Die Schweinehalter sehen sich mit mehreren neuen bzw. verschärften Gesetzen konfrontiert. Wichtig ist, die damit verbundenen Mehrkosten zu kennen.
Stefan Leuer, Landwirtschaftskammer NRW
Die deutsche Schweinehaltung steht massiv unter Druck. Die Erlöse für Ferkel und Schlachtschweine bewegen sich auf einem ruinösen Niveau. Viele Schweinehalter gehen finanziell auf dem Zahnfleisch und hoffen auf eine schnelle Trendwende am Markt.
Eine wirtschaftlich tragfähige Schweinehaltung wird aber nicht nur von den Erlösen bestimmt, sondern auch von den Kosten. Und die werden in den kommenden Jahren kräftig steigen.
Kosten von 151 € je Schwein
Blicken wir auf die Ergebnisse der vergangenen 15 Jahre zurück. Die durchschnittlichen Produktionskosten haben bei ca. 151 € je Mastschwein inkl. der Ferkelerzeugung gelegen. Die Schwankungsbreite bewegte sich dabei zwischen 129 € und 176 € je Mastschwein (s. Übersicht).
Schaut man sich diesen Kostenverlauf an, ist zu berücksichtigen, dass sich die Leistungen in der Ferkelerzeugung und Schweinemast in den letzten Jahren deutlich verbessert haben. Wurden im Wirtschaftsjahr (WJ) 2006/2007 noch 21,6 Ferkel je Sau und Jahr verkauft, waren es im WJ 2019/2020 bereits 29,5 Ferkel.
Bei den Mastschweinen stiegen die Umtriebe von 2,57 im WJ 2006/2007 auf 2,79 im WJ 2019/2020. Die steigenden Leistungen boten den guten Betrieben die Möglichkeit, einen Teil der höheren Produktionskosten abzufangen.
Teure Ferkelnarkose
Dieser Puffer schwindet allerdings, weil die jährlichen Leistungszuwächse nicht mehr so hoch ausfallen bzw. in der Debatte um mehr Tierwohl in den Ställen auch kritisch hinterfragt werden. Gleichzeitig müssen sich die Betriebe mit Kostenpositionen auseinandersetzen, die durch neue Haltungsanforderungen und gesetzliche Vorgaben enstanden sind oder noch entstehen werden.
Zu den neuen kostenrelevanten Gesetzen zählt das seit dem 1.1.2021 geltende Verbot der betäubungslosen Ferkelkastration. Längst nicht jeder Schlachthof nimmt immunokastrierte Tiere auf und auch die Nachfrage nach Jungebern stagniert auf überschaubarem Niveau. Es werden also weiterhin rund 60 bis 70% der Ferkel kastriert und diese müssen nun vorher eine Injektions- oder Inhalationsnarkose erhalten.
Die Kosten für die Kastration unter Narkose schwanken zwischen den Verfahren und den Betrieben deutlich. Im Schnitt liegen sie unter Berücksichtigung der zusätzlichen Arbeitszeit bei rund 3 bis 4 € je Tier. Bei einem ausgeglichenen Geschlechterverhältnis haben sich die Produktionskosten um rund 1 bis 1,40 € pro vermarktetem Ferkel verteuert.
Investition Bewegungsbucht
Auf das Kastrationsverbot folgte Anfang Februar die richtungsweisende Verabschiedung der neuen Tierschutz-Nutztierhaltungs-Verordnung. Sie ist geprägt von einigen spezifischen Vorgaben für die Sauenhaltung, wie die Gruppenhaltung im Deckzentrum, Bewegungsbuchten im Abferkelbereich und größere Liegeflächen für Saugferkel. Die neuen Haltungsauflagen müssen zwar erst nach mehrjährigen Übergangsfristen umgesetzt werden. Dadurch werden die Herausforderungen für die Betriebe aber nicht kleiner.
Neben einigen genehmigungsrechtlichen Schwierigkeiten beim Um- bzw. Neubau der Stallungen sticht hier vor allem die höhere Arbeitsbelastung heraus. Deshalb hat ein deutschlandweites Expertengremium für die Etablierung eines neuen gesamtbetrieblichen Haltungskonzeptes Mehrkosten zwischen 10 und 15 € je Ferkel errechnet. Und auch hier gilt zu berücksichtigen, dass die einzelbetrieblichen Schwankungen beträchtlich sein werden.
Mast: bis zu 3 € Mehrkosten
Deutlich kürzer befristet und vor allem für alle Produktionsbereiche greifend wurden auch die Auflagen zum Einsatz von organischem Beschäftigungsmaterial, dem Tier-Fressplatz-Verhältnis, die Aggressionsverminderung und die Richtwerte bezüglich Licht und Schadgase angepasst.
So müssen bereits seit dem 1.8.2021 alle Tiere jederzeit Zugang zu organischem Beschäftigungsmaterial haben. Neben Heu und Stroh können auch Pellets, Knabberstangen, Seile oder Weichholz eingesetzt werden. Bewährte Beschäftigungsmaterialien, wie z.B. Spielketten und Beißringe, können im Stall verbleiben, werden aber nicht mehr als solche anerkannt.
Die Bereitstellung von organischem Beschäftigungsmaterial wird in den Betrieben sehr unterschiedlich umgesetzt. Von der vollautomatischen Raufuttervorlage direkt auf die Liegefläche bis hin zu Ketten mit Weichhölzern ist alles dabei. Entsprechend groß ist auch die Varianz in den resultierenden Kosten. Es ist aber anzunehmen, dass sich für die gesamte Produktionskette von der Ferkelerzeugung bis zur Mast zusätzliche Kosten zwischen 2 und 5 € je verkaufsfähigem Schlachtschwein auftun.
Hohe Güllekosten
Der Kostenaufwand für die anderen Maßnahmen ist ebenfalls schwer pauschal zu veranschlagen. Hat der Betrieb vielleicht schon früher in Klima- und Lichttechnik investiert? Sind bereits genügend Futterautomaten oder eine Quertrog-Fütterung installiert? Losgelöst von diesen betriebsindividuellen Gegebenheiten und Extremfällen müssen schätzungsweise zwischen 1 und 3 € pro verkaufsfertigem Mastschwein für die Erfüllung der verschärften Haltungs-VO aufgewendet werden.
Nicht nur im Stall, sondern auch bei der Verwertung der anfallenden Gülle müssen sich die Tierhalter mit neuen Kostenstrukturen auseinandersetzen. Bereits im Frühjahr 2020 wurde die Novellierung der Düngeverordnung politisch beschlossen. Die Auswirkungen auf die Betriebe sind dabei sehr vielschichtig.
Die in den roten Gebieten wirtschaftenden Betriebe sind am stärksten betroffen. Neben sinkenden Erträgen aufgrund einer eingeschränkten Düngung und daraus resultierenden höheren Futterzukaufkosten müssen sie für zusätzliche Güllemengen Absatzwege finden. Speziell in den Hochveredlungsregionen im Nordwesten Deutschlands können schnell Mehrkosten von 2 bis 4 € je verkaufsfertigem Mastschwein entstehen, zumal der letzte abzugebende Kubikmeter Gülle immer am teuersten verbracht werden muss.
Allerdings sorgen die aktuell spürbar sinkenden Tierbestände für Entlastung. Und in Regionen, die durch die neuen Düngevorgaben ackerbaulich weniger stark eingeschränkt werden, könnte sich daraus eine verstärkte Nachfrage nach organischen Dünger ergeben.
Teure Emmissionsminderung
Gerade erst verabschiedet worden ist die Neufassung der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft). Als einer der größten Ammoniakemmitenten ist die Landwirtschaft unmittelbar betroffen. Das bezieht sich insbesondere auf die Betriebe, die sich mit ihren Tierbeständen oberhalb der Grenzen des Bundesimissionsschutzgesetzes (BImSchG) bewegen. In der Schweinehaltung sind das Anlagen mit mehr als 1500 Mastschweinen oder 560 Sauen.
Das Ziel einer verminderten Emmission von Ammoniak soll in diesen Betrieben durch Abluftwäscher, Güllekühlung, Gülleansäuerung oder die schnelle Trennung von Kot und Harn erreicht werden. Auch hier führen die Vorgaben zu deutlich höheren Kosten.
Unterliegen sowohl die Ferkelerzeugung als auch die Mast diesen Auflagen, können je nach Verfahren und notwendiger Minderungsanforderung Kosten zwischen 4 und 20 € je vermarktetem Mastschwein anfallen. Für einige Betriebe wird daher die Reduzierung des Bestandes auf Größen unterhalb der BImSch- Grenzen die „wirtschaftlichere“ Variante darstellen.
Kupierverzicht in der Schwebe
Ein Aspekt der Schweinehaltung, der bislang nicht ordnungsrechtlich vollständig durchgesetzt ist, ist das Verbot des Schwänzekupierens. Die derzeitigen Regelungen erlauben das teilweise Kürzen der Schwänze, wenn die Betriebe entsprechende Nachweise über die Tierärzte erbringen können. Diese Regelungen stehen aber im kommenden Jahr auf EU-Ebene auf dem Prüfstand. Eine Verschärfung der Regelung bzw. das vollständige Verbot würde die Schweinehalter vor große Herausforderungen stellen. Einzelbetriebliche Erfolge in der Haltung von Langschwanzschweinen lassen sich bislang auch wissenschaftlich nicht in die Breite tragen.
Klar ist aber schon, dass die Haltung von unkupierten Schweinen in der gesamten Kette zusätzliche Kosten für Betreuung, Platz, Ablenkung und Spielmaterial verursachen wird. Hierbei stehen einzelbetrieblich Kosten zwischen 10 und 25 € pro verkaufsfertigem Mastschwein im Raum.