Roggen punktet ackerbaulich durch seine hohe Trockentoleranz. In der Schweinefütterung kann er die Tiergesundheit stärken und die Kosten senken.
Fred Schnippe, SUS
Futterroggen erlebt in Schweinebetrieben bereits seit einigen Jahren eine Renaissance. Ein zunehmend wichtiges Argument sind seine ackerbaulichen Stärken. So zeigt Roggen eine hohe Toleranz gegenüber Trockenheit. Aufgrund seines ausgeprägten Wurzelsystems ermöglicht er auch bei geringen oder ungleichmäßigen Niederschlägen relativ stabile Ernteerträge.
Hinzu kommt die hohe Robustheit der Roggenpflanzen gegenüber Krankheiten wie Rost und Mehltau. Das senkt den Pflanzenschutzbedarf erheblich. Auch benötigt Roggen weniger Dünger als z.B. Weizen. Aufgrund der zuletzt explodierenden Mineraldüngerpreise gewinnt dieser Punkt an Bedeutung.
Mutterkorn besser im Griff
Als Futtergetreide spielte Roggen dennoch längere Zeit eher eine Nebenrolle. Dies war insbesondere auf seine erhöhte Anfälligkeit für Mutterkorn zurückzuführen. Befallener Roggen bildet anstelle der Samen schwarzbraune Sklerotien, die giftige Alkaloide enthalten.
Ihre Aufnahme kann bei Ferkeln und Mastschweinen die Futteraufnahme und Gewichtsentwicklung vermindern. Bei Sauen können schwerwiegende Fruchtbarkeitsprobleme auftreten. Bei hohen Mutterkornanteilen von 3 g/kg Getreide treten Durchblutungsstörungen bis hin zu Nekrosen z.B. an den Ohren- und Schwanzspitzen auf.
Allerdings ist es der Saatgutzucht gelungen, die Anfälligkeit des Roggens gegenüber Mutterkorn stark zu reduzieren. Entsprechende Sorten verfügen über ein besonders hohes Pollenschüttungsvermögen. In der Folge treten weniger unbefruchtete und damit für Mutterkorn anfällige Blüten auf.
Diese Eigenschaft ist inzwischen auf rund 75% der Anbaufläche für Hybridroggen zu finden. Sortenversuche zeigen, dass die Häufigkeit von Mutterkorn damit deutlich zurückgegangen ist.
Bestände kontrollieren
Trotz der deutlichen Fortschritte mithilfe der Saatzucht sind die Roggenbestände insbesondere in der Phase vor der Ernte regelmäßig auf einen möglichen Befall zu kontrollieren. Denn die Freiheit von Mutterkorn lässt sich auch heute nicht vollständig garantieren. So können regional und aufgrund der Witterung auch von Jahr zu Jahr sehr große Unterschiede in den Befallsraten auftreten.
Eine direkte Bekämpfung von Mutterkorn ist nicht möglich. Daher sind pflanzenbauliche Vorbeugemaßnahmen zu treffen, um einen Befall mit dem Schädlingspilz zu vermeiden. Hierzu gehören in erster Linie folgende Punkte:
- Saubere Pflugfurche bei Roggen nach Roggen,
- Anbau von Sorten mit höherem Pollenbildungsvermögen,
- Anbau von Populationsroggen,
- breite Fahrgassen zur Vermeidung von Zwiewuchs,
- vorsichtiger Einsatz von Wachstumsreglern, vor allem auf leichten Böden.
Treten dennoch Belastungen auf, ist Mutterkorn relativ leicht von der Gesamtpartie abzutrennen. Durch Windsichten, Sieben oder Ausblasen ist eine starke Reduktion erreichbar. Wer keine eigene Möglichkeit zur Reinigung hat, sollte diese im Lohn durchführen lassen. Getreidepartien mit kritischen Ausgangsgehalten an Mutterkorn sollten in der Sauen- und Ferkelfütterung nicht zum Einsatz kommen.
Wertvolle Rohfaser
Ein wichtiges Argument für den Roggen ist außerdem sein hoher Gehalt an wertvoller Rohfaser. So zeigen neue Untersuchungen, dass Roggen insgesamt sogar mehr Ballaststoffe enthält als Hafer. Vorteilhaft ist dabei insbesondere sein hoher Gehalt an Kohlenhydraten, die im Magen und Dünndarm nicht verdaut werden. Diese gelangen in den Dickdarm und werden dort von Bakterien überwiegend zu Buttersäure fermentiert.
Stärkung der Darmflora
Die Buttersäure leistet im Verdauungssystem eine Vielzahl von positiven Wirkungen. Hierzu zählen insbesondere die Ernährung und Stärkung der Darmschleimhaut, die Hemmung von Entzündungsreaktionen und die Stimulation von wichtigen Immunzellen.
Zudem zeigen neuere Studien, dass die mit der Roggenfütterung verbundene Buttersäurebildung auch die Entstehung von unerwünschtem Ebergeruch mindern kann. Mit Roggen lassen sich Ge-ruchsabweichungen deutlich kostengünstiger abmildern als z.B. mit dem Zusatz von Chicorée.
Eine Feldstudie unter Leitung der Tierärztlichen Hochschule Hannover lässt außerdem erkennen, dass Roggen Probleme mit Salmonellen unter anderem in Mastbetrieben abmildern kann. So ging in den beteiligten Praxisbetrieben die Salmonellenquote in den Gruppen mit einem Anteil von 20% Roggen im Vormast- und 40% im Endmastfutter im Vergleich zur Kontrolle um etwa ein Viertel zurück.
Dieser positive Effekt des Roggens ist ebenfalls auf seine hohen Gehalte an wasserlöslichen Kohlenhydraten zurückzuführen. Denn diese speziellen Nicht-Stärke-Polysaccharide wie z.B. Arabinoxylane und Fructane haben das Potenzial, Salmonellen zurückzudrängen.
Mit zunehmenden Roggenanteilen im Futter steigen zunächst die Gehalte an Milchsäure im Magen und Dünndarm deutlich an. Dadurch kommt es im Futterbrei zu einer pH-Wert-Absenkung. Denn die wasserlöslichen Kohlenhydrate im Roggen werden von den Bakterien als Substrat für die erwünschte Milchsäurebildung genutzt.
Die nicht verdauten Kohlenhydrate bzw. Polysaccharide werden am Ende des Verdauungstraktes von den Bakterien vermehrt zu Buttersäure bzw. Butyrat verstoffwechselt. Dadurch kommt es auch hier zu einer Absenkung des pH-Wertes.Das saure Milieu hemmt die Salmonelleninvasion.
Günstiges Futtermittel
Neben den beschriebenen physiologischen Vorteilen punktet Roggen durch seinen vergleichsweise günstigen Einkaufspreis. So wird Futterroggen in diesem Jahr etwa 2 bzw. 4 €/dt günstiger gehandelt als Futtergerste und Futterweizen. In früheren Jahren mit insgesamt niedrigeren Getreidepreisen lag der Kostenvorteil des Roggens oftmals zwischen 1 und 3 €/dt.
Demgegenüber steht der etwas geringere Futterwert des Roggens. Denn dieser weist im Mittel etwa 2% weniger Rohprotein auf als Futterweizen. Gegenüber der Futtergerste fällt der Rohproteingehalt des Roggens im Schnitt um etwa 1 bis 1,5% ab. Beim Energiegehalt rangiert Roggen nur knapp hinter Weizen und noch deutlich vor Gerste.
Viele Fütterungsexperten bewerten den Preisvorteil des Roggens höher als seine Nachteile im Futterwert. Das heißt: Roggen kann zur Senkung der Futterkosten beitragen. Zudem bieten die niedrigen Rohproteingehalte des Roggens Vorteile bei der N/P-reduzierten Fütterung.
Mast: Bis zu 70% Roggen
Hinsichtlich der Einmischraten von Roggen in Schweinerationen hat sich die Beratungsempfehlung gewandelt. Der DLG-Fütterungsberater aus 2006 nennt im Mastverlauf Höchstgehalte von 30 bis 50% und bei Sauen maximal 25% Roggen. Im Ferkelaufzuchtfutter 1 und 2 werden bis zu 10 bzw. 20% Roggen empfohlen. Unabhängige Fütterungsversuche bestätigen inzwischen, dass höhere Roggenanteile ohne Nachteile für die Tiergesundheit und die biologischen Leistungen möglich sind.
Die jüngsten Untersuchungen hat die LfL Bayern 2021 im Versuchsbetrieb in Schwarzenau durchgeführt. Das Kernergebnis: Roggenanteile von 15 bis 25% im Ferkelaufzuchtfutter und von 40% bis 60% in der anschließenden Mast beeinflussten die Tageszunahmen, den Futterverbrauch und die Schlachtkörpermerkmale nicht. Bei höheren Roggenanteilen von 20 bis 30% bei Ferkeln und 50 bis 70% in der nachfolgenden Mast waren die Tageszunahmen und der Futterverbrauch nur numerisch niedriger.