Um Saugferkelverluste zu vermeiden, braucht es umsichtige, ruhige Sauen. Ein Mütterlichkeitsindex bietet neue züchterische Möglichkeiten.
Elisabeth Sinz und Günther Dahinten, Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft
Die freie Abferkelung ist im ökologischen Landbau gesetzlich vorgeschrieben. Aber auch in der konventionellen Schweinehaltung werden Systeme für die freie Haltung in der Abferkelbucht zunehmend diskutiert.
Doch es gibt zwei wesentliche Herausforderungen, die im Zusammenhang mit dem freien Abferkeln stehen und bislang noch nicht zufriedenstellend gelöst sind. Gerade in der ersten Lebenswoche nach der Geburt ist das Risiko für Ferkelverluste insbesondere durch Erdrücken hoch. Sauen, die sich umsichtig und kontrolliert ablegen, sind hier von Vorteil. Zudem ist der Betreuer bei diesem Haltungsverfahren dem Verteidigungsverhalten der Sau zum Schutz ihrer Ferkel direkt ausgesetzt. Folglich erfordert das freie Abferkeln besonders mütterliche und umgängliche Sauen.
Verhalten berücksichtigen
Die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) hat hierzu ein Projekt koordiniert, an dem sich insbesondere ökologisch arbeitende Sauenhalter beteiligten. Ein Ziel war, ein Tool zu entwickelt, mittels dessen Ferkelerzeuger mütterliche und umgängliche Sauen für die Nachzucht auswählen können.
Im Laufe des Projektes kristallisierten sich drei Merkmale als langfristig entscheidende Parameter für die Eigenremontierung in der Praxis heraus. Dies sind das Geburtsverhalten, die Wurfqualität zur Geburt sowie die Umgänglichkeit der Sauen bei Maßnahmen an den Ferkeln.
Insbesondere das Geburtsverhalten hat einen großen Einfluss auf die Aufzuchtleistung. Eine gute Geburt geht mit einer geringeren Anzahl tot geborener Ferkel, einer höheren Anzahl abgesetzter Ferkel und folglich mit geringeren prozentualen Saugferkelverlusten einher.
Darüber hinaus hängt die Aufzuchtleistung sehr stark von der Wurfqualität ab. Bei vitalen und homogenen Würfen sind die durchschnittlichen Geburtsgewichte statistisch abgesichert höher. Es werden zwar im Schnitt weniger lebende Ferkel geboren. Durch deutlich reduzierte prozentuale Saugferkelverluste werden gleich viele bzw. mehr Ferkel abgesetzt. Zusätzlich ist die Anzahl Totgeborener bei einer guten Wurfqualität signifikant niedriger.
Daneben beeinflusst das Verhalten der Sau beim Abliegen die Überlebensrate der Ferkel. In Würfen von Sauen, die Vorabliegeverhalten zeigen und sich kontrolliert und aufmerksam ablegen, ist die Höhe an Ferkelverlusten sowohl durch Erdrücken als auch insgesamt reduziert.
Index für Mütterlichkeit
Eine wichtige Erkenntnis war, dass die Aufzuchtleistung und die Umgänglichkeit nicht negativ miteinander korreliert sind. Folglich können Tierhalter Sauen mit einem starken Verteidigungsverhalten ohne Leistungseinbußen aus dem Bestand nehmen.
Für die Einschätzung der Eignung von Sauen für die Eigenremontierung hat die LfL gemeinsam mit Praktikern, Beratern und der Wissenschaft den Mütterlichkeitsindex entwickelt. Dieser beinhaltet folgende Merkmale und Kriterien:
- Aufgezogene Ferkel,
- Geburtsverlauf (Geburtshilfe und -verhalten),
- Ferkelvitalität und Wurfhomogenität zur Geburt,
- Gesundheitsstatus der Sau (MMA, Fieber, Futteraufnahme),
- Abliegeverhalten (Vorabliegeverhalten, kontrolliertes Abliegen),
- Umgänglichkeit (Verteidigungsverhalten gegenüber Menschen).
Der Mütterlichkeitsindex kann Werte zwischen 0 und 10 annehmen. Je höher der Wert, desto besser die Eignung der Sau für die Eigenremontierung. Für die Beurteilung der Eignung sollten die Daten von mindestens zwei Würfen berücksichtigt werden.
Für die Erfassung der funktionalen Merkmale und der Leistungsdaten hat die LfL mit ihren Partnern das Formular „Mütterlichkeitskarte“ entwickelt. Ein EDV-Programm ermöglicht die Auswertung der Daten und die Berechnung des Mütterlichkeitsindexes (Link: www.lfl.bayern.de/muetterlichkeitsindex).
Ökoindex für KB-Eber
Auch auf der Vaterseite können nun die richtigen Vererber ausgewählt werden. In Zusammenarbeit mit den bayerischen Ökoverbänden und der LfL wurde in mehreren Schritten eine speziell für Biobetriebe optimale Gewichtung der Einzelmerkmale erarbeitet.
Darauf aufbauend werden die Mutterrasseneber der EGZH mit dem Bayerischen Ökoindex (BÖI) ausgezeichnet. Dabei werden die Merkmale Mütterlichkeit, Wurfhomogenität und Verbleiberate stärker als im konventionellen Zuchtwert gewichtet. Das Merkmal Fruchtbarkeit tritt etwas in den Hintergrund.
In den Listen der bayerischen Besamungsstationen ist der neue Index am Kürzel BÖI erkennbar. Damit steht allen Eigenremontierern mit EGZH-Genetik das Werkzeug zur Erzeugung sehr mütterlicher Sauen zur Verfügung.
Optimiert werden kann dies durch die Nutzung der Genomik in der eigenen Sauenherde zum Erhalt der individuellen BÖIs für jede Bestands- bzw. Jungsau. Einmalig in Deutschland kann man zusätzlich Informationen über die Coliresistenz F4 und F18 seiner Sauen erhalten. Auch dies trägt dazu bei, die Aufzuchtverluste weiter zu reduzieren.