die Schweinehalter aus Nord- und Südamerika geben beim Fleischexport weiter Gas. Wie entwickeln sich die Strukturen auf dem Kontinent?
Maria Meinert, SUS
Vier der weltweit fünf exportstärksten Länder für Schweinefleisch kommen mittlerweile vom amerikanischen Kontinent: Zwar verteidigt die Europäische Union mit 4,75 Mio. t nach wie vor Platz eins der Exporthitliste. Dann aber folgen mit den USA, Kanada, Brasilien und Mexiko gleich vier amerikanische Staaten (Übersicht 1). Es lohnt sich daher, einen stärkeren Blick auf die Strukturen einzelner amerikanischer Länder zu werfen (Übers. 2, Seite 50).
XXL-Farmen in den USA
Die USA sind einer der größten landwirtschaftlichen Produzenten und Exporteure der Welt. Sie sind aktuell der drittgrößte Erzeuger von Schweinefleisch. Im Jahr 2021 betrug die Produktion 12,59 Mio. t. So viel können die US-Bürger nicht vertilgen; für das laufende Jahr wird mit Ausfuhren von 2,99 Mio. t gerechnet. Seit 1989 sind die Exporte wertmäßig um 1550% und mengenmäßig um fast 1300% gestiegen.
Im gleichen Jahr schlossen die USA ein Freihandelsabkommen mit Kanada und begannen zu prüfen, wie sie weitere Märkte für landwirtschaftliche Erzeugnisse erschließen können. Die derzeit wichtigsten Exportmärkte sind Mexiko (etwa ein Drittel der Ausfuhren), Japan, China/Hongkong und Kanada. Momentan bekommt die Wachstumskurve jedoch einen Knick.
Laut dem US-Landwirtschaftsministerium wurden in den USA von Januar bis April 2022 2,56 Mio. Schweine weniger geschlachtet als im ersten Jahresdrittel 2021 – ein Rückgang von 5,8%. Die Produktionskosten liegen im Fünf-Jahresvergleich rund 0,5 €/kg niedriger als in der EU. Ausschlaggebend sind die günstigen Mais- und Sojapreise sowie geringe Stallplatz- und Umweltkosten. In jüngster Zeit verursachen die stark gestiegenen Futterkosten allerdings Probleme und viele Betriebe schreiben rote Zahlen. Analysten gehen jedoch davon aus, dass sich die Produktion in der zweiten Jahreshälfte wieder dem Vorjahresniveau annähern wird. Für das gesamte Jahr wird deshalb gegenüber 2021 nur ein Rückgang von 2,3% erwartet.
Nach Angaben des US-Landwirtschaftsministeriums hat die Schweinebranche in den letzten Jahren immer wieder erhebliche strukturelle Veränderungen erfahren. Seit 1990 ist die Zahl der Betriebe um mehr als 70% zurückgegangen, während die Schweinehaltung ausgedehnt wurde. Mehr als 60000 Produzenten zählt das Land derzeit.
Die durchschnittliche Betriebsgröße ist deutlich größer als in Deutschland. Nur 40 Konzerne halten rund zwei Drittel der Schweinebestände. Unter dem Druck der wirtschaftlichen Verhältnisse hält der Konzentrationsprozess weiter an. Das Integrationsmodell ist zudem weit verbreitet: Etwa 60% der Produktion sind vertraglich gebunden.
Kanada auf Platz drei
Auch Kanada ist ein Big Player in der Produktion und dem Export von Schweinefleisch. Im flächenmäßig zweitgrößten Land der Erde nach Russland stehen 14 Mio. Schweine. 2021 waren es etwa 7423 Farmen und 2022 werden voraussichtlich 2,07 Mio. t Fleisch produziert.
Das nordamerikanische Land ist weltweit der drittgrößte Exporteur von Schweinefleisch (u.a. in die USA, nach China, Japan, Mexiko) und lebenden Schweinen (in die USA). Kanadas Vorteil gegenüber anderen Exportländern: Das Zertifizierungsprogramm für Ractopamin-freies Schweinefleisch bietet den internationalen Märkten die Sicherheit, dass alle kommerziellen Schweine nie mit dem Futtermittelzusatzstoff in Berührung gekommen sind, der in vielen Ländern verboten ist.
Durch den steigenden China-Absatz haben die Farmer ihre Bestände in der Vergangenheit kurzfristig zwar aufgestockt, aber der Boom ebbt bereits wieder ab. Druck kommt auch von der inflationsbedingt nachgebenden Inlandsnachfrage. Laut einem Bericht von Farm Credit Canada habe das geringere Einkommen und die höheren Fleischpreise, die viele während der Covid-19-Pandemie erlebt haben, zu einem Rückgang des Fleischkonsums geführt.
Brasilien will aufs Treppchen
Als weltweit viertgrößter Erzeuger und Exporteur von Schweinefleisch verfügt Brasilien über alle Voraussetzungen, um auf das Treppchen zu klettern. Ab 2018 stiegen als Folge der explodierenden China-Importe die Erzeugung und die Ausfuhren stark an. Allein von 2020 bis 2021 wuchs die Produktion um 18%. Gleichzeitig erhöhte das Land die Exporte um 50% (auf 1,13 Mio. t im Jahr 2021). In diesem Jahr sollen 4,41 Mio. t Schweinefleisch erzeugt werden.
In jüngster Zeit hat das China-Geschäft nachgelassen. Dennoch ist es der Branche gelungen, einen Ausgleich mit höheren Lieferungen auf die Philippinen und in andere asiatische Länder zu schaffen. Seit März exportiert Brasilien zudem nach langen Verhandlungen nach Kanada. Das soll den starken finanziellen Druck auf die Schweinebranche verringern, denn diese sieht sich derzeit mit historisch hohen Produktionskosten konfrontiert.
Brasilien verfügt über zahlreiche Vorteile: technisches und produktionstechnisches Know-how, günstiges Klima, große Getreidemengen, einen privilegierten Gesundheitsstatus und im Vergleich zu vielen anderen Ländern einen organisierten Produktionssektor. Zudem ist das Land weltweit der größte Produzent für Soja und der drittgrößte für Mais. Andererseits hat Brasilien mit Hindernissen zu kämpfen, z.B. mit teurer und ineffizienter Logistik und hoher Bürokratie. Sorgen bereiten auch wirtschaftliche und politische Instabilitäten.
In der Schweineproduktion ist das Integrationsmodell weit verbreitet. Daneben gibt es das Genossenschaftsmodell. Beide Modelle machen mehr als zwei Drittel der Branche aus. Die Anzahl der unabhängigen Schweinehalter scheint aufgrund vieler Faktoren wie Größe, Marktschwankungen und Kommerzialisierung zu schrumpfen. Eine Ausnahme bilden Erzeuger mit regionalen Marken oder Premiumprodukten.
Nachfrage in Mexiko steigt
Gestützt durch eine stetige Nachfrage erreicht die Produktion in Mexiko in diesem Jahr voraussichtlich einen Rekordwert von fast 1,54 Mio. t. Die größten mexikanischen Schweinefleischverarbeiter bauen daher ihre Kapazitäten aus. Da das Land von Futtermittelimporten abhängig ist, bleiben der Wechselkurs und die Volatilität der Getreidepreise erhebliche Risiken.
Nach einem Bericht des US-Landwirtschaftsministeriums aus 2021 ist die Veredelung zwar mit ökologischen, politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen konfrontiert. Der Schweinesektor bleibe aber widerstandsfähig und die Erzeuger setzen ihren langfristigen Trend zur vertikalen Integration und Produktionsausweitung fort. Die zehn größten Produzenten sind vertikal integriert und halten einen Marktanteil von 40%.
Die Exporte liegen 2022 voraussichtlich bei 320000 t. Besonders lukrativ ist die Ausfuhr in die USA, dort werden vorwiegend Lendenstücke vermarktet. Dank des zollfreien Zugangs stiegen die Exporte in die USA von 2017 bis 2020 mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 23%. Spezielle Teilstücke liefern die Mexikaner zudem nach Japan und Korea. Die Importe erreichen 2022 voraussichtlich 1,2 Mio. t. Hauptlieferant ist die USA.
Chile auf Platz sieben
Chile verfügt über einen gut strukturierten Veredelungssektor: Unter den weltweit führenden Schweinefleischexporteuren steht das Land an siebter Stelle. 2021 wurden insgesamt 589581 t Schweinefleisch produziert und 274732 t exportiert. Von den etwa 9000 Schweinezuchtbetrieben arbeitet ein Großteil in vertikalen Integrationsmodellen.
Die Exporte deckten vor allem die starke Nachfrage aus Asien ab. 67% der Exporte gingen nach China, 14% nach Japan und 13% nach Korea. Dieses Szenario könnte sich künftig ändern. Chile hat Exportmöglichkeiten in 64 Länder und möchte weitere Märkte in Asien erschließen, z.B. in Vietnam, Thailand und Indonesien. Um dies zu erreichen, bemüht sich der Sektor um die Aufrechterhaltung des Hygienestatus. Darüber hinaus arbeiten sie daran, den Einsatz von Antibiotika zu reduzieren und den Tierschutz zu verbessern.
Der Pro-Kopf-Verbrauch stieg 2021 auf 18,7 kg. Das Land importierte daher 145830 t Schweinefleisch (39% mehr als 2020 und die höchste Menge seit 2011). Hauptlieferanten waren die USA, Brasilien, die EU und Kanada.
Argentinischer Strategieplan
In den letzten 20 Jahren ist der Schweinefleischkonsum in Argentinien gestiegen: 2021 war es mit 15,9 kg knapp die dreifache Menge im Vergleich zu 2002. Seinen höheren Verbrauch deckt das Land durch eine steigende Produktion, aber auch durch Importe (2021: 41744 t).
Argentinien verfügt über Flächen, Getreide und Know-how. Zwischen 2002 und 2021 verzeichnete die Schweinefleischindustrie eine Wachstumsrate von über 8% pro Jahr, was den Sektor seit 2011 zum dynamischsten der argentinischen Wirtschaft macht. Seit 2015 steigen die Exportzahlen kontinuierlich (2020: 41345 t, ca. 397% mehr als 2015). Das Jahr 2021 brachte jedoch mit 30121 t einen Rückschlag: 27% weniger als 2020. Marktexperten wiesen auf China als Hauptursache für den Rückgang hin.
In Argentinien gibt es einen Strategieplan von 2020 bis 2030, der das Land zu einem der wichtigsten Lieferanten weltweit machen soll. So sollen z.B. jährlich die produzierte Menge um 11% (2,1 Mio. t) und die Ausfuhren um 31% steigen (800000 t). Interessant ist auch, dass China ein strategischer Partner ist: als Käufer und als Investor. Ein 3,8 Mrd. $ schweres Projekt soll die argentinische Produktion bis 2024 verdoppeln. Die Pläne lösten nicht nur Begeisterung aus.
Kleinstbetriebe in Costa Rica
In Costa Rica gibt es rund 14600 Schweinefarmen mit 400000 Tieren. Etwa 82% sind Kleinstbetriebe mit weniger als zehn Tieren. 80% der Produktion stammen von größeren Betrieben. Diese Betriebe investieren in die Technisierung und bessere Genetik, um mehr und hochwertigeres Fleisch zu produzieren. So steigerte das Land seine Produktion zwischen 2010 und 2020 um 68%, auf 74000 t. Für 2022 wird ein Verbrauch von knapp 17 kg pro Person/Jahr prognostiziert (2014: 11,6 kg).
Die Produktion hat zwar seit 2000 Fortschritte gemacht, aufgrund hoher Produktionskosten fürchten Landwirte jedoch die ausländische Konkurrenz. Freihandelsabkommen mit mehr als 50 Ländern haben den Wettbewerb verschärft. Die Farmer müssen u.a. mit Kanada, den USA und Chile konkurrieren. Die Importe stiegen zwischen 2010 und 2020 sprunghaft um 75% auf 9024 t.
Das veranlasste viele Schweinehalter dazu, Maßnahmen gegen Importe zu fordern. Auf der anderen Seite sehen viele die Abkommen als Chance, nach Hongkong, Südkorea, Japan und China zu exportieren. 2020 verschiffte Costa Rica etwa 2523 t (2019: 803 t) nach Vietnam, Honduras, Guatemala, USA und Panama.
Peru: industrie im Aufbau
In den letzten Jahren sind die Produktion und der Verbrauch parallel zur wirtschaftlichen Entwicklung des Landes langsam gestiegen. Seit 2014 kletterte die Produktion um ca. 25% auf 226500 t im Jahr 2020. Der Verbrauch erreichte 2021 9,4 kg (2011: 4 kg). Vor Ort gibt es etwa 600000 Schweinefleischerzeuger: 76% produzieren für ihren eigenen Lebensunterhalt (20% der Jahresproduktion), halbintensive Betriebe liefern 5% der Jahresproduktion und Großbetriebe 75%.
2012 beteiligte sich Peru am Plan zur Ausrottung und Bekämpfung der klassischen Schweinepest auf dem amerikanischen Kontinent. Damit könnte das Land eine wichtige Hürde für den Eintritt in den globalen Schweinemarkt nehmen.
Kolumbien im Aufwind
Die Schweineproduktion und der -konsum befindet sich im Aufwind. 2021 lag der Verbrauch bei etwa 12 kg – 2010 war es weniger als die Hälfte. Zwar steigerte das Land seine Produktion zwischen 2010 und 2020 um 140%. Dennoch sind die Kolumbianer auf Importe angewiesen, um den Inlandsverbrauch zu decken.
Auf sechs kolumbianische Regionen entfallen 95% der Produktion. Das heißt jedoch nicht, dass diese reibungslos verläuft. Im Jahr 2021 beeinträchtigten politische Unruhen die Produktionskette im ganzen Land. Zudem sind die Erzeugungskosten weltweit in die Höhe geschnellt, so auch in Kolumbien.
Seit 2016 arbeitet Dänemark mit Kolumbien zusammen und hat im Rahmen eines Kooperationsprojektes, das auf dem Transfer von Innovationen und Wissen in den kolumbianischen Schweinesektor basiert, über 12,16 Mrd. € investiert. Die Hoffnung: Die Produktionsqualität weiter zu verbessern und internationale Standards zu erfüllen.
Übersetzt aus pig progress