In einem Sauenbetrieb mit Eigenremontierung zeigten nur noch 60% der Jungsauen Brunstsymptome. Die Ursachenforschung nahm Jahre im Anspruch.
Telma Vieira Tucci, Veterinärmedizinerin
Der betroffene italienische Betrieb mit 550 Sauen im teilgeschlossenen System bietet vom Gesundheitsmanagement Licht und Schatten. Auf der einen Seite werden die Sauen wegen der höheren Biosicherheit der eigenen Basiszucht herangezogen. Diese wird zweimal im Jahr mit 60 bzw. 80 kg Zuchtläufern bestückt, um den züchterischen Fortschritt zu gewährleisten. Damit es über diesen Weg nicht zu einem Krankheitseintrag kommt, durchlaufen die Tiere vor der Eingliederung in den Bestand eine 80-tägige Quarantäne in einem separaten Stall.
Auf der anderen Seite gilt der Betrieb trotz dieser Vorsichtsmaßnahmen als positiv auf PRRS, Mykoplasma, APP, Influenza und Lawsonia. Dies ist mitunter auf die Gebäudesubstanz der in den 70er-Jahren gebauten Anlage und die Nähe zu anderen Schweinebetrieben zurückzuführen. Dennoch erzielte der Betrieb vor allem in der Ferkelerzeugung gute biologische Leistungen.
Massive Brunstprobleme
Das änderte sich allerdings, als es zu massiven Problemen bei der Eingliederung der selbst erzeugten Jungsauen kam. Die Zuchttiere werden getrennt von den Masttieren aufgezogen. Sobald sie mit einem Alter von circa acht Monaten und einem Gewicht von rund 150 kg die Belegreife erreichen, erfolgt die Umstallung ins Deckzentrum. Dort werden die Tiere nach der ersten beobachteten Rausche mit einem Altrenogest-Präparat synchronisiert und in eine Sauengruppe integriert.
Nach dieser Vorgehensweise und dem Einsatz von Stimulationsebern sind normalerweise 85 bis 90% der Jungsauen in die Brunst gekommen. Mitte/Ende 2017 bemerkte das Stallpersonal, dass sukzessive immer weniger Jungsauen in die Brunst kamen bzw. einen eindeutigen Stehreflex zeigten. Zu diesem Zeitpunkt lag der Wechsel der Herkunft der Basiszuchttiere rund ein Jahr zurück und die ersten weiblichen Nachkommen der neuen Zuchtlinie erreichten die Belegreife.
Der Einbruch der Belegquote fiel so drastisch aus, dass nur noch 50 bis 60% der Jungsauen gedeckt werden konnten. Um die Gruppengrößen für den Drei-Wochen-Produktionsrhythmus zu halten, wurden immer mehr Tiere für die Eingliederung synchronisiert. Dadurch kam es zu Überbelegungen im Deckzentrum und einem deutlich gestiegenen Arbeitsaufwand bei der Integration. Die Produktionskosten erhöhten sich spürbar. Erstaunlich war, dass sowohl bei den adulten Sauen als auch den Jungsauen aus der Basiszucht keine größeren Brunstprobleme festgestellt wurden.
Erfolglose Maßnahmen
Auf der Suche nach den Ursachen wurde in den zur Belegung aufgestallten Jungsauengruppen eine Infektion mit dem PRRS-Virus nachgewiesen. Dass in dieser Phase ein Virusnachweis im Blut erbracht wurde, war insofern überraschend, da in der Vergangenheit alle trächtigen Jungsauen mittels PCR-Analyse negativ getestet wurden.
Als Versuch, die Viruszirkulation speziell während der Brunst zu stoppen, wurden die Jungsauen zur Ausbildung einer besseren Immunität bis zum Alter von 140 Tagen mit den Mastferkeln in denselben Buchten aufgezogen. Vorher wurden sie nach dem Absetzen getrennt. Nach einigen Monaten ohne nennenswerte Erfolge im Bezug auf die Brunstgeschehen der Jungsauen wurde diese Strategie allerdings nicht weiter verfolgt und die Aufzucht wieder aufgesplittet.
Ende 2017 wurde eine Analyse zum Nachweis von Mykotoxinen im selbstgemischten Futter durchgeführt, die einen hohen Deoxynivalenolgehalt aufdeckte. Außerdem wurde festgestellt, dass das Silo, das zur Fütterung der Jungsauen verwendet wurde, seit Jahren nicht gereinigt worden war. Nachdem dies nachgeholt wurde, erfolgte die Umstellung auf Zukauffutter, um eine entsprechende Zusammensetzung und Komponentenqualität sicherzustellen.
Aus technischen Gründen werden die Jungsauen im Deckzentrum mit dem Futtter für die tragenden Sauen versorgt. Deshalb versuchte man durch eine Flushing-Fütterung in den fünf Tagen vor der Besamung die Futteraufnahme zu steigern und so dem Nährstoff- und Energiebedarf der Tiere in dieser Zeit besser gerecht zu werden. Zudem erhielten die Jungsauen in den vier Tagen nach Beendigung der Altrenogest-Behandlung täglich 200 g Dextrose als Topping.
Weil auch diese Maßnahmen keine Verbesserung brachten, fragten sich Betriebsleiter und betreuender Tierarzt, ob die Jungsauen überhaupt einen Brunstzyklus durchlaufen oder azyklisches Verhalten zeigen. Aus diesem Grund wurden mithilfe von Ultraschallgeräten 100 Jungsauen, die keine Brunstzeichen erkennen ließen und zu drei verschiedenen Partien gehörten, untersucht. Ergebnis: Die Jungsauen haben einen normalen Brunstzyklus.
Der Betrieb kämpfte bereits seit Langem damit, dass viele Jungsauen zwar in die Brunst kamen, aber keine Rauschesymptome zeigten, als die Betreuer eine wichtige Beobachtung machten. Die Jungsauen, die zur Altrenogest-Behandlung aufgestallt wurden, litten auffällig oft unter einer eitrigen Konjunktivitis. Verantwortllich für eine solch akute Entzündung der Augenbindehaut können neben äußerlichen Irritationen auch virale oder bakterielle Erreger sein.
Hinweis auf Chlamydien
Unter Tieren zählt eine Infektion mit Chlamydien zu den bekanntesten Erkrankungen, die solch eine Symptomatik zeigen und sie ist speziell unter Wildvögeln weit verbreitet. Selbst latent erkrankte Vögel scheiden die Erreger monatelang über Kot bzw. Nasensekrete aus und durch kontaminierten Staub ist eine Übertragung auf andere Vögel, Tierarten und den Menschen schnell geschaffen.
Aufgrund der vielen Tauben auf dem Betriebsgelände und der offenen Bauweise der Ställe wurden mit Wattestäbchen Augenabstriche genommen und auf Chlamydien getestet. Und tatsächlich: Die Abstriche waren allesamt positiv.
Medikamentöse Behandlung
Als erste Behandlungsmaßnahme wurden alle Sauen, einschließlich der trächtigen Tiere im Wartestall, zehn Tage lang über das Futter mit Chlortetracyclin behandelt. Außerdem ging der Betrieb dazu über, die Jungsauenbuchten in der Aufzucht nach jedem Durchgang gründlich zu reinigen und im Deckstall ausschließlich speziell geschultes Personal einzusetzen.
Zur Ernüchterung aller Beteiligten änderte sich auch danach die Anöstrussituation nicht. Daher entschloss sich der Betrieb im vergangenen Jahr dazu, sich nochmals intensiv der Chlamydien-Problematik zu widmen. So wurden von den Jungsauen, die kein Brunstverhalten zeigten, umrauschten oder einen Abort erlitten, ein Vaginalabstrich und eine Urinprobe genommen.
Während der Urin ohne Nachweis war, bestätigte die PCR-Analyse der Vaginalabstriche die Chlamydieninfektion. Weiterführende Untersuchungen führten dann zur Identifizierung von Chlamydia suis. Das war insofern überraschend, da dieser Chlamydienstamm normalerweise nicht durch Tauben übertragen wird.
Der betreuende Bestandstierarzt setzte auf eine längerfristige therapeutische Behandlung, da dieser Erreger intrazellulär auftritt und mit Antibiotika nur schwer zu bekämpfen ist. Alle besamten und unbesamten Sauen bzw. Jungsauen erhielten zunächst 30 Tage lang über das Futter Chlortetracyclin. Nach einer Pause von 30 Tagen wurde die Behandlung wiederholt.
Parallel dazu wurde allen Jungsauen, die ins Deckzentrum verlegt wurden, wöchentlich ein langzeitwirksames Tetracyclin verabreicht. Ziel war es, dass alle Tiere vor der Erstbelegung mindestens zwei Injektionen erhielten. Abgerundet wurde dieses Behandlungsprogramm mit einer medikamentösen Spülung mit Chlortetracyclin kurz nach der Umstallung.
Behandlung zeigt Wirkung
Durch die Behandlung zeigten die Jungsauen eine zunehmend verbesserte Brunstrate. Bis zum Frühjahr des laufenden Jahres wiesen die letzten Beleggruppen deutlich bessere Ergebnisse auf. Deshalb werden die Injektionsbehandlung und die medikamentöse Spülung fortgesetzt.
Bis heute ist nicht ganz sicher, ob die Infektion mit Chlamydia suis als alleinige Ursache für den Einbruch der Belegquote zu benennen ist. Allerdings scheint sich diese Krankheit in anderen Betrieben auch mit steigender Tendenz zu zeigen. Denn das italienische Referenzzentrum für Chlamydiose bestätigte auf Anfrage, dass der Prozentsatz positiver Ergebnisse von Vaginalabstrichen bei Sauen in den letzten drei Jahren deutlich gestiegen sind.
Der Artikel erschien zuerst auf www.3drei3.de