Warum derzeit etliche Anträge auf Überbrückungshilfen auf Eis liegen und wie Schweinehalter reagieren können, erklärt Martina Engling, Rechtsanwälte Geiersberger, Glas & Partner.
Heinrich Niggemeyer, SUS
Wie viele Anträge auf Coronahilfen sind von Schweinehaltern gestellt worden?
Für die einzelnen Programme sind in unterschiedlichem Umfang Anträge gestellt worden. Seit der Corona-Überbrückungshilfe III ist die Anzahl der Anträge von Schweinebetrieben angestiegen, da der Katalog erstattungsfähiger Fixkosten erweitert und auch Futter und Tierarztkosten förderfähig sind. Insgesamt wurden bundesweit 3566 Anträge von Schweinehaltern gestellt (Stand November 2021). Nicht auf allen Schweinebetrieben sind die Corona-Überbrückungshilfen angekommen.
Sind Ihnen Ablehnungs- oder gar Rückforderungsbescheide bekannt?
Wir betreuen momentan mehrere Betriebe im Widerspruchsverfahren gegen die Ablehnung ihrer Anträge auf Überbrückungshilfe III. Mandate mit Rückforderungsbescheiden von bereits ausgezahlter Überbrückungshilfe liegen uns bisher nicht vor.
Wie wurde die Ablehnung begründet?
Die zuständigen Stellen führen aus, dass der angeführte Umsatzeinbruch nicht coronabedingt erfolgt sei. Vielmehr seien diese Unternehmen mit anderen nachteiligen Umständen wie dem chinesischen Importstopp für deutsches Schweinefleisch und weiteren ASP-Folgen belastet. Eine Fixkostenerstattung im Rahmen der Corona-Überbrückungshilfen könne aber nur bei coronabedingten Umsatzeinbußen verlangt werden.
Wie werden corona- und ASP-bedingte Umsatzrückgänge abgegrenzt?
Hier ist es erforderlich, zwischen unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen des ASP-Ausbruchs in Deutschland zu unterscheiden. Ist ein Betrieb von ASP-Maßnahmen unmittelbar betroffen, dürften Umsatzeinbrüche zu einem Großteil dem ASP-Ausbruch bzw. den daraus resultierenden Folgen zuzurechnen sein. Liegt dagegen keine unmittelbare Betroffenheit des Betriebes vor, sind mittelbare Folgen des ASP-Ausbruchs für deutsche Schweinebetriebe durch den Importstopp deutschen Schweinefleischs in asiatische Länder grundsätzlich denkbar.
Helfen Vergleiche mit Ländern, die nicht von ASP betroffenen sind?
Für den Betrieb wird der vollständige Umsatzrückgang im Vergleich zum Referenzmonat des Jahres 2019 ermittelt. Für eine individuelle Einschätzung der Höhe des Anteils der Umsatzeinbuße, die ASP-bedingt entstanden ist, könnte ein Vergleich zu anderen nicht von ASP betroffenen europäischen Ländern angestellt werden.
Liegen Gutachten vor, die als Argumentationshilfe dienen können?
Unter anderem hat der Westfälisch-Lippische Landwirtschaftsverband (WLV) gezeigt, dass eine Darstellung der Abgrenzung des coronabedingten und des ASP-bedingten Umsatzrückganges möglich ist. Mit Unterstützung der Landwirtschaftskammer NRW wurde dargelegt, dass die Umsatzrückgänge für landwirtschaftliche Betriebe überwiegend coronabedingt und der Anteil der Schweinepest minimal und zu vernachlässigen sind.
Warum gibt es keine bundeseinheitliche Regelung?
Die Corona-Beihilfen sind zwar Bundesförderprogramme, die Gewährung von Überbrückungshilfen erfolgt jedoch durch die zuständigen Stellen der Bundesländer. Für die Schweinehalter wäre es wünschenswert, dass eine bundeseinheitliche Regelung zur Abgrenzung eines coronabedingten von einem ASP-bedingten Umsatzrückgang gefunden wird. Denn es ist damit zu rechnen, dass sowohl ASP als auch Corona weiter Einfluss auf die Wirtschaft nehmen.
Im März scheinen sich Bund und Länder in dieser Angelegenheit verständigt zu haben. Zwei Kategorien sind vorgesehen. In die erste Gruppe fallen alle Anträge mit vollständig coranabedingten Umsatzrückgängen. Jene Fälle, bei denen die Umsatzverluste lediglich weit überwiegend coronabedingt sind, werden dagegen über die Härtefallhilfe abgewickelt. In fast allen Bundesländern ist diese Hilfe auf 100000 € je Unternehmen begrenzt. Die genaue Umsetzung bleibt abzuwarten.
Besteht ein Rechtsanspruch auf zügige Bearbeitung bzw. Bewilligung?
Die Bearbeitung und Bewilligung der online gestellten Anträge soll zeitnah durch die Bewilligungsstellen der Länder erfolgen. Eine genaue zeitliche Angabe, in welchem Zeitraum gestellte Anträge zu bescheiden sind, gibt es nicht.
Auch hat der Antragsteller keinen Rechtsanspruch auf Gewährung der Billigkeitsleistung. Vielmehr entscheidet die Bewilligungsstelle über den Antrag auf Grundlage ihres pflichtgemäßen Ermessens im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel. Bei der Beurteilung der Anträge gibt es einen gewissen Ermessensspielraum.
Was raten Sie Betrieben, die einen Ablehnungsbescheid erhalten?
Schweinehalter, die einen Ablehnungsbescheid mit der Begründung erhalten, der coronabedingte Umsatzrückgang sei nicht dargelegt, sollten diesen einer rechtlichen Bewertung unterziehen lassen. Betroffene haben die Möglichkeit, im sogenannten Widerspruchsverfahren gegen den Ablehnungsbescheid vorzugehen. Für einen fristgerechten Widerspruch ist die Monatsfrist zu beachten.
Wie sind die Erfolgsaussichten?
Dies bedarf einer Einzelfallprüfung. Zudem wird die Ausgestaltung der angeführten Einigung mit dem Wirtschaftsministerium rechtlich zu bewerten sein.