Englische Schweinehalter wollen für unabhängige Beratung nicht zahlen. Dadurch verliert die Produktion an Boden, die Herdengesundheit ist schlecht. Die Branchenorganisation BPEX will nun neue Beratungsstrukturen aufbauen.Englands Schweinehalter stehen unter Druck. Jahr für Jahr steigen zahlreiche Betriebe aus der Produktion aus, weil die Schweinefleischpreise im Keller sind. Seuchenzüge, extrem hohe Tierschutzauflagen und eine gewisse Investitionsmüdigkeit bei den Landwirten tun ihr Übriges. Um diesen negativen, sich selbst verstärkenden Trend zu stoppen, hat die Branchenorganisation „British Pig Executive (BPEX)“ eine Strategie mit dem Titel „Road to recovery“, zu deutsch „Straße der Erholung“, aufgestellt. Ziel der BPEX ist es, den Schweinehaltern Wege aufzuzeigen, wie sich die britische Schweinehaltung wieder erholen kann. Beratungsresistenz wirft Landwirte zurück Wichtigstes Ziel der Strategie ist die Vermittlung von unabhängigem Fachwissen. Laut BPEX-Entwicklungschef Mark Wilson mangelt es in England an allen Ecken und Kanten an einer guten fachlichen Beratung. Das Problem ist zum Teil hausgemacht. „Die britischen Schweinehalter sehen einfach nicht ein, warum man für Beratung zahlen soll. Seit der landesweite, kostenlose Beratungsdienst ADAS in den siebziger Jahren privatisiert wurde, klafft hier eine große Lücke“, so Mark Wilson. Diese Lücke will man nach 30 Jahren endlich schließen. Die BPEX hat dazu vier regionale Berater eingestellt, die als Bindeglied zwischen der Forschung und der Praxis arbeiten sollen. Für die Landwirte ist das Angebot vorerst kostenlos, was den Beratern zweifels-ohne viele Hoftore öffnet. Das kann Beraterin Lisbeth Ravn bestätigen. Die aus Dänemark stammende Frau arbeitet seit drei Jahren für die BPEX. „Inzwischen ist es uns sogar gelungen, einige Arbeitskreise aufzubauen und Workshops anzubieten, in denen wir über aktuelle Probleme diskutieren. Gleichzeitig bieten wir zu aktuellen, fachlichen Themen Merkblätter an. Und für die auch in Großbritannien zahlreichen Mitarbeiter aus Osteuropa werden diese Infoblätter in mehrere Sprachen übersetzt“, schildert Ravn ihre positiven Erfahrungen. Aber woher nimmt die BPEX das Geld, um die kostenlose Beratung anbieten zu können? Die Antwort ist einfach: Der Organisation stehen finanzielle Mittel aus dem so genannten „Schweineabgabenfonds“ zur Verfügung. Die Landwirte führen in den Jahren 2008/2009 umgerechnet 85 Cent pro Schwein in diesen Topf ab, weitere 23 Cent pro Tier kommen von den Schlachtereien. Pro Jahr kommen so rund 8,7 Mio. € zusammen. „Indirekt bezahlen unsere Landwirte also doch für die Beratung. Anscheinend fällt es den hiesigen Schweinehaltern aber leichter, wenn die Mittel direkt abgezogen werden und sie das Geld nicht eigenhändig überweisen müssen“, mutmaßt Lisbeth Ravn. Die Beraterin wäre jedenfalls froh, wenn die ersten Beratungserfolge dazu führen würden, dass die Schweinehalter mehr Verständnis dafür entwickeln, dass unabhängige Beratung zwar Geld kostet, aber auch Vorteile bringt. Tierkrankheiten schwächen die Betriebe Einen zweiten Grund für die anhaltenden Probleme der britischen Schweinehalter sieht Mark Wilson im mangelhaften Tiergesundheitsmanagement. Die Maul- und Klauenseuche, Schweinepestzüge sowie PMWS- und Circovirus-Probleme haben die Landwirte in den letzten Jahren viel Geld gekostet. „Mancher Farmer ist dadurch pleite gegangen. Demzufolge ist der Sauenbestand seit 1998 auf gut 420 000 Stück gesunken“, stellt Mark Wilson ernüchtert fest. Auch hier will die BPEX gegensteuern. Derzeit versucht man die Schweinehalter zu sensibilisieren. Um die Gesundheitsprobleme besser analysieren zu können, sollen die Landwirte über die BPEX zum Beispiel eine erweiterte Gesundheitskontrolle bestellen können. Im Rahmen dieser Maßnahme werden die an die Schlachtereien gelieferten Tiere genauer untersucht. So lässt sich besser klären, welche Krankheiten im Bestand vorkommen und wann diese problematisch werden. Ziel ist eine gezieltere Krankheitsvorbeuge in den Betrieben. Das müssen die Landwirte übrigens nicht allein bezahlen, sondern sie können mit der Unterstützung durch öffentliche Kassen rechnen. Wer am Programm „The British Pig Health Scheme“ teilnimmt, dessen Schlachttiere werden mindestens zweimal monatlich untersucht. Zwei Kunden-Typen Als große Herausforderung betrachtet es die BPEX, dass sie ihr Beratungsangebot an zwei Kundentypen anpassen muss. Auf der einen Seite sind es die Familienbetriebe, die dringend unabhängige Beratung benötigen. Auf der anderen Seite sind es die großen Gesellschaften, deren Anzahl stetig zunimmt. Laut BPEX erzeugen derzeit 35 Gesellschaften etwa die Hälfte aller britischen Schweine. Während die Gesellschaften in der Regel selbst Tierärzte und Berater anstellen und auf Angebote von außen eher zögerlich reagieren, benötigen die Familien-betriebe oft eine sehr detaillierte Produktionsberatung. Das umfasst unter anderem das Besamungsmanagement. Bei den Gesellschaften sieht die BPEX ihre Funktion hingegen mehr als unterstützende Kraft. Im Vordergrund stehen Aufgaben wie zum Beispiel die Erstellung von Dokumentationen oder das Zusammenstellen von fachlichen Argumenten, mit denen die Öffentlichkeit oder die Politik informiert wird. Ziel dieser Arbeit ist es, die Bürger zu informieren und optimale Produktionsbedingungen für die britischen Schweinehalter zu erreichen. „Derzeit arbeiten wir zum Beispiel an Lösungen, wie wir die Umweltbelastungen durch die intensive Schweinehaltung verringern können“, erklärt Wilson. Wird die Zukunft besser? Durch die längst überfällige Neuausrichtung der Beratung sehen die Mitarbeiter der BPEX die Zukunft der britischen Schweineproduktion insgesamt wieder positiver. „Wir beobachten ein reges Interesse an unseren Informationsveranstaltungen“, erklärt Mark Wilson. „Viele Landwirte sprechen mit uns über Investitionen und Betriebsentwicklungen. Im Übrigen hört man vom Einzelhandel, dass er auch künftig auf britisches Schweinefleisch setzt. Wenn das so bleibt und die Erzeuger langfristige Verträge abschließen können, sieht die Zukunft wieder besser aus. Anja Pernille Jacobsen, Fachzeitschrift Hyologisk, Dänemark