Ob der Umbau zum Tierwohlstall gelingt, hängt stark vom Immissionsschutz ab. Planungsbeispiele zeigen die Probleme und den politischen Handlungsbedarf auf.
Heike Donhauser, IBE-Ingenieurbüro Dr. Eckhof GmbH, Ahrensfelde
Die Politik will mehr Tierschutz in den Ställen. Bereits ab Stufe 2 des Tierwohlkennzeichens ist auch Außenklima gefordert. Hierzu muss der Stall geöffnet werden und benötigt oft ein neues Lüftungssystem. Je nach Ausgangslage führt dieser Umbau zur immissionsschutzrechlichen Überprüfung der Baumaßnahme.
Beispiel mit 3000 Mastplätzen
Welche Probleme daraus entstehen können, zeigt ein Beispiel mit einem 3000er- Mastbetrieb. Der Mäster arbeitet konventionell mit Vollspaltenboden, Zwangslüftung und 0,75 m2 Platz je Tier. Es handelt sich um eine sogenannte gewerbliche Anlage, für die weniger als 50% des benötigten Futters selbst erzeugt werden kann. Immissionsschutzrechtlich unterliegt der Stall der BImSchG-Pflicht.
Östlich des Stalles erstreckt sich eine Wohnbebauung. Sie umfasst ein Dorfgebiet in 100 m und ein Wohngebiet in 200 m Abstand. Zudem liegt ein schützenswertes Biotop 100 m südwestlich des Stalles. Nördlich grenzt ein Wald an. Zu berücksichtigen ist weiter ein 2 km westlich gelegenes FFH-Gebiet.
Um den Stall betreiben zu dürfen, ist eine sogenannte Abluftfahnenüberhöhung hinterlegt. Der Stall ist deshalb mit hohen Abluftkaminen (10 m über Erdboden und 3 m über First) und leistungsfähigen Ventilatoren ausgestattet. Sie gewährleisten eine Abluftgeschwindigkeit von mindestens 7 m pro Sekunde. Die Abluftfahnenüberhöhung ermöglicht vor allem die deutliche Reduzierung der Geruchsbelastung im näheren Umfeld.
Insgesamt handelt es sich um typische Standortbedingungen in Brandenburg, wo die größeren Stallanlagen oft in Dorfnähe entstanden sind.
Für den Betrieb bestehen in der Ausgangslage keine genehmigungsrechtlichen Probleme. Durch die Lüftung mit Abluftfahnenüberhöhung wird die zulässige Geruchsstundenhäufigkeit von 15% für das Dorf und 10% für das Wohngebiet knapp eingehalten (Übersicht 1). Zudem besteht Bestandsschutz.
Umbau zum TierwohlStall
Die Situation ändert sich grundlegend, sobald die Anlage zum Tierwohlstall um- gebaut werden soll. Variante 1 zeigt den Einstieg in Stufe 2 des Tierwohlkennzeichens bei konstanter Tierzahl. Um das größere Platzangebot von 1,1 m2 je Tier zu ermöglichen, soll die Stallfläche von 3000 auf 4400 m2 steigen.
So entstehen Probleme beim Immissionsschutz. Denn Haltungsstufe 2 setzt Außenklima voraus. Der Stall wird an den Längsseiten großflächig geöffnet und wechselt zur freien Lüftung. Mit dem Wegfall der Zwangslüftung entfällt die Abluftfahnenüberhöhung. Das erhöht die Geruchsbelastung im Nahbereich.
Im Dorf steigt die Geruchsstundenhäufigkeit um 7 auf 22%. Der zulässige Höchstwert von 15% wird überschritten (Übersicht 2). Im Wohngebiet steigt die Geruchsstundenhäufigkeit um 4 auf 14%. Dort liegt der Grenzwert bei 10%.
Bei konventionellen Bauvorhaben würde die Behörde einen Abluftfilter vorschlagen. Dieser ist im Offenstall aber nicht einsetzbar. Die Geruchsbelastung wird zum K.-o.-Kriterium für den Tierwohlstall (Übersicht 3, Seite 22).
Kaum besser sieht es beim Ammoniak aus. Zwar soll der Offenstall für das Mikroklima isolierte Liegekisten erhalten, was in Brandenburg ein Drittel Abschlag beim Ammoniakanfall zulässt. Trotzdem steigt die Stickstoffdeposition in den Wald bzw. in das geschützte Biotop durch den Offenstall um ein Vielfaches! Die ökologischen Belastbarkeitsgrenzen von 30 bzw. 20 kg N/ha und Jahr werden stark überschritten.
Theoretisch könnte der Bauherr dieses Problem mit Ausgleichsmaßnahmen wie einer Aufforstung auffangen. Doch dies ist sehr teuer. Zudem ist bei Ausgleichsmaßnahmen der Artenschutz zu beachten. Es müssen u.U. anerkannte Naturschutzvereinigungen beteiligt werden.
Klar ist auch, dass der Betrieb aufgrund der massiven Erhöhung der Immissionen ein neues BImSch-Verfahren durchlaufen muss. Unterm Strich ist Haltungsstufe 2 für den Betrieb bei konstanter Tierzahl nicht genehmigungsfähig.
Abstockung als Notlösung?
In Variante 2 kommt daher eine Bestandsabstockung ins Gespräch. Für die Planung sinkt die Tierzahl von 3000 auf 2045 Mastplätze. So soll das in Tierwohlstufe 2 geforderte erhöhte Platzangebot von 1,1 m2 je Tier im vorhandenen Gebäude umgesetzt werden. Da die Variante 2 keine bauliche Erweiterung erfordert, sind Konflikte mit dem Bauplanungsrecht auszuschließen. Auch bei den Immissionswerten führt die verminderte Tierzahl zu einer Entspannung. Allerdings bewirkt die Abstockung um gut 30% nicht, dass die Immissionen in ähnlicher Größe sinken.
Beim Dorfgebiet fällt die Geruchsstundenhäufigkeit mit 20% nur 2% niedriger aus als in Variante 1 ohne Abstockung. Auch beim Wohngebiet geht die Geruchsstundenhäufigkeit im Vergleich zur Variante 1 nur von 14 auf 13% zurück.
Bei diesen Werten besteht zumindest eine kleine Chance für die Genehmigung. Sie setzt aber voraus, dass die Behörde Zwischenwerte von bis zu 15 bzw. 20% bei den Geruchsstunden akzeptiert.
Selbst wenn der Ermessensspielraum beim Geruch zugunsten des Bauherrn genutzt wird, ist die Kuh nicht vom Eis. Denn bei der N-Deposition werden die Grenzwerte für den Wald und das geschützte Biotop überschritten.
Auslauf erhöht Emissionen
Noch schwieriger wird der Umstieg auf Haltungsstufe 3. Denn hier ist neben der Verdoppelung des Platzangebotes auch ein Auslauf gefordert. In Variante 3 plant der Betrieb konstante Tierzahlen. Der Stall wird 50% vergrößert. Zudem erhält jedes Tier 0,5 m2 Platz im überdachten Auslauf. Alle Stallzonen sind frei belüftet.
Mit dem Auslauf steigen die Emissionen stärker als im Offenstall. Denn beim Geruch sind in Brandenburg für den Auslauf 20% Zuschlag anzusetzen. Die Geruchsgrenzen für das Wohngebiet und das Dorf werden überschritten.
Auch die N-Deposition behindert die Genehmigung von Variante 3. Denn für den Auslauf ist in Brandenburg ein Zuschlag von 30% bei den N-Emissionen vorgegeben. Die ökologischen Belastbarkeitsgrenzen des Waldes und des ge- schützten Biotops werden überschritten.
In Variante 4 kommt für den Schritt zu Haltungsstufe 3 auch die Bestandsabstockung auf 2250 Mastplätze auf den Prüfstand. So kann der Betrieb auf die Stallerweiterung verzichten. Der zusätzliche Platz wird im Auslauf bereitgestellt.
Doch selbst mit der 25%-Abstockung ist der Umbau nicht genehmigungsfähig. Zu hohe Geruchsbelastungen für die Wohnbebauung sowie die in den vorherigen Varianten beschriebenen Probleme mit der N-Deposition sprechen dagegen.
Kombilüftung entlastet
In der Variante 5 versucht der Mäster daher, die Zwangslüftung im Stallgebäude in Stufe 3 zu erhalten. Hierzu wird der Auslauf mit einer Größe von 0,5 m2 je Tier durch selbstschließende Türen vom Innenraum getrennt. Der zwangsbelüftete Innenraum wird um ein Drittel vergrößert, sodass der Stall weiter 3000 Plätze bietet. Die in den anderen Varianten genutzten Liegekisten entfallen, da der Innenraum vollklimatisiert ist.
Der Vorteil dieser Umbauvariante mit zwei getrennten Klimazonen ist, dass die Abluft aus dem Innenraum weiter kontrolliert abgeführt werden kann und die Abluftfahnenüberhöhung für diesen Bereich erhalten bleiben kann.
Hinsichtlich des Geruchs schneidet diese Umbauvariante daher günstiger ab als die zuvor geschilderten Wege zur Haltungsstufe 3. Mit einer Geruchsstundenhäufigkeit von 19% im Dorfgebiet und 13% im Wohngebiet überschreitet die Anlage die Grenzwerte, könnte aber u.U. genehmigungsfähig sein, sofern die Behörde Zwischenwerte akzeptiert.
Jedoch bleibt die Stickstoffdeposition in der Variante 5 so hoch, dass die Grenzwerte für den Wald und das geschützte Biotop überschritten werden. Auch für das 2 km enfernte FFH-Gebiet ist die N-Deposition zu hoch. Die Genehmigung dieses Tierwohlstalls ist blockiert.