Jeweils im Oktober berichtete ein Betrieb von klinisch auffälligen Mastschweinen. Was war der Grund für die Hautveränderungen bzw. das Kümmern?
Hans Huber (Name geändert) leitet in Sachsen-Anhalt eine gut laufende Sauenzuchtanlage mit etwa 1000 Muttertieren. Jede Woche werden etwa 350 zumeist männliche Ferkel der eigenen Mast zugeführt.
Diese befindet sich örtlich getrennt, etwa eine halbe Stunde Autofahrt entfernt. Der Maststall umfasst somit zu jeder Zeit etwa 4000 Tiere. Diese werden in der Sauenanlage mit drei Wochen gegen das Porcine Circovirus (PCV2) geimpft.
Die für die eigene Mast vorgesehenen männlichen Tiere erhalten zudem eine Impfung gegen Mycoplasma hyopneumoniae. Der Grund ist ein länger zurückliegender Mykoplasmeneinbruch. Gegen PRRS wird nicht geimpft, da die Sauenherde PRRSV-unverdächtig ist.
Hautveränderung an Flanke
Obwohl der Betrieb recht ruhig läuft, wurden Ende Oktober bis Anfang November 2018 einige ca. 60 kg schwere Tiere aus einer Gruppe mit Hautveränderungen auffällig. Die Tiere zeigten bläuliche Verfärbungen an den Hintergliedmaßen, den Flanken und den Ohren. Diese Krankheitsform wird als Porcine Dermatitis Nephropathy Syndrome (PDNS) bezeichnet und häufig durch PCV2 verursacht.
Bei einer Untersuchung von Blutproben fünf klinisch auffälliger Schweine konnte bei drei Tieren PCV2 in geringen Mengen nachgewiesen werden. Außerdem hatten alle fünf Tiere PCV2-Antikörper im Blut. Eine Sequenzierung des PCV2-Virus zeigte, dass es sich um Subtyp PCV2d handelt. Dieser Erregerstamm wird in den letzten Jahren häufiger in deutschen Ställen und auch weltweit gefunden.
Neuer Subtyp die Ursache?
Hat der neue Subtyp eine stärker krankmachende Wirkung als die gewöhnlichen Stämme PCV2a und PCV2b? Diese Frage stellte Huber seinem Tierarzt, der auf aktuelle Forschungsergebnisse verwies. Danach ist die krankmachende Wirkung vom neuen PCV2d-Subtyp vergleichbar mit den übrigen Stämmen.
Auch für den auf dem Betrieb eingesetzten PCV2-Impfstoff konnte gezeigt werden, dass er ebenso verlässlich gegen PCV2d schützt. Zudem waren in der nächsten Gruppe keinerlei Auffälligkeiten mehr zu finden und der Betrieb lief wieder ruhig weiter.
Dennoch wurde überprüft, ob PCV2 eventuell bereits in der vorgeschalteten Sauenherde zirkulierte. Doch bei Saugferkeln in der ersten, zweiten und dritten Lebenswoche sowie eine und zwei Wochen nach der PCV2-Impfung konnte im Blut keinerlei Virus gefunden werden.
Hätte die Diagnostik gezeigt, dass bereits die Saugferkel sehr früh mit PCV2d infiziert sind, wäre dies eine mögliche Erklärung für die Probleme. Dann hätte eine Impfung der Sauenherde schnell Ruhe in das Infektionsgeschehen bringen können. Die Ferkel wären dann auch schon in der Gebärmutter vor den Folgen einer PCV2-Infektion geschützt.
Problem kehrte zurück
Im Oktober 2019, also genau ein Jahr nach dem letzten Befund, kam es erneut zu Auffälligkeiten in einer frisch eingestallten Mastgruppe: Ungefähr 15% der Schweine zeigten nach rund 26 Masttagen innerhalb von vier bis fünf Tagen eine ausgeprägte PMWS-Klinik (Post-Weaning Multisystemic Wasting Syndrome). Die mit Kümmern einhergehende Erkrankung der Ferkel wird ebenfalls mit PCV2 in Verbindung gebracht.
Eine Therapie war nicht möglich. Etwa 20 Tiere wurden notgetötet, ca. 15 Tiere verendeten und weitere 20 Tiere mussten vorzeitig verkauft werden.
Sofort wurde wiederum eine umfassende Diagnostik eingeleitet, um die Ursache ausfindig zu machen. Bei zwanzig der klinisch auffälligen Tiere wurden Blutproben genommen, zusätzlich wurden drei Tiere in der Sektion untersucht.
Diese zeigten stark vergrößerte Darmlymphknoten, was gerade in der frühen klinischen Infektionsphase mit PCV2 ein prominentes Merkmal sein kann. Die Lungen der Tiere waren PCV2-positiv und zeigten typische Entzündungsanzeichen. Auch die Därme der Tiere waren entzündet; das darmassoziierte lymphatische Gewebe war vergrößert.
Nur eine Gruppe betroffen
Bei der Hälfte der Tiere wurde mittels PCR-Test PCV2-Virus im Blut gefunden. Ebenfalls hatte ungefähr die Hälfte der Tiere PCV2-Antikörper im Blut. Diese wurden mithilfe eines Tests genauer differenziert: Beim Großteil der Tiere wurden neben IgG- auch IgM-Antikörper nachgewiesen. >
Dies machte Hubers Tierarzt stutzig, auch weil die Tiere nicht dauerhaft auffällig waren, sondern nur einmal im Jahr zu ganz bestimmten Zeitpunkten in einzelnen Gruppen. Eine neuere Studie zeigt, dass geimpfte Tiere auf einen späteren Kontakt mit dem Felderreger mehrheitlich eher mit der „sekundären Immunantwort“ und einer IgG-Antikörperbildung reagieren. Ungeimpfte oder fehlerhaft geimpfte Tiere reagieren wie in diesem Fall mehrheitlich eher mit einer „primären Immunantwort“ und damit der IgM-Antikörperbildung.
Auch wurden die Saugferkel in der ersten, zweiten und dritten Lebenswoche sowie zum Beginn der Aufzucht untersucht. Wieder wurde hier keinerlei PCV2-Virus gefunden, was nochmals bestätigt, dass außer der einen betroffenen Gruppe keine weitere vorgeschaltete Infektionsdynamik zu erkennen war.
Maternale Antikörper im Blut der Ferkel konnten hier nicht das Problem sein, denn der verwendete Impfstoff wird durch ihr Vorhandensein nicht behindert. Zur Sicherheit wurde dies diagnostisch abgeklärt. Alles in allem glaubten Tierarzt und Landwirt nicht an eine mangelnde Wirksamkeit des PCV2-Impfstoffes. Schließlich war das Impfkonzept seit Jahren etabliert und hat sich bewährt. Zumal der verwendete Impfstoff für die Ferkel gut verträglich war.
Urlaubsvertretung impfte
Nach der Interpretation der Untersuchungsergebnisse begann für Tierarzt und Landwirt die Detektivarbeit. Bei unsachgemäßer Lagerung können Impfstoffe schnell ihre Wirksamkeit verlieren. Sie müssen in einem funktionierenden Kühlschrank gelagert werden. Die Kontrolle zeigte, dass im Betrieb die Lagerung des Impfstoffes vorbildlich ausgeführt wurde.
Auch die angewandte Impftechnik muss stimmen. Der Impfstoff soll gemäß Herstellerangaben mit sauberem Impfbesteck und passender Kanülenlänge in voller Dosis verabreicht werden. Bereits kleine Abweichungen und Fehler können den Betriebserfolg ins Wanken bringen und später für ein böses Erwachen sorgen, wenn die Tiere sich infizieren.
Die Routineabläufe bei den Ferkelbehandlungen zeigten keinerlei Schwächen. Dennoch wurde anhand des Alters der betroffenen Tiere überprüft, in welcher Kalenderwoche und unter welchen Gegebenheiten die Gruppen gegen PCV2 geimpft wurden.
In diesem Falle fiel auf, dass genau in den Wochen des Jahres 2018 und 2019, als die auffälligen Mastschweine als Ferkel im Sauenbetrieb geimpft worden sind, die Urlaubsvertretung die Ferkelimpfung übernommen hatte.
Diese wurde weder im Umgang mit den Impfstoffen noch in Sachen Impftechnik extra geschult, sodass der Verdacht nahe liegt, die Schweine seien nicht korrekt geimpft worden. Vermutlich hat nicht jedes Ferkel die volle Impfdosis erhalten.
Personal besser schulen
Die tiefgehende Aufklärungsarbeit machte deutlich: Der neue PCV2d-Subtyp war hier nicht das Problem. Auch ein vorschneller Impfstoffwechsel hätte keinen Erfolg gebracht. Vielmehr zeigt dieser Fall, wie wichtig es ist, Fremdarbeitskräfte und Aushilfspersonal intensiv und verständlich im Umgang mit empfindlichen Arzneimitteln und Impfstoffen zu schulen sowie die Impfung zu überwachen.
Dieser Fallbericht unterstreicht die Bedeutung einer intensiven Diagnostik, der richtigen Interpretation der Befunde und einer detaillierten Ursachenforschung in Problemfällen im Schweinestall. Man muss genau hinschauen, um letztendlich die richtige Lösung zu finden, die in manchen Fällen einfacher sein kann als gedacht.
Tierarzt Frank Pfeiffer, Tierarztpraxis Gnoien