Die Afrikanische Schweinepest (ASP) schwebt wie ein Damoklesschwert über uns. Wie gut ist unsere Prävention? Was passiert im Seuchenfall?
Michael Werning, SUS
Für viele Experten stellt sich nicht mehr die Frage ob, sondern wann die Afrikanische Schweinepest (ASP) Deutschland erreicht und wie die exportabhängige Branche diese Herausforderung meistern soll. Denn der Ausbruch in Belgien im vergangenen Jahr hat zwei Dinge deutlich gemacht:
- Das Virus kann sich durch den Faktor Mensch sprunghaft über Hunderte Kilometer ausbreiten.5
- Bereits der erste ASP-Fall bei Wildschweinen führt dazu, dass der Schweinemarkt im betroffenen Land durch Handelsrestriktionen zusammenbricht.6
Allein den Wertschöpfungsverlust durch den Wegfall der Drittlandsmärkte beziffern Marktanalysten auf 27 € pro Schwein. Und in den Handelsvereinbarungen mit diesen Ländern ist festgeschrieben, dass wir für den Export eine zwölfmonatige ASP-Freiheit nachweisen müssen. Ab dem Tag X muss daher ein schnelles, hocheffizientes Eingreifen an erster Stelle stehen.
Biosicherheit noch ausbaubar
Politik und Branchenvertreter sind aktuell bemüht, die für den internationalen Handel geltenden Veterinärzertifikate so zu erweitern, dass im Seuchenfall zwischen Wildschweine- oder Hausschweinebestand differenziert wird und ein Regionalisierungsprinzip gilt. Bricht die Seuche wie erwartet zuerst in der Wildschweinepopulation aus, könnte sich der Schaden für die Wirtschaft zumindest abpuffern lassen.
Um sich die Hoffnung auf mildere Ausfuhrrestriktionen zu erhalten, sind alle Produktionsstufen gefragt. Denn den Handelspartnern muss glaubhaft kommuniziert werden, dass die Nutztierbestände durch ein hohes Maß an Biosicherheit vor einer ASP-Einschleppung geschützt sind.
Doch genau hier lässt eine SUS-Umfrage noch Verbesserungsbedarf erkennen (siehe Übersicht 1). So gaben rund die Hälfte der 250 Befragten an, dass die Schweinehalter grundsätzlich eine gute Seuchenvorbeuge betreiben würden, es aber einzelne Hygiene-Lücken gibt. 17% der Befragten erklärten sogar, dass die Biosicherheit noch deutlich verbessert werden muss.
Als erste Richtschnur für die eigene Biosicherheit bzw. Betriebshygiene dienen die Auflagen in der Schweinehaltungshygiene-VO (SchHaltHygV). Darüber hinaus haben verschiedene Institutionen und Verbände Checklisten, Merkblätter und Hinweisschilder zur ASP-Prävention erarbeitet. Diese stehen meist kostenlos zur Verfügung.
Übertragungsrisiken kennen
Neben baulichen Vorkehrungen und der Anpassung von Betriebsabläufen wird auf Infoveranstaltungen immer wieder gefordert, dass sich die Schweinehalter mehr Fachkenntnisse zu den Einschleppungs- und Übertragungswegen der Seuche aneigenen. Das gilt im Besonderen für Landwirte und deren Mitarbeiter, die zur Jagd gehen.
Denn angenommen, dass ein erlegtes oder verendetes Wildschwein ASP-infiziert ist, geht von dessen getrockneten Blut über 20 Tage eine Infektionsgefahr aus. Kontaminierte Kleidung und Schuhe stellen bis zu zehn Tage nach dem Kontakt ein Risiko dar. Ebenso wie der Jagdhund, der wie die Jagdausrüstung nichts im Stall zu suchen hat.
Eine nicht minder gefährliche Eintragungsquelle ist belastetes Schweinefleisch. In gekühlten Produkten soll sich das Virus bis zu 15 Wochen infektiös halten. In Tiefkühlware sogar vier Jahre.
Dass die ASP auch in den Hausschweinebeständen Osteuropas grassiert, stellt eine besondere Bedrohung dar. Denn hier werden noch viele Schweine in Hinterhofhaltungen erzeugt. Wenn infizierte Tiere an der ASP verenden, wird der restliche Bestand geschlachtet, um keinen wirtschaftlichen Totalschaden zu erleiden. Auf diesem Weg findet das Virus seinen Weg in die Lebensmittelkette und der Infektionsradius potenziert sich.
Für die hiesigen Schweinehalter bedeutet das, insbesondere bei den Arbeitskräften aus den ASP-betroffenen Ländern wie Polen, Bulgarien oder Rumänien, Aufklärungsarbeit zu leisten. Dafür können die bereits genannten Merkblätter zur ASP-Prävention herangezogen werden. Sie sind in verschiedene Sprachen übersetzt worden.
Versicherer machen dicht
Auch wenn sich das Seuchengeschehen nur auf den Wildschweinebestand eingrenzen lassen würde, wäre der deutsche Schweinemarkt zumindest temporär schweren Verwerfungen ausgesetzt. Das zeigt das Beispiel Belgien, wo die Betriebe nach Angaben des flämischen Schweinezuchtverbandes seit dem Ausbruch einen wöchentlichen Schaden von rund 1,5 Mio. € erleiden.
Angesichts dessen haben in letzter Zeit etliche Schweinebetriebe eine Ertragsschadenversicherung abgeschlossen. Die starke Nachfrage und das angehäufte Versicherungsvolumen hat allerdings mehrere Versicherungen dazu veranlasst, keine Betriebe mehr aufzunehmen. Und die Versicherer, die noch Verträge abschließen, haben die Wartezeit zwischen Vertragsabschluss und Beginn des Schutzzeitraumes von einem auf drei Monate verlängert und bieten nur noch Jahresverträge an.
Riesiges Probenaufkommen
Eine Ertragsschadenversicherung ist eine Ergänzung der staatlichen Tierseuchenkasse. Sie deckt Ertragseinbußen und Zusatzkosten ab, die entstehen, wenn nicht der Betrieb selbst betroffen ist, er jedoch im Restriktionsgebiet liegt. Denn in diesem Fall greifen amtliche Anordnungen, darunter der Zwang zu Handelsuntersuchungen.
In NRW beispielsweise würde man bei einem Seuchenfall beim Wildschwein rund um den Fundort einen Radius von mindestens 8 km ziehen und diesen als gefährdetes Gebiet ausflaggen. Bei einem Transport der Tiere innerhalb der Zone sind keine Handelsuntersuchungen notwendig. Sollen die Schweine außerhalb des gefährdeten Gebietes verbracht werden, stehen vorher klinische Untersuchungen an.
Während man sich bei Schlachttieren darauf beschränkt, zehn Tage vor der Vermarktung nach einem Probenschlüssel Stichproben zu nehmen, soll bei Ferkellieferungen jedes Tier geblutet werden. Gemäß dem Fall, der Sauenhalter hat seine Aufzucht unter eigener VVO-Nummer ausgelagert, verdoppelt sich der Probenaufwand. Dann wird bereits der Transport zwischen Sauen- und Aufzuchtstall als Verbringung in einen Fremdbetrieb gewertet.
Wo stehen die Behörden?
Erst wenn die Ergebnisse der klinischen Untersuchung und der Blutproben vorliegen, dürfen die Tiere verbracht werden. Aussicht auf eine Reduzierung des Untersuchungsaufwandes besteht erst vier Monate nach Erstausbruch. Dann können die Betriebe über eine Kombination aus stichprobenartigen Blutproben und klinischen Untersuchungen einen Status mit abgemilderten Liefervorgaben erreichen.
Abgesehen davon, dass mit geschätzten 10 € pro Blutprobe immense Kosten anfallen, stellt sich die Frage, ob Tierärzte und Veterinärbehörden dieser Situation gewachsen wären. Denn einerseits müssten im Seuchenfall in schweinedichten Kreisen täglich Dutzende von Transporten das beschriebene Prozedere durchlaufen. Zum anderen gilt es in Absprache mit den Jägern Maßnahmen zu ergreifen, die eine weitere Ausbreitung der ASP im Wildschweinebestand verhindern.
In der SUS-Umfrage gehen 52,8 % der Befragten davon aus, dass die Behörden mit einem Ausbruch zunächst überfordert wären. 31,7% sehen nicht so große Defizite, aber durchaus Nachholbedarf. Lediglich 13,4 % halten die Behörden für gerüstet (s. Übersicht 2).
Umso wichtiger sind ASP-Simulationsübungen, bei denen Handlungsschritte erprobt und Optimierungspotenziale aufgedeckt werden können. In NRW wurde zudem die Wildtierseuchen-Vorsorgegesellschaft (WSVG) gegründet. Sie würde im Ernstfall helfen, die Kernzone abzusperren, Betretungsverbote durchzusetzen und die Suche bzw. Entsorgung gefundener Kadaver zu koordinieren. Darüber hinaus hält die WSVG Material wie Zäune, Fahrzeuge, Reinigungs- und Desinfektionsmaterial usw. bereit. Finanziell mitgetragen wird die Gesellschaft vom Landwirtschaftsministerium NRW.
Notfallplan für Schlachthöfe
Ähnlich wie Schweinehalter und Behörden versucht sich auch der vor- und nachgelagerte Bereich auf einen Seuchenausbruch vorzubereiten. Aufbauend auf der Schweinepest-Verordnung und der Arbeit von Expertengruppen wurden ASP-Krisenhandbücher für die Schlachthöfe, Vieh- und Warentransporteure, Viehsammelstellen und Bereater entwickelt.
Im Krisenhandbuch für die Schlachter sind verschiedene Ablaufschemata beschrieben, je nachdem, ob die Seuche im Wild- oder Hausschweinebestand ausgebrochen ist und der Schlachthof sogar selbst in einem Restriktionsgebiet liegt. Diese beziehen sich unter anderem auf die Anlieferung von Schlachttieren aus dem gefährdeten Bereich, Verhaltensanweisungen für das Personal und die Rückverfolgbarkeit des Fleisches bzw. der Nebenprodukte.
Letzteres kann der Schlachthof nur garantieren, wenn die Erzeuger im Seuchenfall gewissenhaft handeln. Dazu zählen vornehmlich die Handelsuntersuchungen sowie die korrekte Dokumentation der Lieferung. Erfüllt der Landwirt diese Vorgaben nicht, werden seine Tiere am Schlachthof abgewiesen.
Jäger gefordert
Generell trägt auch eine Reduzierung des Schwarzwildbestandes zur Risikosenkung bei. Diese Aufgabe haben die Jäger im vergangenen Jagdjahr sehr ernst genommen. Mit einer Strecke von über 836000 Wildschweinen wurden so viele Tiere erlegt, wie niemals zuvor. Geht es nach den Teilnehmern der Umfrage, sollte die Abschussrate weiter steigen. Zu diesem Zweck befürwortet eine Vielzahl der Befragten Hilfsmittel, wie Lebendfallen und Nachtsichtgeräte (s. Übersicht 3). Auch die bessere Absicherung von Rastplätzen und anderen öffentlichen Orten gegen Wildschweine sowie die Aufstellung weiterer Warnschilder ist den Befragten wichtig.
Den Jägern kommt zudem die wichtige Aufgabe zu, durch aufmerksame Reviergänge verendete Wildschweine ausfindig zu machen und dem Veterinäramt zu melden. Denn die Früherkennung spielt bei der Bekämpfung der Seuche eine große Rolle.
Vereinfacht wird die Meldung durch die Tierfund-App des Deutschen Jagdverbandes, die auch Landwirte nutzen können. Die Beprobung und der Abtransport des verdächtigen Kadavers sollte in Abstimmung mit der Behörde erfolgen.
Fazit
Die Gefahr eines ASP-Ausbruches ist nach wie vor groß. Dabei spielen auf Erzeugerstufe die Biosicherheit, aber auch die Aufklärung von osteuropäischen Personal eine Rolle. Eine Ertragsschadenversicherung kann den wirtschaftlichen Verlust abpuffern.
Behörden und Schlachter bereiten sich durch Übungen und Notfallpläne auf den Ernstfall vor.
Die Jäger tragen durch die intensive Bejagung des Schwarzwildes sowie einer möglichst frühen Erkennung eines Ausbruches viel Verantwortung.