Gerade in schlechten Marktphasen denken einige Sauenhalter über eine Bestandssanierung nach. Diesen Schritt sollte man gut kalkulieren und planen.
Denise Wüllner, PIC
Sätze wie „Nur gesunde Tiere schöpfen ihr Leistungspotenzial aus“ oder „Ein hochgesunder Sauenbestand spart Zeit, Arbeit und Geld“ hat wohl schon jeder Ferkelerzeuger gehört. In diesen Aussagen steckt viel Wahrheit, sie sind aber oft auch leicht dahergesagt. Denn der Aufbau und Erhalt eines Bestandes mit hohem Gesundheitsstatus ist eine große Herausforderung.
Neben der Professionalität des Herdenmanagements spielen hier die Betriebshygiene, aber auch der Zustand der Stallgebäude und die Lage des Betriebes eine große Rolle. Und selbst wenn diese Faktoren passen, gibt es Schweinehalter, die die Tiergesundheit trotz großer Anstrengung nicht auf das gewünschte Niveau gehoben bekommen.
Einige dieser Betriebe spielen dann mit dem Gedanken eine Bestandssanierung durchzuführen. Bei dieser tiefgreifenden Maßnahme wird die Stallanlage komplett geräumt, gereinigt, desinfiziert und mit hochgesunden Jungsauen neu bestückt. Abhängig davon, ob bereits tragende Sauen aufgestallt werden können, führt das zu einem wochen- bzw. monatelangen Produktionsausfall. Ein Umstand, der in der aktuellen Niedrigpreisphase eher zu akzeptieren ist.
Bestimmte Erreger ausmerzen
Das oberste Ziel einer Bestandssanierung ist es, dass die typischen „Wirtschaftlichkeitskiller“, wie z.B. APP, M.hyopneumoniae, PRRS und Dysenterie ausgemerzt werden. Mit einem Sauenbestand, der frei von diesen Krankheiten ist, lässt sich wesentlich leichter das Maximum an genetischer Leistungsfähigkeit erzielen. Jede Erkrankung ist eine Belastung für die Tiere, die sich in geringeren Lebenstagszunahmen und höheren Verlustraten ausdrückt. Gleichzeitig entsteht durch Impf- und Behandlungstätigkeiten ein hoher Arbeitsaufwand und die Kosten für Tierarzt bzw. Medikamente schlagen finanziell ins Kontor.
Zudem lassen sich hohe Tierwohlanforderungen, wie der Kupierverzicht oder die frühe Gruppenhaltung bei Sauen, leichter mit hochgesunden Tieren erreichen. Denn diverse Stressfaktoren, wie eben auch Krankheiten, können ungewollte Verhaltensweisen auslösen.
Risikoanalyse durchführen
Trotz dieser guten Argumente lohnt sich eine Sanierung nicht für jeden Betrieb, weshalb im Vorfeld unbedingt eine fundierte Risikoanalyse durchzuführen ist. Bei dieser schaut man sich zunächst die Lage der Stallanlage an. Für die Betriebe im PIC-Zuchtprogramm nutzen wir ein spezielles Bewertungssystem, welches mit objektiven und vergleichbaren Kriterien arbeitet. Das wichtigste Kriterium ist die unmittelbare Umgebung des Betriebes, die wir uns in einem Radius von zwei, fünf und zehn km genau anschauen.
Insbesondere die landwirtschaftlichen Betriebe in diesen Radien können einen erheblichen Einfluss auf den zu bewertenden Standort haben. Der weite 10 km-Radius wird dabei aber eher vor dem Hintergrund gesehen, dass z.B. ein Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest (ASP) auf einem Schweinebetrieb innerhalb dieses Gebietes seuchenhygienische bzw. vermarktungstechnische Konsequenzen für die betrachtete Sauenanlage haben dürfte.
Die Nachbarbetriebe im 2 bzw. 5 km-Radius schaut man sich dagegen schon sehr genau an, weil sie entscheidend das Risiko für den Wiedereintrag von Erregern in eine sanierte Herde beeinflussen. In dieser Umgebung sollten so wenig Betriebe wie möglich liegen.
Gerade in veredlungsstarken Regionen ist dies aber oft nicht der Fall, weshalb man in Erfahrung bringen muss, wie die Nachbarbetriebe aufgestellt sind. Werden Tiere gehalten und wenn ja, welche? Liegt der Nachbarbetrieb in Hauptwindrichtung?
Ist wenig über den Gesundheitsstatus und die Lieferbeziehungen der Nachbarbetriebe bekannt, sollte immer vom schlimmsten Fall ausgegangen werden. Zu den weiteren Umgebungsrisiken zählen Schlachthöfe, Sammelstellen von Viehhändlern und Hauptstraßen mit hohem Verkehrsaufkommen.
Zu einer Risikoanalyse gehört auch die interne und externe Biosicherheit des Betriebes. Die bekannten Regeln zum Personenverkehr, der Schadnagerbekämpfung oder der Hygiene müssen von allen gelebt werden, egal ob Inhaber oder Praktikant. Wer nicht bereit ist, hier Prioritäten zu setzen und alle Optimierungspotenziale auszuschöpfen, für den lohnt sich keine Sanierung. Die gute Nachricht ist: Anders als beim Betriebsstandort kann der Landwirt hier Einfluss nehmen.
Wirtschaftliche Vorteile
Ist das Risiko abgeschätzt, folgt eine gründliche Kosten-Nutzen-Analyse. Dabei ist es ratsam, sich von einem Berater unterstützen zu lassen. Wichtige Kennwerte für eine Kosten-Nutzen-Abwägung sind die Kosten für Impfstoffe und die durchschnittlichen Medikamentenkosten gegen einen oder mehrere Erreger in der unsanierten Herde. Dazu gehören auch die Personalkosten für die Durchführung und Dokumentation der jeweiligen Maßnahmen. Diese Kosten fallen bei einer gelungenen Bestandssanierung weg bzw. geringer aus.
Hinzu kommt eine Schätzung des Verbesserungspotenzial bezogen auf die biologischen Leistungen. Dazu gehören z.B. eine höhere Abferkelrate, weniger Umrauscher, höhere Tageszunahmen in der Aufzucht, geringere Verluste in allen Bereichen sowie mehr vermarktungsfähige bzw. qualitativ bessere Ferkel und Mastschweine.
Demgegenüber stehen die Kosten für die Sanierung. Einzupreisen ist u.a. der Produktionsausfall, der Aufwand für die extrem gründliche Reinigung und Desinfektion aller Stallungen bzw. Versorgungseinrichtungen und der Einkauf neuer Zuchttiere.
Rechtzeitig Genetik auswählen
Ist die Entscheidung für eine Sanierung gefallen, folgt die Planung der Umsetzung. Der erste Schritt ist die Kontaktaufnahme mit potenziellen Genetik-Anbietern. Infrage kommen nur seriöse Unternehmen mit zukunftsfähigen Genetiken und Zuchtbetrieben, die einen sehr hohen Gesundheitsstatus, beste Biosicherheit und ein transparentes Gesundheitsmonitoring ausweisen können.
Mit der Suche nach der passenden Genetik sollte unbedingt rechtzeitig begonnen werden. Denn die Jungsauen guter Zuchtunternehmen sind in der Regel stark nachgefragt und diese Entscheidung sollte man auf keinen Fall unter Termindruck treffen müssen.
Penible Reinigung
Ist die Herkunft der Genetik klar, wird in Abstimmung mit dem Zuchtunternehmen eine Zeitschiene erarbeitet. Es empfiehlt sich Kontakt mit den Lieferanten von Futter, Sperma und anderen Betriebsmitteln aufzunehmen. Das beugt Missverständnissen vor, wenn mit dem Leerfahren der Anlage begonnen wird und sich die Liefermengen bzw. -zeiten verändern. Gleiches gilt für die Beziehungen zu Aufzüchtern und Mästern, die vom sanierenden Betrieb Ferkel aufnehmen.
Das vorhandene Stallpersonal kann in der Sanierungsphase meist für notwendige Umbau- bzw. Reparaturmaßnahmen und andere Tätigkeiten eingeplant werden. Denn ist der Stall geräumt, folgt die elementar wichtige Reinigung. Diese umfasst je nach Erregervorkommen die komplette Futter- und Wasserversorgung und auch schwer zugängliche Bereiche, wie die Zu- bzw. Ablufteinrichtungen sowie das Güllesystem. Nachdem Mäuse, Ratten und Fliegen als potenzielle Erregerüberträger durch eine Fachfirma intensiv bekämpft wurden, sind auch alle Köderstationen in den Reinigungsprozess zu integrieren.
In den Ställen werden verschiedene Gebrauchsgegenstände benötigt, wie z.B. Treibbretter, Sackkarren oder Werkzeug. Gerätschaften, die sich gut reinigen und desinfizieren lassen, können auch weiterhin genutzt werden. Kühlschränke dagegen sind nur sehr schwer zu hygienisieren und sollten ausgetauscht werden. Die Kosten für die Neuanschaffung dieser Utensilien stehen in der Regel in keinem Verhältnis zu den Gesamtkosten der Sanierung und zum Risiko eines Wiedereintrages. Daher sollten sie nicht aufwendig gereinigt, sondern neu gekauft werden und anschließend im Stall verbleiben.
Geduld bei Wiederbelegung
Nach Abschluss der Reinigungsarbeiten beginnt die Desinfektion aller Innenbereiche. Das schließt neben den Buchtenflächen auch Kontrollgänge, Decken, Lagerräume und das Lüftungssystem ein. Anschließend sollte eine Spezialfirma beauftragt werden, die eine Ausgasung vornimmt. Dabei wird das Desinfektionsmittel im geschlossenen Stall sehr fein zerstäubt und der Nebel benetzt alle zugänglichen Bereiche, einschließlich praktisch nicht zugänglicher Ecken, Risse und Kanten. So wird eine nahezu keimfreie Umgebung geschaffen.
Nach der vollständigen Desinfektion muss der Betrieb für mindestens vier Wochen leer stehen. In dieser Zeit sollten die Lüfter auf niedrigster Stufe laufen und wenn möglich die Räume vollständig beheizt werden. Erreger, die die Desinfektion überlebt haben, sterben am effektivsten in warmen und trockenen Räumen ab.
Manche Betriebe verkürzen die Leerstandszeit auf zwei Wochen. Dies ist hochriskant und nicht zu empfehlen. Gleiches gilt für den gleichzügigen Abverkauf des Altbestandes bzw. die Hygienisierung des Stalles und Aufbau der neuen Herde. Selbst wenn die neuen Jungsauen in einem separaten Gebäude auf dem Betrieb stehen, ist die räumliche und vermutlich auch personelle Trennung nicht klar genug.