Der BMEL-Entwurf zur Nutztierhaltungs-VO ist ein Paukenschlag. Wird daraus ein Gesetz, könnten viele Ferkelerzeuger aufgeben.
Michael Werning, SUS
Vor gut sechs Jahren hat das sogenannte „Magdeburger Urteil“ die Debatte um die Kastenstandhaltung von Sauen in Gang gebracht. Ende Mai dieses Jahres hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) dazu einen Referentenentwurf für die Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV) vorgelegt.
Im Kern geht es in dem Entwurf um breitere bzw. längere Kastenstände im Deckbereich, Bewegungsbuchten im Abferkelstall, eine Reduzierung der Fixierungsdauer, Übergangsfristen und die Umstellungskosten.
Verbände und Interessensvertretungen aus der Branche begrüßen die Gesetzesinitiative, da die Schweinehalter Planungssicherheit brauchen. Doch an mehreren Stellen hakt es. Teils ist die Umsetzung nicht möglich oder es gibt tierschutzrechtliche Bedenken.
Standbreite in drei Stufen
Im Berliner Vorschlag nimmt die Vergrößerung der Kastenstände eine zentrale Rolle ein. In einem dreistufigen System sind in Abhängigkeit von der Schulterhöhe der Sau Innenmaße für die Breite und Länge eines Kastenstandes definiert worden. So sollen für Jungsauen mindestens 65 cm, für Sauen mit bis zu 90 cm Schulterhöhe 75 cm und für Tiere mit mehr als 90 cm Schulterhöhe 85 cm breite Kastenstände vorgehalten werden.
Grundsätzlich wird das mehrstufige System von Experten und Verbänden unterstützt. Sie geben aber zu Bedenken, dass für die Aufstallung nach Größenklasse von den Sauenhaltern Reserveplätze vorgehalten werden müssen. Denn eine Absetzgruppe setzt sich nicht aus einer fixen Anzahl kleiner, mittlerer und großer Sauen zusammen.
Die Breitenmaße werden als leicht überdimensionert bezeichnet. Denn speziell bei der Fixierung von Jungsauen oder stark abgesäugten Altsauen sind zu breite Kastenstände mit Risiken behaftet. Diese Tiere neigen insbesondere während der Rausche dazu, sich im Stand umzudrehen, was in schweren Verletzungen oder gar im Erstickungstod enden kann.
Der Deutsche Bauernverband (DBV) plädiert dafür, sich an den Ausführungshinweisen der aktuellen Fassung der TierSchNutztV zu orientieren. Hier werden 65 cm für Jungsauen und 70 cm für Altsauen angesetzt. Andere Branchenvertreter könnten sich wiederum in dem dreistufigen System eine Staffelung von 60, 70 und 80 cm vorstellen.
Pauschal 220 cm Länge
Gegenstimmen gibt es auch bei der stufenübergreifenden Festsetzung der Kastenstandlänge auf 220 cm. Experten und Branchenverbände sind sich zwar einig, dass man hier den mittlerweile sehr großrahmigen Sauen gerecht werden muss. Unter anderem der Bundesverband Rind und Schwein (BRS) vertritt aber die Position, dass eine Vorgabe von mindestens 200 cm langen Kastenständen ausreichend ist.
Außerdem fordern die Verbände eine Klarstellung, ob dieses Längenmaß ab Trogkante oder für den gesamten Kastenstand gilt. Bei höher gelegtem Trog kann die Sau die darunter liegende Fläche zum Strecken nutzen, und der Kastenstand kann in der Gesamtheit kürzer ausfallen.
Bei der Umsetzung der Änderungsverordnung in bestehenden Ställen könnte dies ein entscheidendes Detail sein. Denn während die neuen Breitenvorgaben durch eine veringerte Sauenplatzzahl in der Reihe noch aufzufangen wären, drohen durch die deutliche Verlängerung der Kastenstände ganze Deckabteile aus der Nutzung zu fallen. Hier ergibt sich das Problem, dass die neue Aufstallungsform kaum zu den vorhandenen Güllekanälen passt und in eng bemessenen Ställen hinter den Sauen nicht genügend Bewegungsfläche übrig bleibt.
5 m² Bewegungsfläche zu viel
Besonders stark formiert sich der Widerstand der Branchenverbände gegen die Umstellungspläne des BMEL im Abferkelbereich. Für Neubauten wird zwar eine Pflicht zum Einbau von Bewegungsbuchten für sinnvoll erachtet. Die im Entwurf genannten 5 m² uneingeschränkt nutzbare Bodenfläche für die Sau werden aber als praxisfern bewertet. In Konsequenz würde dadurch eine Abferkelbucht eine Gesamtfläche zwischen 8 und 9 m² einnehmen.
Eine solche Bemaßung ist nicht nur aufgrund der immensen Baukosten abzulehnen, sondern auch aus Tierschutzgründen bedenklich. Wissenschaftliche Praxisuntersuchungen, darunter das erst kürzlich abgeschlossene InnoPig-Projekt, haben gezeigt, dass in einer derartigen Buchtenausführung die Saugferkelverluste deutlich zunehmen können.
Der immense Aktionsradius der Sau lässt kaum Fluchträume für die Ferkel und die Erdrückungsgefahr steigt. Zudem haben neugeborene und lebensschwache Ferkel in sehr großen und fast quadratischen Buchten Schwierigkeiten, das Gesäuge bzw. das warme Ferkelnest zu finden. Aus diesem Grund vertritt der BRS den Standpunkt, dass es keine expliziten Vorgaben für die frei verfügbare Bewegungsfläche der Sau geben sollte, sondern eine Mindestgröße für die gesamte Bewegungsbucht von 5,5 m². Diese Größenordnung hat sich in Österreich und verschiedenen Praxisstudien hierzulande bewährt.
Fixierungszeiten zu kurz
Die Verbände plädieren bei der Ausführung der Kasten- und Abferkelstände für gemäßigtere Größenordnungen, weil die Tiere ohnehin nur noch einen Bruchteil des Produktionszykluses fixiert werden sollen. Der Entwurf des BMEL sieht im Wartebereich acht Tage und im Abferkelbereich maximal fünf Tage vor. Die Branchenvertretung trägt eine generelle Verkürzung der Fixierungsintervalle mit. Die vorgeschlagenen Zeitspannen werden aber als zu kurz bewertet.
So heißt es im Entwurf, dass sich die Fixierung im Deckbereich auf den Zeitraum der Rausche beziehen soll. Diese setzt aber innerhalb einer Absetzgruppe nicht synchron ein, und Probleme mit früh- und spätrauschenden Sauen sind vorprogrammiert. Abgesehen davon, dass die Besamung in Gruppenhaltung deutlich aufwendiger und schwieriger ist, können rauschige Sauen durch ihr Verhalten ein Verletzungsrisiko sowohl für die anderen Tiere der Gruppe als auch den Betreuer sein.
Deswegen setzen sich DBV und BRS dafür ein, die Fixierungsspanne im Deckbereich auf zehn Tage auszudehnen. Die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) bringt das niederländische Modell ins Spiel, wo die Sau vom Absetzen bis vier Tage nach dem Belegen im Kastenstand gehalten werden darf.
Auch gegen die vorgeschlagene Fixierung der Sau im Abferkelstall für höchstens fünf Tage sprechen tierschutzrechtliche Belange. Nach Einschätzung von Experten könnte eine derart kurze Verweildauer im Ferkelschutzkorb eine Steigerung der Ferkelverlustrate um bis zu 2% nach sich ziehen.
Stattdessen sollte die Fixierungszeit nach Einschätzung des BRS auf maximal zwei Tage vor und fünf Tage nach der Geburt festgelegt werden. Die ISN würde darüber hinaus zum Schutz der Ferkel eine Sonderregelung für Problemsauen begrüßen.
Unbefristeter Bestandsschutz
Für diesen tiefgreifenden Umbruch der Sauenhaltung soll den Betrieben eine Übergangsfrist bis zu Beginn des 15. Jahres nach Inkraftreten der Änderungsverordung eingeräumt werden. Allerdings verlangt das Ministerium bereits vor Anbruch des zwölften Jahres vom Sauenhalter ein verbindliches Umstellungskonzept inklusive möglicherweise notwendiger Baugenehmigung. Auch wenn im Einzelfall zur Vermeidung unbilliger Härten über die 15 Jahre hinaus eine zweijährige Verlängerung gewährt werden soll, sind die Fristen für die Brancheninstitutionen zu kurz gesetzt.
Die maßgeblichen Änderungen in der Aufstallung werden nur in den seltensten Fällen mit den vorhandenen Gebäudehüllen und -strukturen vereinbar sein. Das heißt, der Sauenhalter wird entweder die bestehende Bausub-stanz umfassend sanieren oder komplett neu bauen müssen. Beides ist Stand heute genehmigungsrechtlich kaum durchsetzbar.
Während ISN und DBV auf eine uneingeschränkte Übergangsfrist von 15 Jahren plus zweijähriger Härtefallklausel plädieren, fordert der BRS eine Übergangsfrist von mindestens 20 Jahren. Und zwar beginnend mit einer rechtskräftigen Anpassung des Baurechts und ausschließlich bezogen auf den Deckbereich.
Bestehende Abferkelställe sollten dem DBV und BRS zufolge einen unbefristeten Bestandsschutz genießen. Beide Verbände stellen klar, dass der Einbau von Bewegungsbuchten in bestehende Ställe auf den allermeisten Betrieben weder baulich noch wirtschaftlich darstellbar ist.
BMEL unterschätzt Kosten
Ohnehin wird die Ökonomie nach Ansicht der Branchenvertretungen im Referentenentwurf unzureichend behandelt. Denn neben tierschutzrechtlichen und baulichen Bedenken stellt sich für die Branche letztlich auch die Frage der Finanzierung. Im Referenten-entwurf werden die Umstellungskosten auf rund 713 Mio. € beziffert. Mit dem Hinweis, dass diese letztlich davon abhängen, wie viele Sauenplätze bis zum Ende der Übergangsfrist umgestellt werden.
DBV und BRS halten diese Kostenabschätzung für viel zu gering. Zumal im Entwurf selbst Umbaukosten von 880 € pro Sau veranschlagt sind, was hochgerechnet einem Sauenbestand von gut 810000 Sauen entspricht. In Deutschland wurden zuletzt mit gut 1,8 Mio. Sauen mehr als doppelt so viele Tiere gehalten.
Dem BRS liegen verschiedene Berechnungen vor, wonach allein für den in vielen Fällen nötigen Neubau des Deck- und Wartebereichs zwischen 2000 bis 3000 € je Stallplatz angesetzt werden müssen. Wird auch der Abferkelstall angepackt, schlagen hier weitere 6000 bis 7000 € pro Platz zu Buche. Die ISN kommt in einer Kalkulation mit Beispielbetrieben auf Umbaukosten von über 3,5 Mrd. €. Ohne eine umfassende Investitionsförderung werden viele Sauenbetriebe aufgeben.
Fazit
- Der Referentenentwurf des BMEL wird von der Branche kritisiert. Die baulichen Vorgaben zur Länge und Breite des Kastenstandes könnten in vielen Betrieben ganze Deckabteile unbrauchbar machen. Gleiches gilt für die Forderung nach Bewegungsbuchten in bestehenden Abferkelställen.
- Die anvisierten Fixierungszeiten sind zu kurz. Rauschige Sauen müssen festgesetzt werden können, um das Verletzungsrisiko zu mindern. Im Abferkelbereich könnten die Saugferkelverluste steigen.
- Die Übergangsfrist von 17 Jahren im Härtefall ist zu knapp. Die Verbände fordern hier 20 Jahre und einen unbefristeten Bestandsschutz für Abferkelställe. Die Umstellungskosten werden vom BMEL massiv unterschätzt.