Über die Jungsauen gelangte PRRS in eine 3000er-Sauenherde und führte zu massiven Problemen. Ein neues Impf- und Hygienekonzept brachte den Erfolg zurück.
Tierarzt Gregor Gröbke, Köthen
Wenn sich im östlichen Teil Deutschlands schweinehaltende Betriebe mit dem PRRS-Virus infizieren, ist das erfahrungsgemäß in der kalten Jahreszeit von Oktober bis März der Fall. Als Hauptgrund ist dafür sicherlich die unzureichende Wirkung der Desinfektion von Viehtransportern, Rampen, Kadaverhäusern und ähnliches zu nennen.
Einschleppung über Jungsauen
Anfang Februar 2019 kam ein Anruf aus einem Sauenbetrieb. Bei schlecht therapierbaren, fieberhaften Sauen in der Abferkelung und bei verendeten bzw. lebensschwachen Saugferkeln sei PRRSV per PCR nachgewiesen worden. Die Sauenanlage hält rund 3000 Muttertiere. Das Virus könnte über die Jungsauen aus einer vorgeschalteten Einheit in den Stammbetrieb gelangt sein.
Der Jungsauenbetrieb auf einem separaten Standort besamt die Zuchttiere und hält sie dort bis zwei Wochen vor dem Abferkeln. Neben dem Mutterbetrieb wird eine weitere Produktionsstätte in einem anderen Bundesland beliefert.
Unsere Praxis veranlasste umgehende Probenahmen in der Jungsauenanlage und dem zweiten von dieser Einheit belieferten Betrieb. Zu diesem Zeitpunkt waren weder im Jungsauenbetrieb noch in der zweiten Anlage typische klinische Symptombilder zu erkennen. Das letzte routinemäßige Herdenmonitoring war gerade zwei Wochen zuvor mit negativem Ergebnis abgelaufen.
In beiden Fällen brachte die erneute PRRS-Untersuchung ein positives Ergebnis. Ob der Viruseintrag ursächlich aus der Jungsauenanlage oder der anderen nachgeschalteten Produktionsanlage kam, konnte retrospektiv nicht sicher festgestellt werden.
Sofortige Bestandsimpfung
Bei der strategischen Besprechung mit der Geschäftsleitung stellte unsere Praxis die Vor- und Nachteile eines Depop-Repop der Anlage gegen die Herdenimmunisierung und Managementoptimierung heraus. Die Verantwortlichen endschieden sich letztendlich für die zweite Variante. Das Ziel sollte sein, das Feldvirus innerhalb eines halben bis dreiviertel Jahres aus der Anlage zu verdrängen.
Als Sofortmaßnahme wurde eine Bestandsimpfung unter Einbeziehung aller Jung- und Altsauen mit einer PRRS-Lebendvakzine in beiden Betrieben eingeleitet. Diese Maßnahme wurde nach vier Wochen wiederholt. Das Ziel war auch eventuell schlecht reagierende Tiere aus der Erstimpfung unter den vollen Impfschutz zu bekommen.
Zum Schutz der Herde vor späteren Neueinträgen und aufgrund der Kontakte zu anderen Schweinebetrieben wurde beschlossen, die Sauenimpfung langfristig weiterzuführen. Mit Beginn der Vakzination der Herde wurde zudem auch die Impfung der Saugferkel drei Tage vor dem Absetzen eingeführt.
Diese erfolgte mit einem anderen PRRS-Lebendimpfstoff des gleichen Herstellers, der den identischen Impfstamm wie der Sauenimpfstoff enthält, allerdings in einer 1 ml Dosierung und ohne Adjuvans.
Massive Verluste
Obwohl sofort reagiert wurde, waren die nächsten Wochen noch von massiven PRRS-Symptomen gekennzeichnet. Dieser erwartete Zeitverzug erklärt sich daraus, dass das PRRS-Virus im letzten Trächtigkeitsdrittel die Ferkel in der Gebärmutter befallen kann.
Die geimpften Sauen bilden zwar einen Uterusschutz aus, bereits vorher infizierte Ferkel lassen sich aber nachträglich nicht mehr schützen. Die Würfe kamen weiterhin mit einem hohen Prozentsatz an lebensschwachen Ferkeln auf die Welt. Die Saugferkelverlustrate verdoppelte sich auf 20 bis 25%.
Ein starkes Auseinanderwachsen der Würfe war zu sehen und ein massiver Anstieg an Sekundärinfektionen. Vor allem waren Infektionen mit Streptokokken unter Beteiligung der Glässer-Krankheit die Folge, was sich auch im Flatdeck mit deutlich erhöhten Verlustraten von 6 bis 10% niedergeschlagen hat.
Auch hatten typische Spätaborte bei den Sauen zugenommen. Die Grenze von 2% wurde aber nicht überschritten.
Abferkelgruppen beprobt
Um einen umfassenden Überblick über die Abferkelgruppen zu erlangen, wurden zur begleitenden Diagnostik wöchentlich Hodensaftproben genommen. Unsere Praxis startete damit in der Osterwoche, weil – aufgrund des oben erwähnten Zeitverzuges bei intrauterin infizierten Ferkeln – vorher noch kein großer Effekt zu erwarten war.
Um einen gesicherten Ausstieg aus der Ferkelimpfung bestimmen zu können, wurden ab Mai zusätzlich noch Serumproben von Ferkeln einen Tag vor der PRRS-Impfung genommen. Die Ergebnisse dazu sind in den Übersichten 1 und 2, auf Seite 36 dargestellt.
Anhand von Angaben aus der Literatur und Gesprächen mit anerkannten PRRS-Spezialisten haben wir geglaubt, dass ab etwa Juli 2019 die Ferkel PRRS-negativ sein müssten. Leider hatten die Untersuchungen sowohl der Hodensaft- als auch der Blutproben zu anderen Ergebnissen geführt.
Dies war für unsere Praxis Anlass, nochmals über die Hygienemaßnahmen zu diskutieren. Denn nur bei optimierter Arbeitsweise sollte es gelingen, das Virus aus dem Betrieb zu schleusen.
Kein Versetzen der Ferkel
Beim nächsten Besuch wurden mit den Mitarbeitern Grundsätze vereinbart, die den Sanierungserfolg erst möglich werden ließen. Dazu gehörten:
- Vorübergehendes striktes Absetzen der Ferkel mit 21 Tagen Säugezeit;
- absolutes Verbot Ammenferkel in jüngere Gruppen zu stallen;
- konsequentes Abteil-Rein-Raus und kein Zurückstallen von Sauen in jüngere Abferkelgruppen;
- konsequentes Reinigen und Desinfizieren von Abteilen und Treibewegen zur Ferkelrampe, bevor neue Abferkelgruppen getrieben werden;
- kein Vermischen von Mitarbeitern aus Abferkelung und Ferkelaufzucht.
Die am schwierigsten umzusetzende Maßnahme war aufgrund der vielen untergewichtigen und z.T. lebensschwachen Ferkel der Verzicht auf zusätzliche Ammensauen in jüngeren Altersgruppen. Um den schwachen Ferkeln doch noch die vermeintlich besten Chancen zu bieten, wurden sie weiterhin gegen die Absprache umgesetzt. Dies hielt den Infektionskreislauf des PRRS-Virus am Leben und verhinderte den Sanierungserfolg.
Um diesem Problem zu begegnen wurde beschlossen, ein wochengruppenspezifisches Ohrmarkensystem einzuführen. Jedes Ferkel konnte somit ab dem zweiten Lebenstag einer Wochengruppe zugeordnet werden. Somit konnten gerade in den schwächeren Würfen festgestellt werden, ob verschiedene Altersgruppen an einer Sau waren oder nicht.
Wieder PRRS-negative Ferkel
Nachdem die Hygienemaßnahmen umgesetzt und standardisiert waren, ließ der Erfolg nicht lange auf sich warten. Ab Oktober 2019 konnte dann sogar auf die Ferkelimpfung verzichtet werden. Die Ferkelpartien konnten wieder virusnegativ abgesetzt werden. Daraufhin wurde die Säugezeit wieder auf ursprüngliche 25 bis 28 Tage angepasst.
Die Sauenimpfung wurde als Schutzmaßnahme im Betrieb fortgesetzt, jedoch auf ein reproduktionsbezogenes, gruppenweises Impfregime umgestellt. Die Ferkelzahlen konnten verbessert werden und erreichten etwa sieben Monate nach dem Eintrag das alte Niveau.