Fundamentprobleme bei Schweinen können infektions-, fütterungs- oder haltungsbedingt sein. Deshalb sollte man bei der Suche nach den Ursachen systematisch vorgehen.
Einige Erkrankungen bei Schweinen haben in den letzten Jahren an Bedeutung verloren. Die Dysenterie und die Ferkelgrippe z.B. treten inzwischen seltener auf. Fundamentprobleme und Lahmheiten gehören aber mit Sicherheit nicht dazu. Im Gegenteil: In manchen Betrieben haben die Probleme sogar zugenommen.
Ursachen dafür sind einerseits das gestiegene Leistungsniveau der Tiere, aber auch die Umweltpolitik. Um die Nährstoffausscheidungen der Schweine und damit den Eintrag von Nährstoffen über die Gülle in das Grundwasser und den Boden zu reduzieren, wurden z.B. die Versorgungsempfehlungen für Phosphor immer weiter nach unten korrigiert. Viele dieser „umweltoptimierten“ Rationen enthalten aber kaum noch Reserven für Krankheitseinbrüche oder Stresssituationen.
Ursachen für Lahmheiten
Es gibt verschiedene Ursachen für Fundamentprobleme beim Schwein. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen:
- Klauenerkrankungen: z.B. Stallklauen, Klauenrehe, Panaritium;
- Klauenverletzungen: z.B. durch Rangkämpfe oder rutschige, nasse Böden;
- Muskelerkrankungen: z.B. durch Vitamin E- oder Selenmangel, Rückenmuskelnekrose;
- Gelenkprobleme: z.B. Knochenweiche bei hohem Leistungsniveau, fehlender Bewegung, Mangel von Ca, Vitamin D3, P oder einer Imbalance von Ca und P;
- Gelenkinfektionen: z.B. durch Streptokokken, Glaesserella parasuis, Mykoplasma hyosynoviae oder Mykoplasma hyorhinis.
Systematische Ursachensuche
Bei der Suche nach dem Auslöser der Lahmheit bzw. des Fundamentproblems geht der Tierarzt systematisch vor. Zunächst sollte er den Tierhalter befragen, in welchem Altersabschnitt und seit wann die Probleme auftreten.
Zudem muss geklärt werden, ob es weitere klinische Symptome gibt. Beobachtet man die Lahmheiten z.B. in der Ferkelaufzucht und tritt gleichzeitig leichter Husten im Abteil auf, handelt es sich vermutlich eher um eine Infektion als um ein ernährungsbedingtes Problem. In diesem Fall käme beispielsweise eine Infektion mit Glaesserella parasuis in Betracht, denn der Erreger befällt auch die Atemwege der Tiere.
Zeigen einige Ferkel parallel zu den Gelenkproblemen auch zentralnervöse Störungen, wie z.B. rudernde Beinbewegungen in Seitenlage, sollte man dagegen eher eine Infektion mit Streptokokken in Betracht ziehen.
Einen entscheidenden Hinweis liefert auch, wie viele Gelenke betroffen sind. Tritt das Problem vorrangig an einem einzelnen Gelenk pro Tier auf, deutet das eher auf eine Streptokokkeninfektion hin. Sind hingegen alle vier Gelenke des Tieres betroffen, zeugt dies eher von einer Infektion mit Glaesserella parasuis. Denn Polyarthretiden – die gleichzeitige Entzündung mehrerer Gelenke – sind typisch für die Glässersche Krankheit. Bei der Untersuchung der betroffenen Tiere achtet der Tierarzt zudem auf das Vorhandensein von Schwellungen oder Hilfsschleimbeuteln. Dabei handelt es sich um mit Flüssigkeit gefüllte Beulen an den Gelenken. Sie bilden sich, wenn über einen längeren Zeitraum Druck auf das jeweilige Gelenk eingewirkt hat, z.B. durch einen harten Stallboden bei gleichzeitig eingeschränkter Bewegungsmöglichkeit für die Schweine.
Zudem fragt der Tierarzt bei seiner Bestandsaufnahme gezielt nach, ob bzw. mit welchem Erfolg die Schweine bereits behandelt wurden, z.B. von einem anderen Tierarzt. Kommt dabei heraus, dass bereits eine Behandlung mit einem β-Lactam-Antibiotikum (z.B. Amoxicillin oder Penicillin) erfolgreich war, dann kommt eher eine Infektion mit Streptokokken bzw. Staphylokokken infrage. Zeigte hingegen die Behandlung mit Tiamulin oder einem Makrolid-Antibiotikum Wirkung, liegt eher eine Infektion mit Glaesserella parasuis oder Gelenkmykoplasmen vor.
Blutuntersuchung im Labor
Deutet vieles auf eine infektiöse Ursache hin, wird der Tierarzt anschließend labordiagnostische Untersuchungen veranlassen. Als Untersuchungsmaterial eignen sich Blutproben oder direkt aus dem Gelenk entnommene Gelenkflüssigkeit.
Für Blutuntersuchungen hat es sich bewährt, fünf bis zehn Blutproben von klinisch auffälligen Tieren zu nehmen. Um abzuklären, ob ein Defizit oder ein Ungleichgewicht bei der Mineralstoffversorgung vorliegt, kann der Tierarzt die Gehalte von Ca-, P- und der alkalischen Phosphatase im Blut bestimmen lassen.
Zudem lassen sich die Blutproben auf Störungen des Knochenstoffwechsels hin untersuchen. Dabei werden der Osteocalcin- und der sogenannte CTx-Gehalt bestimmt. Osteocalcin entsteht beim Knochenaufbau und CTx wird beim Knochenabbau freigesetzt. Das Verhältnis beider Werte zueinander erlaubt Aussagen darüber, ob eventuell eine entzündlich-rheumatische Erkrankungen vorliegt oder eine Osteoporose, bei der die Knochen porös werden und leichter brechen.
Parallel dazu kann der Tierarzt aber auch ein großes Blutbild anfertigen lassen. Dabei werden unter anderem die Entzündungswerte im Blut bestimmt, d.h. der Gehalt an Leukozyten und anderer Entzündungsmarker. Das Ergebnis liefert einen Hinweis darauf, ob die beobachtete Bewegungsstörung eine infektiöse Ursache hat.
Anhand von zwei Blutproben, die im Abstand von drei Wochen bei den gleichen Tieren entnommen und im Labor untersucht werden, lassen sich serologische Profile anlegen. Der Verlauf der Antikörpertiter liefert bei Infektionen mit Glaesserella parasuis, Rotlauf oder mit dem Teschovirus Hinweise, ob es sich um ein aktives, akutes Geschehen handelt oder die Infektion bereits abklingt.
Direkter Erregernachweis
Neben dem indirekten Erregernachweis über die Bestimmung der Antikörpertiter im Blut gibt es die Möglichkeit, den oder die Infektionserreger direkt nachzuweisen. Dazu werden Proben aus dem entzündeten Gelenk entnommenen und im Labor mithilfe der Polymerase-Kettenreaktion (PCR) auf das Vorhandensein verschiedener Erreger untersucht. Alternativ kann der Keim auch auf einem Kulturmedium angezüchtet werden.
Das Verfahren eignet sich z.B. zum direkten Nachweis von Streptokokken, Staphylokokken, Trueperella pyogenes, Glaesserella parasuis, Mycoplasma hyorhinis, Mycoplasma hyosynoviae und Erysipelothrix rhusiopathiae (Rotlauf).
Mit einer Nadel kann die Probe am lebenden Tier unter Narkose direkt aus dem Gelenk (Gelenkpunktat) entnommen werden. Dazu muss der Hautbereich rund um das Gelenk aber zuvor sorgfältig desinfiziert werden, damit die Probe nicht mit Fremdkeimen verunreinigt wird. Oder die zu untersuchende Probe wird, falls eine Sektion durchgeführt wird, aus dem offenen Gelenk gewonnen.
Häufig wird die Probe zunächst angezüchtet. Denn erstens kann man mit den so gewonnenen Kulturen gleichzeitig auch einen Resistenztest durchführen. Das Ergebnis ermöglicht dann eine ganz gezielte antibiotische Behandlung. Zweitens lassen sich die Proben nutzen, um z.B. bei Streptokokken genau zu bestimmen, welcher Serotyp vorliegt. Und drittens kann das Isolat genutzt werden, um bei Bedarf einen stallspezifischen Impfstoff herstellen zu lassen.
Röntgen und Sektion
Liefert die labordiagnostische Untersuchung keine Anhaltspunkte zur eigentlichen Ursache der Lahmheit, können die Gliedmaßen des betroffenen Tieres auch mit einem mobilen Röntgengerät durchleuchtet werden. Das Verfahren kommt bei Schweinen aber kaum zum Einsatz. Es wird höchstens angewendet, wenn eine ernährungsbedingte Osteoporose vermutet wird.
Die zuverlässigste diagnostische Methode ist und bleibt jedoch die Sektion eines oder mehrerer klinisch auffälliger Tiere. Denn erstens lassen sich dabei – wie bereits beschrieben – Gelenkpunktate sauber entnehmen. Und zweitens sieht der Tierarzt bei der Sektion auch gleichzeitig, ob der Tierkörper pathologische Veränderungen aufweist. Sind z.B. Teile der Lunge angewachsen oder ist der Herzbeutel des Tieres verklebt, deutet dies auf eine Infektion mit Glaesserella parasuis hin.
Stimmt die Futterqualität?
Neben infektiösen Ursachen können das Futter und die Fütterung einen entscheidenden Einfluss auf das Entstehen von Fundamentproblemen haben. Um ein stabiles Knochengerüst aufbauen zu können, benötigen die Schweine Mindestmengen an Kalzium, Phosphor sowie verdaulichem Phosphor (siehe Tabelle). Zudem sind Spurenelemente wie Eisen, Zink, Kupfer, Mangan und B-Vitamine erforderlich. Wobei sich der Bedarf am Alter, am Leistungsniveau (Genetik) der Tiere und am Energiegehalt der Futtermischung orientiert.
Darüber hinaus kommt es auf das richtige Ca:P-Verhältnis an. Es sollte zwischen 1,25 und 1,6:1 liegen. Ein zu weites Verhältnis führt zu einem relativen Phosphormangel und ein zu enges zu einem relativen Kalziummangel. Niedrige Brutto-P-Gehalte sind zu Mastbeginn ohnehin nur möglich, wenn dem Futter leistungsstarke Phytasen zugemischt werden, die die Verdaulichkeit des pflanzlich gebundenen Phosphors verbessern.
Für die Aufzucht von Jungsauen wird ein weiteres Ca:vP-Verhältnis empfohlen. Ähnlich wie bei Futtermischungen für Aufzuchtferkel sollte es 2,2–2,4:1 betragen. Und der Anteil an verdaulichem Phosphor wird bei dreiphasiger Fütterung der Aufzuchtläufer stufenweise von 0,31% (ab 25 kg Lebendgewicht) auf 0,29% (ab 40 kg LG) und ab 70 kg LG schließlich auf 0,25% reduziert.
Ein wichtiger Aspekt der Futterqualität ist zudem der Mykotoxingehalt. Denn Pilzgifte, insbesondere das Deoxynivalenol (DON), schädigen das Immunsystem und machen die Schweine anfälliger für Infektionen.
Kommt es zu Entmischungen?
Jede noch so durchdachte Rationsgestaltung bzw. Futterwertberechnung ist jedoch nichts wert, wenn sich das Futter auf dem Weg zum Trog entmischt. Das betrifft insbesondere Flüssigfütterungen. Denn Vitamine und Spurenelemente sind in der flüssigen Phase gelöst.
Entmischt sich das Futter, kann das dazu führen, dass einige Tiere der Gruppe mit Mineralstoffen überversorgt werden, während sich andere – meist handelt es sich dabei um rangniedere Tiere – mit dem nährstoffarmen Rest begnügen müssen. Häufig führt das dazu, dass die Knochen dieser Tiere nicht ausreichend mineralisiert werden.
Bereits beim Stalldurchgang sollte man deshalb darauf achten, ob sich das Flüssigfutter gleichmäßig im Trog verteilt. Findet man hingegen separate flüssige und feste Phasen im Trog, sollte die Futtertechnik genauer untersucht werden. Werden z.B. die nötigen Quell- und Mischzeiten eingehalten?
Gewissheit bekommt man, indem man Futterproben an verschiedenen Stellen des Fütterungssystems zieht und diese im Labor analysieren lässt. Denn zum Entmischen kann es sowohl im Anmischbottich, als auch in der Futterleitung oder im Trog kommen. Bei Bedarf lässt sich der Futterbrei durch Einmischen von Kartoffelpülpe oder CCM sämiger machen.
Ob alle Tiere einer Gruppe ausreichend Nährstoffe bzw. Spurenelemente aufnehmen können, hängt aber auch vom Tier-/Fressplatz-Verhältnis und den im Fütterungscomputer definierten Fütterungszeiten ab. Ziel muss es sein, Rangkämpfe am Trog zu vermeiden.
Rutschige Stallböden
Auch die Aufstallung hat einen entscheidenden Einfluss auf die Fundamentgesundheit der Schweine. Neue Spaltenböden, die nach dem Verlegen nicht entgratet wurden, können zu Verletzungen der Klauen und des Kronsaums führen, über die zusätzlich Keime in den Organismus gelangen können. Das gleiche gilt für beschädigte oder ausgebrochene Spaltenelemente.
Fetthaltige Futterkomponenten führen zu schmierigen Belägen auf den Spalten, auf denen die Schweine ausrutschen und sich Knochen- oder Muskelverletzungen zuziehen können. Hier können fettlösende Reinigungszusätze beim Waschen der Abteile Abhilfe schaffen. Rutschgefahr besteht auch auf feuchten Spalten, die nicht ausreichend abtrocknen, weil die Luftfeuchtigkeit im Stall zu hoch ist. Sie sollte idealerweise zwischen 40 und 60% betragen.
Schließlich kann auch das Lüftungssystem Einfluss auf die Fundamentgesundheit haben, wie österreichische Untersuchungen belegen. Porenlüftungen z.B. lassen sich zwischen den Durchgängen schlechter reinigen und desinfizieren als Türganglüftungen. Das kann zu einer dauerhaft höheren Streptokokkenbelastung der Stallluft und entsprechenden Infektionen führen.
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Tierarzt Dr. Torsten Pabst, Dülmen