Unser Autor Dr. Albert Hortmann-Scholten, LWK Niedersachsen, gibt dazu Hinweise.
Die meisten Schweinehalter in Deutschland vermarkten ihre Mastschweine frei über Viehhändler, Erzeugergemeinschaften oder Viehhandelsgenossenschaften. Zunehmend gewinnen aber auch Modelle mit vertraglicher Bindung an Bedeutung. Der Grund: Die Konzentration aufseiten der Schlachthöfe nimmt weiter zu und es gibt mehr Tierwohlprogramme mit Bonuszahlungen.
Landwirte, die eine vertragliche Bindung eingehen, haben im Idealfall folgende Vorteile:
- Schwierige Marktphasen sind leichter zu überwinden, Preisschwankungen werden abgefedert. Die Marktrisiken liegen beim Vertragsanbieter.
- Reduzierung der wirtschaftlichen und unternehmerischen Risiken sowie besseres Kostenmanagement.
- Kalkulierbare Erlöse über einen längeren Zeitraum, Schutz vor Tiefstpreisen, höhere Absatzsicherheit.
- Abnahmeverträge können die wirtschaftliche Lage in den Betrieben verbessern und langfristig bessere Betriebsabläufe gewährleisten.
Es gibt aber auch je nach Vertragsgestaltung folgende Nachteile:
- Bei einer Bindung mit dem Schlachtunternehmen kann dieses und der LEH einfacher Produktionsvorgaben wie Vorgaben zu Tierschutz und Fütterung sowie zur Rückverfolgbarkeit durchsetzen.
- Der LEH hat so einen stärkeren Zugriff auf die Fleischerzeugung. Schlachtindustrie und LEH könnten ihre starke Position weiter ausbauen.
- In Verträgen werden häufig Mindest- und Höchstpreise festgelegt: Landwirte verzichten demnach in Hochpreisphasen auf Gewinne.
- Je nach vertraglicher Intensität: Verminderte bis völlige Aufgabe von Flexibilität und unternehmerischer Freiheit, der Landwirt muss starre produktionstechnische Vorgaben einhalten.
- Außerordentliche Kündigungen können das Gesamtkonzept für den Landwirt infrage stellen und den Investitionsplan gefährden.
Betriebsleiter müssen sich daher im Vorfeld die Frage stellen, ob sie unternehmerische Entscheidungen an den Vertragspartner abgeben wollen. Denn vielfach bestimmt der Vertragspartner die Produktionsprozesse auf dem Betrieb. Dazu ist nicht jeder bereit. In der Praxis kommt es daher oft vor, dass Landwirte nicht alles auf eine Karte setzen und zunächst nur mit ein oder zwei Stalleinheiten in eine Vertragssituation einsteigen.
Vertragsmodelle
Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe von vertraglichen Bindungen:
- Mehrwochenpreismodell: Schon seit mehreren Jahren bieten Schlachthöfe Vermarktungsverträge für Schweine mit Durchschnittspreisen an, um die Preisschwankungen zu glätten. Hier gibt es aktuell für Standardschweine Modelle zwischen gemittelten Preisen von zwei bis zwölf Wochen. Für Mäster, die regelmäßig verkaufen, z.B. aus geschlossenen Systemen, bieten Mehrwochenpreise kaum Vorteile. Nachteilig ist, dass häufig die Zahlungsziele verlängert werden und damit später Geld auf die Höfe fließt.
- Systemverträge: Abnahmeverträge mit Schlachthöfen haben sich in den letzten Jahren etabliert. Beispielsweise bei der Initiative Tierwohl (ITW), Tierwohl- oder Regionalitätsprogrammen sind Landwirte über eine Liefer- bzw. Abnahmegarantie an den Schlachthof gebunden. Möchte ein Landwirt bei der ITW teilnehmen, muss er Systemverträge mit der ITW abschließen und mit einem Bündler zusammenarbeiten. Für jedes geschlachtete Mastschwein bekommt er ein festgelegtes Tierwohlentgelt, das den finanziellen Mehraufwand kompensieren soll. In der Regel werden Mindest- und Höchstpreise festgelegt. Der Mäster muss im Gegenzug bestimmte Tierwohl-Kriterien umsetzen. Seit der dritten Programmphase wird die gezielte Kennzeichnung von ITW-Fleisch für den Endverbraucher umgesetzt. Die Finanzierung wurde für Mäster deshalb auf eine Marktlösung umgestellt, d.h., das Schlachtunternehmen bezahlt den Landwirt direkt.
- Integrationsmodelle: Die intensivste Form vertraglicher Zusammenarbeit ist die vollständige Integration. Dabei verpflichtet sich ein Landwirt für ein agrarindustrielles Unternehmen, wie Schlacht- oder Futterunternehmen, nach strengen Vorgaben zu wirtschaften. Der Landwirt bezieht die Ferkel von diesem Unternehmen und mästet sie. Haben die Tiere das Schlachtgewicht erreicht, nimmt das gleiche Unternehmen die Tiere zum Schlachten zurück. Der Mäster ist nicht mehr der Besitzer der Tiere und stellt nur seine Arbeitskraft bereit. Dafür wird er z.B. mit einem festen Betrag pro geliefertem Tier oder pro Masttag entlohnt. Häufig beziehen die Landwirte ebenfalls Futter sowie veterinärmedizinische Betreuung von dem Unternehmen. Bei einem Stallbau erhält er zudem organisatorische und finanzielle Unterstützung. Diese Stufe der Vertragsmast reduziert vollständig das finanzielle Unternehmens- und Produktionsrisiko für den Landwirt. In Deutschland ist dieses Modell im Schweinebereich kaum verbreitet. Global gesehen sind die USA Vorreiter: Etwa 60% der Produktion ist dort vertraglich gebunden.
Mehr Verträge
Die Bereitschaft von Landwirten, Abnahmeverträge mit Schlachthöfen abzuschließen, hat vor dem Hintergrund des coronabedingten Absatzstaus im Winter 2021 stark zugenommen. Mäster, die zu dieser Zeit bereits vertraglich an die Schlachthöfe gebunden waren, hatten weniger Probleme bei der fristgerechten Vermarktung. Insgesamt steigt daher der Anteil an Abnahmeverträgen in den letzten Jahren, dies ist nicht zuletzt auch auf die zunehmende Bedeutung der ITW zurückzuführen.
Die Entwicklung zu vertraglichen Bindungen kommt nicht von ungefähr und wird durch flankierende Prozesse begleitet. Auf der einen Seite vollzieht sich momentan eine starke Konzentration bei den Schlachthöfen. Dies erschwert die freie Vermarktung von Schlachtschweinen ganz erheblich. Auf der anderen Seite nimmt die Bedeutung von Tierwohlprogrammen und auch regionalen Vermarktungssystemen zu. Darin sind deutlich höhere, kostenintensive Erzeugungsvorschriften festgelegt, die mit höheren Preisen bzw. Bonuszahlungen vergütet werden. Nur Liefer- und Abnahmeverträge bieten hier beiden Seiten, Käufern und Verkäufern, die entsprechende Planungssicherheit. Das Vertrauen der Landwirte in Verträge wird jedoch immer wieder durch das Verhalten der Schlachthöfe erschüttert.
Programme mit Abnahmeverträgen bieten diverse Schlachthöfe, Erzeugergemeinschaften bzw. Viehhändler an. In Süddeutschland gibt es beispielsweise das „Hofglück“-Programm der Edeka Südwest. Im Norden ist das „Bauernliebe“-Programm der Edeka Rhein-Ruhr mit dem Schlachtbetrieb Westfleisch und dem Fleischhof Rasting eines der größeren Projekte. Auch im Segment der ökologischen Schweinefleischerzeugung bieten verschiedene Partner Verträge an. Unter anderem das Ökodorf Brodowin mit der Fleischerei Herold. In der Region Süd-West hat die Rewe ihr Markenfleischprogramm „Landbauernschwein“ aufgebaut. Hier liegt ein Augenmerk auf der Ganztiervermarktung. Zudem können Bioschweineproduzenten im Rahmen des Neuland-Programms über die Biofleisch e.G. in Bergkamen Verträge absichern.
Faire Vergütung
Die Preisfindung und eine faire Vergütung sind zentrale Punkte aller Vertragssysteme. Dazu gehören auch das Thema marktgerechtes Zahlungsziel und die Kriterien für mögliche Zu- und Abschläge für Mehrleistungen. Eventuell zahlt der Vertragspartner noch zusätzliche Bonuszahlungen. Prinzipiell gibt es bei Programmen mit Abnahmeverträgen zwei Möglichkeiten einen Preis abzuleiten:
- Der Auszahlungspreis orientiert sich an den tatsächlichen Produktionskosten und dem durchschnittlichen Gewinn. Offizielle Notierungen dienen dabei nicht als Grundlage, da sie vielfach in Abhängigkeit der Marktschwankungen keine auskömmliche Vergütung ermöglichen. Hier ist die Abrechnungsgrundlage in der Regel das Schlachtgewicht, multipliziert mit einem festen Preisfaktor.
- Andere Systeme orientieren sich an vorhandenen Notierungen bzw. Preisempfehlungen. Dabei dient zum Beispiel die VEZG-Notierung als Preisempfehlung und es werden auf die festgestellten Preise bestimmte Qualitätsaufschläge gezahlt. Beispielsweise sind Programme bekannt, die bei der Haltungsform (HF) 3 Qualitätsaufschläge von 40 bis 50 Cent bezahlen. Darüber hinaus gibt es weitere programmspezifische Zuschläge beispielsweise für hohe Magerfleischanteile. Nachteile solcher Systeme bestehen darin, dass die Erzeugungskosten auch bei schwankenden Preisen für Futter und Energie häufig nicht gedeckt sind.
Vertrag richtig gestalten
„Drum prüfe, wer sich ewig bindet“ – dieses Zitat von Schiller trifft es auf den Kopf. Landwirte müssen Vermarktungsverträge sorgfältig durchdenken und prüfen, am besten auch von Experten. Schlechte Verträge kommen Landwirte teuer zu stehen und wurden von manchem Mäster lange bereut.
Darauf sollten Landwirte achten:
- Partnerschaftliche Programme müssen ein Mitspracherecht aller Beteiligten ermöglichen: Eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe ist wichtig. Verträge können eine faire Zusammenarbeit entlang der Wertschöpfungskette für alle Beteiligten ermöglichen. Landwirte sollten z.B. vor der Einführung von zusätzlichen Qualitätsstandards in Entscheidungen eingebunden werden. Sind Änderungen der Produktionsvorgaben notwendig, brauchen sie mindestens 9 bis 12 Monate Vorlauf, sodass sie ihre betrieblichen Strukturen darauf einstellen können.
- Die Vertragspartner müssen regelmäßig kommunizieren, d.h., Treffen zum Austausch von Erfahrungen und anstehenden Änderungen sind sinnvoll.
- Landwirte sollten die Vertragslaufzeiten im Blick haben. Möglichst lange Vertragszeiträume sind ratsam, damit die Mäster ihre Investitionen für besseres Tierwohl betriebswirtschaftlich vernünftig abschreiben können.
- Vereinbarte Liefermengen müssen langfristig auch zum Betrieb passen. In den meisten Verträgen gibt es Klauseln zu Strafen bei abweichenden Mengen.
- Die Vertragspartner müssen die kostenintensiven Vorgaben auch betriebswirtschaftlich voll umfänglich ausgleichen. Insbesondere wenn Programme dem Schweinehalter im Vorfeld erhebliche Investitionen abverlangen. Diese schreibt ein Betrieb schließlich über lange Zeiträume ab. Da ist Planungssicherheit, die nur ein starker und verlässlicher Partner garantieren kann, extrem wichtig. Die vom LEH vorgegebenen HF, insbesondere die HF 3 und 4 sind für Erzeuger sehr kostenintensiv. Baukostenexplosion und die Energie- und Rohstoffverteuerung verursachen extreme Planungsrisiken. Nicht kalkulierbar ist z.B. die Beschaffung der in der HF 3 vorgeschriebene gentechnikfreie Eiweißkomponente. Non-GMO-Soja war im Frühjahr plötzlich 25 €/dt teurer als konventionelle Ware. Vertragsklauseln müssen solche Risiken abpuffern.
- Auch ist auf Klauseln zu achten, die eine frühzeitige Kündigung/Sonderkündigungsrecht ermöglichen, wenn das Projekt für den Betrieb des Landwirtes auf lange Sicht nicht rentabel ist (beispielsweise aufgrund von neuen kostenintensiven Produktionsvorgaben).
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Standpunkt
Auch in Krisen zusammenstehen!
Eine gute Partnerschaft ist entscheidend, sagt Dr. Albert Hortmann-Scholten, LWK Niedersachsen.
Wir erleben zurzeit, dass Verbraucher die teuren Tierwohlstandard-Erzeugnisse und auch Bioprodukte entgegen aller Umfragetrends nicht mehr oder aber in sehr viel kleineren Mengen einkaufen. Hier darf der LEH die Landwirte nicht im Regen stehen lassen. Führende Discounter hatten im letzten Sommer noch angekündigt, im Jahre 2030 100 % des Frischfleisches aus den Haltungsformen 3 + 4 zu vermarkten. Landwirte sollten daher auf Druck des LEHs rasch umstellen. Nun aber ist alles anders.
Zahlreiche Fragen sind ungeklärt: Was wird aus der Produktion in den kostenintensiv umgebauten Ställen? Halten Vermarkter ihr Wort? Stehen Vertragspartner zu den Vertragsvereinbarungen?
Eine Prognose scheint aus heutiger Sicht noch zu früh. Ich glaube fest daran, dass in Zukunft Vermarktungsverträge zum Vorteil beider Seiten – Produzenten und Konsumenten – ihre Berechtigung haben.
Aber eine gute Partnerschaft funktioniert wie in einer Ehe nur dann, wenn beide auch in einer Krise verlässlich zusammenstehen!