Im Sauenbetrieb verursachten mehrere Atemwegserreger komplexe Erkrankungen. Mit umfangreicher Diagnostik und neuem Impfregime kehrte wieder Ruhe ein.
Dr. Ulf Höner und Gudrun Finger, Tierarztpraxis Schöppingen
Ferkelerzeuger Müller (Name geändert) aus dem Münsterland gehört zu den Topbetrieben. So setzt seine 300er-Herde knapp 30 Ferkel pro Sau und Jahr ab. Auch in den fest angeschlossenen Mastbetrieben entwickelten sich die Ferkel gut.
Doch im Frühjahr 2017 verschlechterte sich die Gesundheit der Sauen plötzlich drastisch. Es traten vermehrt Aborte und lebensschwache Ferkel auf. Zudem zeigten die Ferkel im Aufzucht- stall gehäuft Atemwegsprobleme.
PRRS-Einbruch trotz Impfung
Die Symptome ließen auf einen PRRS-Einbruch schließen. Warum der virale Erreger derart starke Probleme bereitete, blieb allerdings unklar. So impft Müller seine Sauen im engen Rhythmus von 90 Tagen bestandsweise gegen PRRS. Damit war die Herde bis dato stabil.
Nach Sequenzierung des PRRS-Feld- erregers wurde der Wechsel auf die PRRS-Vakzine eines anderen Herstellers durchgeführt. Ziel ist eine Vakzine zu finden, die dem Virusstamm im Betrieb möglichst ähnlich ist.
In Müllers Fall brachte der Anbieterwechsel eine spürbare Linderung der PRRS-Symptome. Um die Sicherheit zu erhöhen, wurde in Absprache mit dem Landwirt beschlossen, fortan auch die Ferkel beim Absetzen gegen PRRS zu impfen. Durch die beiden Anpassungen im Impfregime kam das klinische PRRS-Geschehen bei den Sauen und bei den Ferkeln vollständig zum Erliegen.
Circo-Durchbruch im Flatdeck
Doch bereits im Frühjahr 2018 verschlechterte sich die Gesundheit in der Ferkelaufzucht erneut. Die Ferkel zeigten durch „Pumpen“ starke Atemwegsprobleme und es kam vermehrt zu Verlusten. Zudem wuchsen die Gruppen auseinander und die Tageszunahmen gingen insgesamt in den Keller.
Die Symptome ließen zunächst auf einen Influenza-Einbruch schließen. Es wurden daher bei 20 Aufzuchtferkeln Nasentupfer gewonnen und zur Untersuchung ins Labor gegeben. Das Ergebnis war negativ, sodass Influenza auszuschließen war.
Im nächsten Schritt kamen daher drei erkrankte Ferkel zur Sektion. Es wurden Lungenstücke von den Ferkeln ins Labor gesandt und mittels PCR untersucht. Bei zwei der drei Tiere wurde das Porcine Circovirus 2 (PCV2) ermittelt. Die Mengenanalyse der PCR belegte zudem eine hohe Viruslast. Der Nachweis der Circoviren als Ursache erhärtete sich damit.
Um den viralen Erreger genauer einordnen zu können, erfolgte zusätzlich eine Sequenzierung. Ergebnis: Müllers Ferkel zeigten eine Circovirus-Infektion mit dem Subtyp 2d. Dieser tritt seit 2017 vermehrt in Betrieben auf.
Für Landwirt Müller war die Circo- Infektion seiner Ferkel schwer nachvollziehbar. Schließlich impfte er seine Tiere am 14. Lebenstag gegen den viralen Erreger. Dass die Ferkel trotz der Impfung Probleme mit PCV2 zeigten, ließ auf eine frühe Infektion bereits im Mutterleib schließen. Normalerweise sind die Ungeborenen durch die Plazentaschranke gut vor Infektionen geschützt. Doch insbesondere beim Circovirus Subtyp 2d treten häufig sehr frühe, sogenannte intrauterine Infektionen auf.
Um den Verdacht abzusichern, gab der Betriebsleiter Gewebeproben von tot geborenen Ferkeln ins Labor. Zudem wurden Blutproben von Saugferkeln entnommen und mittels Elisa-Test auf Circo-Antikörper untersucht.
Beide Analysen bestätigten die frühe Infektion der Ferkel mit Circoviren bereits im Mutterleib. Dabei zirkuliert das Virus in der Herde, ohne dass die Muttertiere direkt Probleme zeigen.
Sauen gegen PCV2 geimpft
Um die frühe Übertragung des Erregers auf die Ferkel zu verhindern, wurden fortan auch die Sauen gegen Circoviren geimpft. Allerdings wurde bereits zu Beginn festgelegt, dass die Vakzinierung der Mutterherde nur für einen begrenzten Zeitraum erfolgen soll.
So ist bekannt, dass eine längerfristige PCV2-Vakzinierung der Sauen die Impffähigkeit der Ferkel in der Säugephase herabsetzen kann. Denn hierdurch weisen die Jungtiere bereits Antikörper auf und können bei ihrer eigenen Impfung weniger gut einen Schutz ausbilden.
Die PCV2-Vakzinierung der Sauen erfolgte daher als Grundimmunisierung zweimal im Abstand von drei Wochen. Vier Monate später wurde die gesamte Herde nochmals durchgeimpft. Dann stoppte der Betrieb die Circo-Impfung bei den Sauen.
Parallel zur Verstärkung des Impfschutzes gegen Circoviren stellte der Betrieb auch die PRRS-Maßnahmen nochmals auf den Prüfstand. So kam es zu der Entscheidung, die PRRS-Impfung bei den Saugferkeln vom Absetzen auf den 14. Lebenstag vorzuziehen.
Das Ziel ist eine größere gesundheitliche Stabilität der Ferkel in der Aufzucht, um Co-Infektionen z.B. mit PCV2 weniger Angriffsmöglichkeiten zu geben. Zusätzlich erhielten die Ferkel an zwei strategisch wichtigen Zeitpunkten in der Säugephase eine metaphylaktische antibiotische Einzeltiergabe. Die zeitlich begrenzte Behandlung am dritten Lebenstag sowie in der letzten Säugewoche soll Sekundärinfektionen verhindern. Denn durch den hohen Virusdruck im Bestand ist die Gefahr groß, dass bakterielle Erreger die geschwächten Ferkel erfassen.
Pandemische Influenza
Im Spätsommer 2018 traten erneut massive Komplikationen in der zweiten Hälfte der Aufzucht im Flatdeck auf. Die Ferkel zeigten eine starke Atemwegssymptomatik, die erneut den Verdacht einer Influenzainfektion begründete. Parallel husteten die Saugferkel ab der zweiten Lebenswoche.
Daraufhin wurden fünf akut erkrankte Ferkel aus dem Abferkelstall sowie aus dem Flatdeck zur Sektion in die Außenstelle der TiHo Hannover nach Bakum gebracht. Fazit dieser Untersuchung war eine frühe Infektion der Saugferkel mit den pandemischen Influenza-Stämmen H1N2 und H1N1.
Diese Stämme sind durch die bestehende Sauenimpfung mit der Vakzine Flu3 nicht abgedeckt. Die Ferkel in der Aufzucht zeigten zudem wieder eine extrem hohe Viruslast des PCV2d-Erregers. Der Verlauf dieser Virus-Infektionen wurde noch durch bakterielle Sekundärinfektionen verschlechtert.
Die frühe Infektion der Saugferkel mit der pandemischen Influenza hatte offensichtlich verhindert, dass die Ferkel trotz der Circo-Impfung am 14. Lebenstag ausreichend immunisierten. Sie konnten dem Abfallen der maternalen Antikörper nicht Stand halten.
Als Sofortmaßnahme wurde die Circo-Impfung der Saugferkel gesplittet. Die Tiere wurden am dritten Lebenstag und zum Absetzen mit je 1 ml einer für diesen Zweck zugelassenen Circo/Myko-Vakzine geimpft. Ziel dieser Strategie war, möglichst früh einen zumindest teilweisen aktiven Schutz der Ferkel gegen die PCV2d-Infektionen zu erreichen.
Zudem wurden die Sauen zeitnah mit der Vakzine Flu1 grundimmunisiert und mit der Vakzine Flu3 aufgefrischt. Die Kombination dieser beiden Impfungen wurde dauerhaft etabliert.
Gesundheit wieder stabil
Die Umstellung bzw. Erweiterung der Impfmaßnahmen und die flankierende Metaphylaxe stabilisierten die Tiergesundheit. Rund drei Monate nach dem Beginn der Maßnahmen zeigte sich in der Ferkelaufzucht eine spürbare Besserung. Die typischen Problemferkel mit „pumpender“ Atmung treten seit dem vergangenen Winter nicht mehr auf. Dadurch ging die Verlustquote wieder auf das Normalmaß zurück. Zudem stabilisierten sich die Tageszunahmen und die Ferkelgruppen sind homogener.
Durch die Verbesserung der Gesundheit konnte der Ferkelerzeuger inzwischen einige Behandlungen wieder zurückfahren. So wurde die metaphylaktische Antibiose bei den Saugferkeln ganz eingestellt. Zudem hat der Betrieb wie geplant die Circo-Impfung bei den Sauen wieder beendet.
Außerdem ist der Praktiker wieder auf die One-Shot-Impfung gegen PCV2 umgestiegen. Denn diese bietet bei den umfangreichen Impfmaßnahmen in seinem Betrieb arbeitswirtschaftliche Vorteile. Voraussetzung ist natürlich, dass die Ferkel weiter gesund bleiben.