Ein Bioschweinehalter hatte plötzlich in seinem Bestand massive Probleme mit Schwanzbeißen. Als Auslöser konnte eine Ileitis-Infektion ausgemacht werden.
Dr. Franz Lappe, vivet Schweinegesundheit
Als Heinz Winterhoff (Name geändert) seine Tierärztin zur Hilfe rief, war die Verzweiflung groß. Denn was sich in den Ställen des Bioschweinemäster mit 900 Plätzen abspielte, hatte dieser vorher noch nicht erlebt. In der Vormast waren zahlreiche Tiere in verschiedenen Buchten von starken Schwanzbeißverletzungen gezeichnet.
Für das Fehlverhalten suchte der Schweinehalter zunächst die Schuld bei sich. Er wusste aber nicht, was er falsch gemacht haben könnte. Schließlich hielt er die Schweine in großen Buchten mit Stroh und Zugang zu einem Außenauslauf. Außerdem hatte er die wichtigen Ressourcen wie Futter, Wasser und Beschäftigungsmaterial im Blick und achtete auf eine gute Buchtenstruktur mit komfortablen Liegeplätzen. Neben dem Stroh bot er in einer Raufe sogar frisches Grünfutter an, um die Tiere zusätzlich abzulenken und vom Beißen der unkupierten Schwänze der Buchtengenossen abzuhalten.
Kot- und Blutproben gezogen
Seine Tierärztin führte zunächst eine klinische Untersuchung durch und stellte dabei fest, dass viele Tiere neben den Schwanzverletzungen auch Nekrosen an den Ohren und Flankenbisswunden aufwiesen. Die Ohrverletzungen waren dem Mäster bereits bei der Ankunft der Tiere vor fünf Wochen aufgefallen. Zudem berichtete er, dass diese Lieferpartie gewichtsmäßig nicht die gewohnte Homogenität aufwies.
Mittlerweile konnte man von einem Auseinanderwachsen sprechen, bei dem mehrere Tiere sich zu Kümmerern entwickelt hatten und das durchschnittliche Einzeltiergewicht der Gruppe von circa 45 kg deutlich unterschritten. Diese Schweine hatten zudem ein raues Haarkleid sowie eine eingefallene Flanke und setzten einen breiigen Kot ab.
Die klinischen Erscheinungen sprachen für eine Darmerkrankung, und es wurden zunächst Kotproben gezielt von auffälligen Tieren entnommen. Diese wurden mit einer Multiplex-PCR auf Brachyspira hyodysenteriae (Erreger der Dysenterie), Brachyspira pilosicoli (Erreger der Spirochätenruhr) und Lawsonia intracelluaris (Erreger der Ileitis) untersucht. Außerdem wurden aus der betroffenen Gruppe 15 Blutproben gewonnen und auf Antikörper gegen Lawsonia intracellularis mit einem ELISA-Test untersucht.
Labor bestätigt Ileitis
Insbesondere gegen Ende der Ferkelaufzucht und zu Mastbeginn ist die Ileitis als Darmerkrankung eine häufige Ursache für Schwanzbeißen. Wegen dieses Anfangsverdachts wurde umgehend eine Tränkemedikation mit Tylosinphosphat eingeleitet. Dem Futter wurde nach einem Funktionscheck der Tränken 0,9% Viehsalz beigemischt. Besonders auffällige Tiere wurden antibiotisch per Injektion behandelt.
Zwei Tage später bestätigten die Laborbefunde die Verdachtsdiagnose. In einer von drei Poolproben wurde der Erreger der Ileitis nachgewiesen, während Brachyspiren in der PCR nicht auftauchten. Im Blut wiesen bereits alle untersuchten Schweine Antikörper gegen Lawsonia intracellularis auf. Die Serokonversion ließ darauf schließen, dass der Beginn der Infektion mehr als drei Wochen zurückliegen musste.
Nach etwa drei Behandlungstagen war der Durchfall verschwunden und das Verhalten der Tiere sichtbar ruhiger. An den Verletzungen der Schwänze bildete sich ein erster Wundschorf. Es fiel auch auf, dass sich die Futteraufnahme verbesserte und die Tiere insgesamt einen volleren Bauch zeigten.
Nach dem Absetzen der Medikation flammte das Beißgeschehen noch einmal auf, war dann aber nicht mehr so gravierend wie bei der Erstuntersuchung. Außerdem setzte Winterhoff ein beruhigendes Ergänzungsfuttermittel sowie zusätzliches Beschäftigungsmaterial ein.
Aufgrund der Untersuchungsergebnisse suchte der Mäster das Gespräch mit seinem Ferkelerzeuger. Dabei wurde vereinbart, dass dieser umgehend die orale Impfung gegen Ileitis einführt. Das erwies sich als der richtige Schritt. Die nachfolgenden Tiergruppen zeigten keinerlei Schwanzbeißen mehr und entwickelten sich deutlich besser als die erkrankte Gruppe.
Aus Suchen wird Beißen
Dieser Fallbericht zeigt, dass nicht immer die Haltungsform oder das Management ursächlich sind für Caudophagie-Probleme. Bei längerer Beobachtung, wobei auch eine Videokamera unterstützend eingesetzt werden kann, fällt sehr häufig ein obsessives Beißen einzelner Tiere im Zusammenhang mit Erkrankungen auf. Mit angehobenem Kopf folgen erkrankte Tiere wahllos ihren Opfern und beißen zwanghaft zu.
Dabei geht es nicht um den Mangel an einer Ressource wie Futter, Wasser oder einem warmen Liegeplatz. Vielmehr suchen die Tiere ein Ventil, um ihren Frust loszuwerden. Obsessives Beißen ist immer ein Zeichen für ein hochgradiges Missbefinden. Der Schwellenwert, bei dem dieses Missbefinden beginnt, ist züchterisch beeinflusst und scheint bei modernen Rassen mit einem hohen Leistungspotenzial deutlich geringer zu sein als bei alten Rassen.
Latente Darmerkrankungen, wie die Ileitis, beeinträchtigen über mehrere Wochen die Aufnahme wichtiger Nährstoffe. Das hat nicht nur Auswirkungen auf die Gewichtsentwicklung, sondern auch auf das Verhalten. Der Verlust von Natrium und Protein beunruhigt die Schweine und löst ein auffälliges Suchverhalten aus. Dabei belecken sie einerseits Stallwände und -böden, andererseits manipulieren sie auch ihre Buchtengenossen in Form von Belly Nosing. Dieses Massieren von Bauch und Brust mit der Nase artet später oft in ein Flankenbeißen aus.
Frühe Immunisierung wichtig
In der Ferkelaufzucht ist dieses Verhalten oft gekoppelt mit Ohrlutschen und Ohrbeißen. Die Bisswunden infizieren sich und es entwickeln sich sekundär Ohrnekrosen. Weil im vorgestellten Fall die Tiere bereits bei der Anlieferung Ohrnekrosen zeigten, kann davon ausgegangen werden, dass die Ileitis bereits gegen Ende der Ferkelaufzucht begonnen hatte. Durch die Blutuntersuchung konnte der Verdacht erhärtet werden.
Die antibiotische Behandlung im Maststall kam zu spät, weshalb die Schäden an den Tieren nicht verhindert, sondern nur gemildert werden konnten. Es ist aber sehr schwer, den idealen Zeitpunkt für den Behandlungsbeginn zu finden. Die Tiere erkranken bzw. durchseuchen nicht alle zur selben Zeit. Bei einem frühen Behandlungsbeginn wird die Immunisierung durch die Feldinfektion unterbrochen und für einen Teil der Gruppe lediglich verschoben. Daher kann nur die frühe Immunisierung durch eine Impfung die Folgen einer Infektion nachhaltig verhindern.