Tod durch Blähungen ist oft auf das Enterohämorrhagische Syndrom (EHS) zurückzuführen. Wie komplex die Ursachenforschung sein kann, zeigt ein Beispiel.
Dr. Jörg Tenhündfeld, Tierarzt aus Vreden
Das Enterohämorrhagische Syndrom (EHS), landläufig auch als „Molkesyndrom“ bekannt, führt meist ohne Vorankündigung und klinischen Symptomen zu Todesfällen. Vornehmlich trifft es gesunde und gut entwickelte Mastschweine, seltener Sauen. In den meisten Fällen sind nur einzelne bzw. wenige Tiere betroffen.
Werden die erkrankten Schweine noch lebend vorgefunden, weisen sie Krämpfe und tonnenförmig aufgetriebene Bäuche auf. Mitunter zeigen sich bei sehr blasser Hautfarbe blutiger Durchfall und Erbrechen. Einige Tiere wälzen sich vor Schmerz, bei anderen sind vor dem Festliegen Bewegungsstörungen mit Untertemperatur zu beobachten. Eine Behandlung mit dem Ziel der Rettung dieser Tiere ist aussichtslos.
Hofmischer verzweifelt
Meist wird EHS mit Nebenprodukten und Flüssigfutter in Verbindung gebracht. Die multifaktorielle Erkrankung kann aber auch bei getreidebasierter Trockenfütterung ohne Nebenprodukte zu beträchtlichen Ausfällen führen, wie ein Praxisfall zeigt.
Familie Brandt (Name geändert) bewirtschaftet einen Kombibetrieb mit 140 Sauen, Vollspalten und Trockenfütterung. Als Hofmischer setzt der Betrieb eigenes Getreide und CCM ein. Die Multiphasenfütterung erfolgte über einen Chargenmischer und Breiautomaten. Die Tiere waren in 16er-Buchten untergebracht. Jedes Schwein hatte 0,8 m2 Platz. Für je zwei Buchten stand ein Breiautomat zur Verfügung.
Trotz der guten Tiergesundheit waren über mehrere Monate unbefriedigende biologische Leistungen in der Mast zu beklagen. Um bessere Zunahmen und einen höheren Fleischansatz zu erreichen, wechselten Vater und Sohn Brandt das Futter. Die gesteckten Ziele wurden binnen weniger Wochen erreicht.
Jedoch traten vereinzelt plötzliche Todesfälle gut entwickelter Tiere auf. Anfangs war die Gesamtverlustrate in den Gruppen mit 2 bis 3% noch unauffällig. Im weiteren Verlauf kam es aber sukzessive zu einem weiteren Anstieg der Verluste. Daraufhin holten sich die Betriebsleiter tierärztlichen Rat ein.
Die durchgeführten Sektionen kamen immer zum gleichen Ergebnis: EHS. Andere ursächliche Erkrankungen konnten ausgeschlossen werden. Eine mikrobiologische Untersuchung der Futterkomponenten sowie des Tränkewassers aus eigenem Brunnen verliefen ohne nennenswerte Erkenntnisse.
Um die Stabilität des CCM im Silo zu verbessern, wurde im ersten Schritt die Anschnittfläche der Maissilage nach Entnahme mit Propionsäure konserviert. Zudem wurde von ein- auf zweimal tägliche Beschickung der Annahme umgestellt. Weiter wurde der Rohfasergehalt der Gesamtration über höhere Gerstenanteile von 4,0 auf 4,8% angehoben. Gleichzeitig setzten die Hofmischer dem Futter 10 kg Kaliumdiformiat je Tonne zu.
Die EHS-Fälle konnten jedoch auch nach zwei Wochen Beobachtung nicht reduziert werden. Daraufhin wurde zur Stabilisierung des Darmes täglich etwas Maissilage verfüttert. Auch das half nicht, weshalb Corn-Cob-Mix (CCM) aus der Ration genommen und durch Weizen und Triticale ersetzt wurde. Nach dem Ausbleiben einer durchgreifenden Besserung entschied man sich, komplett auf Fertigfutter umzustellen. Doch das Bestandsproblem mit den Totalverlusten von bis zu 5% blieb unverändert.
Obwohl die Tiere bei der Futteraufnahme und automatischen Befüllung der Breiautomaten keinerlei Rangkämpfen ausgesetzt waren, erhöhte der Betrieb die Füllstandsabfrage von fünf- auf achtmal täglich. Abermals blieb ein positiver Einfluss aus.
Futterzusatz brachte Erfolg
Eine Besonderheit im Betrieb war die Eigenwasserversorgung. Diese wurde aus einem in drei Meter Tiefe unterhalb des neuen Maststalls verlegten Drainagerohrs mit Filterummantelung gespeist. Der extrem trockene Sommer 2018 ließ die Frage aufkommen, ob eine Kontamination aus der Oberfläche oder gar eine Leckage des Güllekellers zu einem Keimeintrag ins Tränkewasser führten.
Nach eingehender Prüfung stand fest: Die Schweine hatten jederzeit Zugang zu ausreichend Wasser. Und es gab keine Qualitätsprobleme; die Tränkewasseruntersuchung verlief erneut unauffällig. Auch gab es keine Hinweise auf eine Leckage. Dennoch entschied man sich, den Maststall an das kommunale Wassernetz anzubinden. Auch war makroskopisch so gut wie kein Biofilm in den Wasserleitungen erkennbar. Trotzdem wurden diese zunächst physikalisch mit Druckluft-Impulstechnik, dann fortlaufend mit Chlordioxid-Zusatz gereinigt.
Nach weiteren Wochen mit immer wieder auftretenden EHS-Fällen wurden dem Futter zwei Handelsprodukte auf Basis von Seealgenmehl, Yucca-Extrakt, ätherischen Ölen und Kaolinit beigemischt. Mit dem Futterzusatz sollen unter anderem Endotoxine im Darm gezielt gebunden und aus dem Tier abgeführt werden, bevor sie Schaden anrichten können. Diese Maßnahme gewährleistete nach etwa einer Woche einen dauerhaften und belastbaren Erfolg. Die Tierverluste sanken auf 1 bis 1,5%, und EHS-Fälle traten seitdem nicht mehr auf.