In einem Mastbetrieb zeigte jedes zweite der etwa 50 kg schweren Schweine Fundamentprobleme. Der Knochenstoffwechsel war massiv gestört.
Dr. Torsten Pabst, Tierarzt aus Dülmen
Seit mehreren Monaten beobachtete Landwirt Werner Brinkhaus (Name geändert) das gleiche Krankheitsbild: Wenige Tage nach der Einstallung traten bei einzelnen Schweinen Lahmheiten und z.T. massive Gliedmaßenfehlstellungen auf.
Die bisherige Diagnostik von Gelenkpunktaten hatte verschiedene Ergebnisse gebracht. Mal konnte Mycoplasma hyosynoviae nachgewiesen werden, mal Streptokokken, ein anderes Mal war das Gelenkpunktat steril und es wurden keine Erreger nachgewiesen. Auch bei Sektionstieren konnten im weiteren Verlauf keine krankmachenden Keime aus den Gelenken isoliert werden.
Steifer Gang
So wurde der Schweinegesundheitsdienst (SGD) hinzugezogen. Nach einem gemeinsamen Besuch stand fest: Die Hälfte der etwa 50 kg schweren Tiere zeigte Fundamentprobleme. Sie reichten von steifem, trippelndem Gang, Verweilen in hundesitziger Stellung bis hin zu hochgradigen Hinter- und/oder Vorderhandlahmheiten.
Zudem waren häufig Hilfsschleimbeutel im Bereich der Vorderfußwurzel- und Sprunggelenke ausgebildet. Zusätzlich zu den beschriebenen Symptomen hatten die Schweine auch Gliedmaßenfehlstellungen, die sich vor allem in einer Vorbiegung der Vorderfußwurzelgelenke und in einer steilen Hinterhandstellung zeigten.
Aus den vorliegenden Befunden ergab sich die Verdachtsdiagnose, dass die Schweine an Osteochondrose, die zum Beinschwäche-Syndrom zählt, erkrankt sind. Sie ist charakterisiert durch Defekte der Gelenkknorpel und der knorpeligen Wachstumszonen im Knochen. Insbesondere frohwüchsige Rassen, bei denen das Skelettwachstum nicht in gleichem Maße dem Muskelwachstum hinterherkommt, sind betroffen.
Beim Umbau der knorpeligen Wachstumszonen in Knochen spielen Mineralstoffe wie Calcium und Phosphor, aber auch Mangan, Kupfer und Zink eine Rolle. Über- und Unterversorgung sowie ein falsches Verhältnis der einzelnen Mineralstoffe zueinander können den Knochenstoffwechsel stören.
Zwei Schweine zum Röntgen
Osteochondrotische Veränderungen treten beim Schwein vor allem am Oberschenkelkopf, am Sitzbein sowie an der unteren Wachstumsfuge der Elle auf. Am lebenden Tier lässt sich Osteochondrose nur durch eine aufwendige Röntgenuntersuchung diagnostizieren, was in der Schweinepraxis jedoch nicht gängig ist, aber in diesem Fall gemacht wurde.
Zwei Mastschweine wurden in Narkose gelegt und geröntgt. Die unteren Wachstumsfugen der Elle erschienen verbreitert und unregelmäßig. Außerdem waren im darunterliegenden Knochen Bereiche sichtbar, in denen sich der Knochen aufgelöst hat. Im Ellbogengelenk konnte bei einem Schwein die Ablösung des Knorpels vom darunterliegenden Knochen diagnostiziert werden. Die Verdachtsdiagnose konnte damit bestätigt werden.
Seit Jahren bezieht Werner Brinkhaus seine Ferkel von einem größeren Sauenbetrieb in der Nähe. Da die Krankheitssymptome zum Teil bereits kurz nach Einstallung auftraten, wurden weiterführende Untersuchungen im Ferkelerzeugerbetrieb zur Ursachenfindung eingeleitet. Bei der Untersuchung der Rationen wurden im Ferkelaufzuchtfutter 2 zu niedrige Gehalte an Calcium und Phosphor festgestellt. Auch beim Ferkelfutter 3 gab es Auffälligkeiten. So waren der Calcium-Gehalt zu niedrig und das Calcium-Phosphor-Verhältnis sehr eng.
Auf Knochenmarker getestet
Zusätzlich wurde beim niederländischen Tiergesundheitsdienst eine Untersuchung des Calcium-Stoffwechsels durchgeführt. Hierzu wurden Blutproben eingeschickt und auf zwei Knochenmarker analysiert. Der erste Marker war das CTx (C-terminales Telopeptid), das beim Knochenabbau freigesetzt wird. Zudem wurde auf Osteocalcin (OC) analysiert, das von den knochenaufbauenden Zellen gebildet wird. Somit ist Osteocalcin ein Marker der Knochenbildung.
Diese Werte sowie das Verhältnis der beiden zueinander lässt Rückschlüsse zu, ob die wachsenden Tiere genügend Knochen aufbauen oder sich in einer Mangelsituation befinden. Bei letzerem wird nicht genug Knorpel in Knochen umgewandelt. Bei wachsenden Schweinen sollte OC hoch und CTx niedrig sein. Bei den untersuchten Mastläufern waren die Ergebnisse von OC zu niedrig und von CTx zu hoch. Somit wiesen die Laborergebnisse auf knochenabbauende Prozesse hin, was ebenfalls die Verdachtsdiagnose unterstrich.
Ferkelfütterung angepasst
Aufgrund der Laborergebnisse wurde die Fütterung in der Ferkelaufzucht angepasst. Neben einer Korrektur des Calciumgehaltes wurde auch die Versorgung mit Vitamin D3, das eine zentrale Rolle bei der Regulierung des Calcium-Stoffwechsels spielt, geändert. Vitamin D3, wird unter UV-Strahlung in der Haut gebildet oder muss alternativ über das Futter zugeführt werden.
In der Ferkelaufzucht wurde von einer Zugabe von Vitamin D3 auf die Fütterung von Calcidiol umgestellt. Dabei handelt es sich um die biologisch aktive Form des Vitamin D3, das normalerweise in der Leber gebildet wird. Durch die Zugabe wird dieser Schritt umgangen, der Stoffwechsel entlastet und das Vitamin D3 besser verfügbar gemacht. Die Optimierung der Fütterung in der Ferkelaufzucht hat dazu geführt, dass in der Mast keine Fundamentprobleme mehr aufgetreten sind.