Schweine wollen beschäftigt sein – aber womit am besten? In Wahlversuchen wurden neue, innovative Spielgeräte getestet.
Prof. Steffen Hoy und Anika Strom, Universität Gießen
Im Aktionsplan Kupierverzicht ist ein Maßnahmen-Katalog zur Senkung des Schwanzbeiß-Risikos enthalten. Dieser umfasst auch das Angebot verschiedener Beschäftigungsmöglichkeiten.
Um die Schweine möglichst vom gegenseitigen Schwanzbeißen abzuhalten, werden innovative Spielzeuge benötigt. Die Herausforderung besteht darin, dass diese für Schweine interessant, aber zugleich auch robust, preisgünstig und wartungsarm sind.
Spielen per Video erfasst
In der Schweinezuchtanlage der Universität Gießen wurden neu entwickelte Beschäftigungsgeräte geprüft. Die Untersuchungen fanden im Aufzuchtbereich statt. Dort werden meist zwölf Tiere in einer Gruppe auf Kunststoffrosten gehalten und mit einer Spotmix-Fütterung versorgt. Wasser steht über Nippeltränken zur Verfügung.
Die Untersuchungen wurden an mit vier Wochen abgesetzten Ferkeln mit kupierten Schwänzen durchgeführt. Während der ersten Lebenswoche wurde das letzte Drittel des Schwanzes abgetrennt. Schwanzbeißen mit Schäden am Schwanz wurde nicht beobachtet.
In den Buchten sind routinemäßig zur Beschäftigung einfache Ketten sowie Wippen mit daran befestigten Ketten und Holzstücken vorhanden.
Zusätzlich wurden folgende neue Spielzeuge getestet:
- Spiegel und Spiegelspielzeug,
- Pelletfeeder (Trommelfeeder),
- Leckball in zwei Größen,
- unterschiedlich große Klangscheiben.
Der Pelletfeeder wird manuell mit Pellets oder Maiskörnern gefüllt. Das Wasser im Leckball kann z.B. mit einer Gießkanne nachgefüllt werden. Die Klangscheiben werden durch einen Metallbolzen über einen Kettenzug angeschlagen.
Das Verhalten der Ferkel wurde anhand von Videoaufnahmen in drei Durchgängen über die gesamte Aufzucht in drei Buchten analysiert. Insgesamt wurden 108 Ferkel analysiert; es wurden 180 Stunden mit fast 1200 Beobachtungswerten ausgewertet.
Welches Spielgerät ist beliebt?
Anhand der Ergebnisse konnte eine Beliebtheitsskala der attraktivsten Spielzeuge aufgestellt werden (s. Übersicht 1). Dabei ließ sich eine deutliche Abstufung erkennen:
- Am wenigsten beliebt waren die routinemäßig in der Bucht vorhandenen Spielzeuge (Ketten mit Holzstück). Nur 4,2-mal pro halbe Stunde wurden sie genutzt.
- Mittelgradig attraktiv waren die Klangscheiben (5,2-mal/30 min) sowie die Spiegelfolie (6,7-mal/30 min) und das Spiegelspielzeug (7,2-mal/30 min).
- Das Spiegelspielzeug wurde häufiger als die auf die Buchtenwand geklebte Folie genutzt. Der frei schwingende Spiegel besitzt auf beiden Seiten einen Griff, sodass die Ferkel zubeißen und mit dem Spiegelbild „kämpfen“ können.
- Mit signifikantem Abstand am attraktivsten waren jedoch der Pelletfeeder und der Leckball. Hier wurden Werte von 13,5 bzw. 11,4 Spielaktionen je halbe Stunde erreicht.
Ferkel lernen schnell
Beim Pelletfeeder werden erst ab einer bestimmten seitlichen Stellung der Trommel einzelne Pellets ausdosiert. Die Ferkel lernen schnell, das Gerät zu bedienen. Sie müssen allerdings „arbeiten“, um kleine Mengen an Pellets zu erhalten.
Beim Leckball schwimmt eine Gummikugel in Wasser. Durch Antippen dreht sich die Kugel und die Oberfläche wird mit Wasser benetzt. Das motiviert die Ferkel sehr stark, sich damit zu beschäftigen. Außerdem müssen die Tiere nicht erst lernen, wie der Leckball funktioniert. Das erklärt die hohe Nutzung dieses Gerätes.
Nachmittags aktiver
Die Verhaltensauswertungen fanden an je zwei Stunden am Vormittag (6.00 bis 8.00 Uhr) und an zwei Stunden am Nachmittag (13.30 bis 15.30 Uhr) statt. Es ist bekannt, dass die größte Aktivität von Schweinen am Nachmittag auftritt – daher wurde die Beobachtungszeit so ausgewählt.
Auch in der vorliegenden Untersuchung war die mittlere Zahl an Spielzeugnutzungen pro halbe Stunde über alle Spielzeuge hinweg nachmittags mit 11,1-mal mehr als dreimal so hoch wie am Vormittag. Hier wurden im Schnitt 3,4 Spielaktionen registriert.
Der Pelletfeeder wurde nachmittags 20,7-mal, vormittags 6,3-mal genutzt. Beim Leckball war der Unterschied zugunsten der Aktivität in den Nachmittagsstunden ähnlich deutlich.
Auch beim unmittelbaren Vergleich der Spielzeuge in der jeweiligen Bucht zeigten sich die genannten Unterschiede – und zwar in beiden Durchgängen. In allen drei Buchten waren die dort routinemäßig vorhandenen Ketten mit Holzstück am wenigsten attraktiv. Wiederum zeigte sich auch bei dieser Auswertung die große Beliebtheit von Pelletfeeder und Leckball. Die Spiegel und die Klangscheiben ordneten sich wiederum in der Mitte der Beliebtheit ein. Die Ergebnisse waren in den einzelnen Haltungsdurchgängen sehr ähnlich.
Nutzung nimmt ab
Die Attraktivität der Spielzeuge ging mit zunehmender Haltungsdauer zurück (s. Übersicht 2). Besonders beliebt waren Pelletfeeder und Leckball zu Beginn der Aufzucht. Die Ferkel beschäftigten sich sehr häufig (26,5- bzw. 22,7-mal/30 min) in der ersten Woche nach dem Absetzen mit diesem Angebot. Bei allen drei Spielzeugen, und damit auch bei den in der Bucht vorhandenen Ketten, sank in der zweiten Haltungswoche die Nutzungshäufigkeit, ohne dass ein Grund dafür erkennbar gewesen wäre.
Nach einem leichten Anstieg in der dritten Woche verminderte sich zum Ende der Aufzucht hin die Häufigkeit der Beschäftigung mit den drei ausgewählten Spielzeugen. Der Pelletfeeder wurde dabei jeweils mehr als doppelt so häufig wie die Ketten in der Bucht zur Beschäftigung genutzt. Bei den übrigen Spielzeugen wurde derselbe Verlauf der Nutzung während der Aufzucht festgestellt.
Spielzeug wechseln
Bleibt festzuhalten: Spielzeuge, die das Bedürfnis der Ferkel nach Futter oder Wasser befriedigen, sind am attraktivsten. Die bislang in vielen Betrieben eingesetzten Ketten mit Holzstück werden im Vergleich dazu deutlich weniger von den Tieren genutzt.
Dies gilt für den Aufzuchtbereich, wo die Tiere bekanntermaßen ein ausgeprägtes Spielverhalten zeigen. Doch auch bei älteren Schweinen ist für Abwechselung zu sorgen. Pelletfeeder und Leckball können grundsätzlich in einer größeren Version auch für Mastschweine und Sauen interessant sein.
Es ist allerdings bekannt, dass die Attraktivität von Ketten – auch ohne Holzstück – durch das Anbieten eines Kettenkreuzes erhöht werden kann.
Solange keine neuen und innovativen Spielzeuge auf dem Markt erhältlich sind, kann ein regelmäßiger Wechsel der vorhandenen Beschäftigungsmöglichkeiten alle vier bis sieben Tage helfen, die Attraktivität zu erhöhen und die Tiere vom Schwanzbeißen abzulenken.