Mastfutter mit weniger Protein entlasten die Nährstoffbilanz. Damit die Mast- und Schlachtleistung im Lot bleibt, sind einige Punkte zu beachten.
Thomas Hilmer, Landwirtschaftskammer NRW
Die Absenkung der Eiweißgehalte im Futter ist ein wichtiges Thema für viele Mäster. Denn aufgrund der Verschärfungen im Düngerecht gilt es, den Nährstoffausstoß zu vermindern. Zudem kann die nährstoffoptimierte Fütterung den Stoffwechsel entlasten.
Allerdings traten in einigen Betrieben nach der Absenkung der Rohproteinwerte plötzlich Probleme auf. Die Tiere zeigten eine verminderte Schlachtkörperqualität oder fielen in der Wachstumsleistung zurück.
Um dies zu vermeiden, sollten sich die Betriebe schrittweise an die stark nährstoffreduzierte Fütterung herantasten. Der Einstieg sollte daher zunächst in der Endmast beginnen. Denn in dieser Phase ist der Eiweißbedarf am geringsten und die Tiere können eine verminderte Versorgung am besten abpuffern.
Gleichzeitig werden in der letzten Mastphase große Futtermengen verbraucht, sodass sich eine geringere Proteinzufuhr besonders positiv auf die Nährstoffbilanz auswirkt.
Die Endmasttiere sollten ein Gewicht von 80 bis 90 kg erreichen, um mit der starken Nährstoffreduzierung zu starten. Wobei das Fressverhalten der Tiere eine wichtige Rolle spielt. So ist der Hochsommer für die stark nährstoffreduzierte Fütterung ein Risikofaktor, da hier nahezu alle Herkünfte mit verminderter Futteraufnahme reagieren.
Sind dann noch die Inhaltsstoffe im Futter mehr oder weniger auf den Punkt kalkuliert, so wird der Bedarf der Schweine nicht gedeckt und diese sind absolut gesehen unterversorgt. In der Ebermast ist ebenso ein späterer Beginn der starken Proteinabsenkung ab 90 kg Lebendgewicht zu empfehlen. Denn Eber haben generell wegen ihres höheren Fleischansatzes einen höheren Proteinbedarf und fressen grundsätzlich weniger Futter.
Runter auf 12% Eiweiß
Ist der Start der Nährstoffabsenkung gut getaktet, kann der Rohproteingehalt (XP) in der Endmast durchaus auf 12% zurückgefahren werden. Voraussetzung ist natürlich, dass der Aminosäurenbedarf entsprechend über das Mineralfutter ergänzt wird. Jedoch sollten in der Ebermast die Eiweißgehalte nicht unter 12,5% sinken. Sonst droht vor allem ein Einbruch der Schlachtleistung. Auch aus Tierschutzgründen ist eine Unterversorgung der Schweine generell zu vermeiden. Dieses gilt insbesondere für die Phosphorversorgung der Tiere im Hinblick auf eine ausreichende Fundamententwicklung.
In der Praxis stellt sich die Frage, ob auch weniger als 12% Rohprotein möglich sind. Dies mag in besonders gut aufgestellten Betrieben im Einzelfall funktionieren. Doch scheint bei etwa 12% XP in der Endmast derzeit die Untergrenze erreicht. Die Hintergründe sind wissenschaftlich nicht ganz geklärt.
Eine Ursache könnte darin liegen, dass bei extrem niedriger Eiweißzufuhr weitere Aminosäuren wie Histidin, Leucin oder Isoleucin in den Mangel geraten. Darüber kann es sein, dass aufgrund des niedrigen Rohproteingehaltes ein Mangel an Nicht-Protein-Stickstoffverbindungen (Amino-Stickstoffverbindungen) entsteht, der über die Ergänzung freier Aminosäuren nicht gedeckt wird.
Der zwischenzeitlich diskutierte völlige Verzicht auf Sojaschrot in der Endmast ist daher nach heutigem Stand kritisch zu betrachten. So mag eine Endmastration ganz ohne Eiweißträger im Einzelfall funktionieren, wenn alle Rahmenbedingungen optimal abgestimmt sind. Einige Betriebe haben mit dem völligen Sojaverzicht aber Schiffbruch erlitten und setzen jetzt in der letzten Mastphase zumindest einen geringen Anteil von etwa 5% Sojaschrot ein.
Aminosäuren exakt ergänzen
Trotz der Berücksichtigung der Eiweißträger kommt der Zugabe freier Aminosäuren eine Schlüsselrolle zu. Die Übersicht zeigt zwei Mineralfuttertypen mit umfangreicher Aminosäurenergänzung. Beide Mineralfutter werden mit 4 % eingemischt.
Mineralfutter Typ 1 nutzen Betriebe, die in der Endmast noch einen kleinen Anteil Sojaschrot von etwa gut 5 % einsetzen. Dieses Mineralfutter enthält 12% Lysin und ist mit den weiteren erstlimitierenden Aminosäuren bis zum Tryptophan ausgestattet.
Mineralfutter Typ 2 ist für Rationen ausgelegt, die in der Endmast ganz ohne Sojaschrot arbeiten. Dieses Mineralfutter ist mit 18% Lysin sehr hoch ausgestattet. Zudem ist hier neben den ersten fünf limitierenden Aminosäuren auch das Valin mit 5,5% ergänzt.
Beim Einsatz von Mineralfutter lässt sich die Aminosäurenzulage sehr gut steuern, da alle Inhaltsstoffe exakt deklariert sind.
Hingegen können beim Einsatz von Ergänzern Ungenauigkeiten in der Versorgung auftreten. Denn die Hersteller sind grundsätzlich nicht dazu verpflichtet, alle enthaltenen Aminosäuren zu deklarieren. Daher ist es notwendig, die Aminosäuregehalte des Ergänzers beim jeweiligen Hersteller abzufragen. Gelingt dies nicht, ist bei sehr stark nährstoffreduziertem Futter eventuell ein Anbieterwechsel in Erwägung zu ziehen.
Positiv ist, dass die Einkaufspreise für freie Aminosäuren rückläufig sind. Denn neue Produktionsanlagen in Asien haben das Angebot merklich gesteigert. Gleichzeitig sorgt die global grassierende Schweinepest für eine geringere Nachfrage. Insbesondere bei der Leitaminosäure Lysin sind merkliche Preisnachlässe zu verzeichnen. Insgesamt scheinen sich die Aminosäurenpreise vom Markt für Eiweißträger abzukoppeln.
Hochwertige Faser zufügen
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Versorgung mit Faser. Denn mit dem stark abgesenkten Sojaanteil enthält das Futter zugleich weniger Faserstoffe.
In der Ration sollte das Sojaschrot daher durch Getreide mit guter Faserqualität ersetzt werden. Ideal sind Gerste und Hafer. Mäster mit Flüssigfütterung haben gute Erfahrungen mit Maissilage gemacht. Denn diese Komponenten bieten hohe Anteile an Faserstoffen, die im Dickdarm fermentierbar sind. Für eine gute Darmgesundheit sollte das Futter mindestens 65 g fermentierbare Faser je kg enthalten.
Der Ersatz des Sojas durch Schwergetreide ist nicht ratsam. Denn dieses enthält zu wenig Faser. Zudem liefert Schwergetreide verhältnismäßig viel Energie, wodurch die Gefahr der Verfettung der Tiere steigt.
Rapsschrot ist aus Sicht des Nährstoffmanagementes ebenfalls nicht ideal, da der relativ hohe Phosphorgehalt kontraproduktiv ist. Heimische Eiweißträger kommen in Rationen mit starker Eiweißabsenkung aufgrund ihrer geringeren Verdaulichkeit ebenfalls nicht in Betracht.
Energie neu bewerten
Neben der Rohfaser gilt es den Energiegehalt des Endmastfutters exakt abzustimmen. Denn bei stark abgesenktem Eiweißgehalt neigen die Schweine besonders schnell zur Verfettung, wenn sie zu viel Energie erhalten. In diesem Fall reicht die knappe Eiweißausstattung für den Fleischansatz der Tiere nicht aus.
Zudem können Mastfutter mit sehr niedrigen Proteinwerten mehr Energie enthalten als rein rechnerisch kalkuliert. Denn die Mischfutterformel zur Energieermittlung ist für Proteinwerte über 15% ausgelegt. Die stark N-reduzierten Endmastfutter liegen deutlich darunter.
Doch es gibt weitere Punkte, die zu berücksichtigen sind:
- Die Absenkung der Rohproteinwerte entlastet den Stoffwechsel. Denn im Gegensatz zum Eiweiß sind freie Aminosäuren leicht und fast zu 100% verdaulich. Daher steht mehr Energie für das Wachstum bereit.
- Wie erwähnt, sollten Mastfutter mit wenig Rohprotein ausreichend fermetierbare Faser enthalten. Hieraus stellen Darmmikorben organische Säuren her, die dem Tier zusätzliche Energie liefern.
- Mastfutter enthalten oft Phytasen neuer Generation, um den Phosphor aufzuschlüsseln. Vor allem bei hohen Gehalten (Superdosing) verbessern die Enzyme auch die Energiefreisetzung aus Kohlenhydraten und Eiweißen.
Vor allem bei mangelnder Schlachtkörperqualität ist daher zu prüfen, ob die Tiere mehr Energie erhalten als kalkuliert. Noch wichtiger als der Energiegehalt der Ration an sich ist dabei das Lysin-/Energie-Verhältnis. In der Endmast ab 80 bzw. 90 kg Tiergewicht ist ein Wert von etwa 0,7 g Lysin je MJ ME anzustreben.
Komponenten ins Labor
Abschließend bleibt der Hinweis, alle Rohkomponenten im Labor auf ihre wichtigen Inhaltsstoffe untersuchen zu lassen. Denn das Getreide weißt in diesem Jahr beim Rohprotein erneut erhebliche Schwankungen auf. Zudem sind die Proteingehalte der Ernte 2019 weit unterdurchschnittlich. Bei stark nährstoffreduziertem Mastfutter ohne Sicherheitspuffer kann es daher schnell zur Unterversorgung kommen.
Probleme können auch durch Nebenprodukte entstehen. Denn hier schwanken die TS-Werte und damit die Inhaltsstoffe teils erheblich. Die Betriebe sollten daher einen Schnelltester zur TS-Bestimmung anschaffen.
Fazit
Bei starker Eiweißabsenkung treten teils Probleme mit der Schlachtkörperqualität auf. Um dies zu vermeiden, gilt es Folgendes zu beachten:
- Man sollte sich schrittweise an die Nährstoffabsenkung herantasten.
- Der Einstieg sollte in der Endmast ab 80 bis 90 kg Tiergewicht erfolgen.
- Auch bei gut abgestimmten Endmastfutter scheint bei etwa 12% Rohprotein die Untergrenze erreicht.
- Bei begrenzter Futteraufnahme oder Ebern sind etwas höhere Gehalte nötig.
- Bei starker Eiweißabsenkung ist der Energiegehalt u.U. neu zu bewerten.
- Alle Rohkomponenten sind auf ihre Inhaltsstoffe zu analysieren.