Falsche Gewichte durch Handysmog und andere faule Tricks. Schummeln beim Wiegen kostet bares Geld. Wir haben recherchiert, wie Gewichte mit Handys und anderen Tricksereien verfälscht werden. T rotz Eichung gilt: Waagen lassen sich erstaunlich leicht manipulieren. Das wissen sogar die Eichämter. Besonders betroffen sind elektronische Waagen So wurde mittlerweile festgestellt, dass elektromagnetische Strahlung, die von einem Handy, einem Funkgerät oder einem Babyphone ausgeht, die Waagen beeinflussen können. Mobiltelefone sorgen für Chaos Legt man zum Beispiel ein Funkgerät oder das Mobiltelefon neben die Rechnereinheit der Waage und geht dann ein Anruf ein bzw. wird die Sendetaste gedrückt, springt das angezeigte Gewicht rauf und runter. Rechtlich unzulässige Abweichungen von mehreren hundert Gramm sind durchaus möglich. Sie glauben das nicht? Dann probieren Sie dies einmal zu Hause an ihrer Küchenwaage aus. Fachleuten ist es auf diesem Weg angeblich auch gelungen, das Gewicht eines Viehtransporters glatt um die Hälfte zu reduzieren! Bedeutet das nun, dass alle elektronischen Waagen sofort aus dem Verkehr gezogen werden müssen, weil sie nicht 100 %ig genau arbeiten bzw. nicht ausreichend störfest sind? Experten der Eichämter sagen grundsätzlich Ja. Wenn sich das Gewicht je nach Waagentyp zielgerichtet um 20, 30 oder 50 kg verändern lässt und das ist möglich, wie interne Untersuchungen zeigen müssten die Waagen im Grunde genommen sofort aus dem Verkehr gezogen werden, bestätigt Arnold Beumker, zuständig für die Messgeräteüberwachung beim Landesbetrieb für Mess- und Eichwesen (LBME) in Köln. Unser großes Problem ist nur, dass wir nicht alle elektronischen Waagen von heute auf morgen stilllegen können. Dann würde ein Chaos im Lande ausbrechen. Schlachtschweine oder Ferkel könnten nicht mehr abgerechnet werden und auch für Futtermittel oder Getreide wäre keine Abrechnungseinheit mehr vorhanden, verdeutlicht der Geschäftsbereichsleiter des LBME das Dilemma. Weil die Probleme mittlerweile erkannt worden sind, üben die Behörden verstärkt Druck auf die Waagenhersteller aus. Zwar verweisen diese darauf, dass sie ihre Geräte nach gültiger EU-Norm prüfen lassen. Doch anscheinend reichen die Anforderungen in unserer modernen Kommunikationsgesellschaft, in der fast jeder ein Handy mit sich herumträgt, nicht mehr aus. Aus diesem Grund hat der Landesbetrieb für Mess- und Eichwesen NRW inzwischen alle Waagenbauer schriftlich dazu aufgefordert, bereits installierte Geräte technisch so aufzurüsten, dass eine Mindeststörfestigkeit gegeben ist. Dabei sollen so genannte Feldsensoren die elektromagnetische Störung erkennen, melden und die Verarbeitung der Messwerte verhindern. Zusätzlich haben die Hersteller die Möglichkeit, die Waagen besser gegen elektromagnetische Strahlung abzuschirmen. Doch das Interesse an einer schnellen Lösung scheint eher gering zu sein. Mancher Waagenhersteller scheut anscheinend die zusätzlichen Kosten für die Umrüstung. Bis zur endgültigen Behebung der Probleme bzw. bis zur Umsetzung neuer Zulassungsvorschriften, in denen die Funkwellenproblematik endlich berücksichtigt wird, gilt: Betreiber elektronischer Waagen müssen dafür sorgen, dass im Umkreis von 20 m um Fahrzeug-, Plattform-, Kran- oder Radladerwaagen keine Sprechfunkgeräte, Handys, W-LAN-Netze oder vergleichbare Geräte mit Funkstrahlung verwendet werden. Die Hinweise müssen auf gut sichtbaren Schildern für jedermann einzusehen sein. Ideal ist diese Lösung sicherlich nicht. Doch zum jetzigen Zeitpunkt müssen wir mit dieser Regelung leben, beschreibt Arnold Beumker die aus seiner Sicht unbefriedigende Situation. Falsche Bandgeschwindigkeit Doch nicht nur das Funkwellen-Problem bereitet dem Kölner Amtmann Kopfschmerzen. Regelmäßig muss er sich auch mit anderweitigen Wiege-Verstößen auseinandersetzen. Beim Betrieb von Waagen bzw. Wiegeeinrichtungen stellen wir regelmäßig fest, dass gesetzliche Vorgaben nicht korrekt eingehalten bzw. umgangen werden. Davon ist auch der landwirtschaftliche Sektor an vielen Stellen betroffen, so Arnold Beumker. Einen regelrechten Manipulationsfundus stellen die amtlichen Kontrollen im Schlachthofsektor dar. Veränderungen der Bandgeschwindigkeiten gehören schon fast zum Alltagsgeschäft. Das Problem dabei: Wird die Laufgeschwindigkeit der Schlachtbänder vorübergehend erhöht, erfasst die eingebaute Hängebandwaage das Schlachtkörpergewicht nicht mehr korrekt. Werden zum Beispiel 25 statt 20 Schlachtkörper in einer Minute über den Wiegebalken hinweggezogen, fehlt der Waage schlichtweg die Zeit zur richtigen Gewichtsermittlung, berichtet ein Prüfingenieur von seinen Alltagserfahrungen. Hundertprozentig absichern kann man sich gegen solch kriminelle Praktiken nicht. Das Eichamt führt zwar regelmäßige Kontrollen im ruhenden und laufenden Betrieb durch. Was aber in der Zwischenzeit passiert, darüber gibt es keine Protokolle. Wir haben nur die Möglichkeit, unangemeldet eine bestimmte Anzahl bereits verwogener Schweine aus dem Kühlhaus herauszuziehen und diese auf einer separaten Waage nachzuwiegen, erklärt Peter Broja, Leiter des Eichamtes im westfälischen Münster, die Kontrollprozedur. Hilfreich wäre für die Prüfer sicherlich ein Geschwindigkeitsmesser, der die Bandgeschwindigkeiten aufzeichnet. Doch solch ein Überwachungsinstrument ist rechtlich bislang nicht vorgeschrieben also bleibt eine Grauzone bestehen, die meist zu Lasten der Landwirte geht. Schlachtkörper schleifen über den Boden Finanzielle Nachteile entstehen auch, wenn der Abstand der Bandwaage zum Boden zu gering ist, wie in Übersicht 1 im linken Bild zu sehen. Regelmäßig werden Fälle aufgedeckt, bei denen die Schlachtkörper größerer Schweine während des Wiegeprozesses über den Boden schleifen. Verändert sich das Gewicht durch diese Machenschaften um 1,5 kg pro Tier und sind davon täglich 1 500 Schweine betroffen, errechnet sich bei einem Auszahlungpreis von 1,20 Q je kg Schlachtgewicht für den Schlachthof ein finanzieller Vorteil von 2 700 Q pro Tag. Auf ein Jahr hochgerechnet liegt der eingesparte Auszahlungspreis bei knapp 650 000 Q für die liefernden Landwirte ein immenser Schaden. Konkrete Verstöße haben wir diesbezüglich wiederholt ermittelt, wenn die Tiere aufgrund von Sperrmaßnahmen, z. B. bei einem Schweinepestzug, nicht rechtzeitig geschlachtet werden konnten. Wegen des Lieferstopps wurden die Tiere länger und größer, und so reichte der Abstand von der Waage zum Boden nicht mehr bei allen Tieren aus, bestätigt uns ein Prüfer vom Eichamt. Um diese Verstöße künftig unterbinden zu können, fordern die Eichämter nun, dass der Abstand beim Einsatz einer 300 kg-Waage vom Wiegebalken zum Boden bei mindestens 3,20 bis 3,60 m liegt. In der Praxis sind Fälle aufgetaucht, bei denen die Schweine während der Verwiegung im Schlachthof über extra aufgestellte Rampen oder Brüstungen bzw. Emporen schleifen. Die mittlere Zeichnung zeigt dies. Als Konsequenz aus den Vorfällen haben die Eichbehörden mittlerweile neue Regeln aufgestellt. Jetzt muss der seitliche Abstand zu Rampen oder ähnlichem so groß sein, dass die Schlachtkörper diese auf keinen Fall mehr berühren können. Mehrmals publik geworden sind Verstöße, bei denen die Schlachtkörper aneinander schlagen (siehe Fall 3, rechte Zeichnung). Das kann zwei Ursachen haben. Entweder ist der Abstand der Schlachthaken am Bandförderer zu gering, oder durch ruckartige Bewegungen des Bandes kommen die Schlachtkörper in Schwingung. In beiden Fällen ist keine ordnungsgemäße Verwiegung mehr möglich. Schlachtbänder dürfen deshalb heute nicht mehr abrupt gestoppt oder angefahren werden. Auch folgendes ist bei verschiedenen Prüfterminen aufgefallen: Vielfach werden so genannte nichtselbsttätige Waagen zur Eichung angemeldet. Bei diesem Waagentyp überwacht das Bedienpersonal den Messvorgang, und es kann bei Störungen sofort eingreifen. Nach der Eichung werden diese Geräte dann oft als selbsttätige Waagen betrieben. Bei diesen erfolgt die eigentliche Wägung sowie das Aufbringen der zu wiegenden Ware automatisch. Das Problem: Niemand kontrolliert, ob der Wiegeprozess korrekt abläuft. Störungen bleiben unentdeckt. Die falsche Berücksichtigung der Schlachthakengewichte (Taragewicht) gehört ebenfalls zur Mängelliste des Eichamtes. Zwar werden regelmäßig Stichproben durchgeführt, der Austausch defekter Haken gegen leichtere Modelle kann aber nicht sofort kontrolliert werden. Und eine Meldepflicht diesbezüglich besteht nicht. Betrugsnachweis schwierig Für die Eichbehörden besonders problematisch ist, dass einige der genannten Verstöße nur sehr schwer nachzuweisen sind. Ob das Aneinanderschlagen der Schlachtkörper tatsächlich ein Problem ist, kann allein im Rahmen der Eichtermine überprüft werden. Was in der Zwischenzeit passiert, also im laufenden Produktionsprozess, können wir uns zwar vorstellen. Beweisen können wir solche Regelverstöße aber nur selten. Dafür bräuchten wir zum Beispiel eine Videoüberwachung der Anlagen, beschreibt Arnold Beumker die Probleme, mit der sich seine Überwachungsbehörde auseinandersetzen muss. Zwar drohen dem Betreiber bei Verstößen Geldbußen von bis zu 10 000 Q. Solange der Schlachthofbesitzer, der Futtermittelhändler oder andere Geschäftspartner trotz Bußgeldzahlungen aber keinen eigenen finanziellen Schaden erleiden, ist das Interesse zur Verhinderung der genannten Vorfälle eher gering. Und mit höheren Strafen muss der Anlagenbesitzer derzeit nicht rechnen. Dies würde erst geschehen, wenn der durch Manipulationen zusätzlich erwirtschaftete Gewinn einwandfrei nachgewiesen würde. Ein derartiger Nachweis ist den Eichbehörden aber bis heute nicht gelungen. Um den Druck weiter zu erhöhen, wird derzeit das Eichrecht überarbeitet. In diesem Zuge soll der maximale Bußgeldbetrag deutlich angehoben werden. Zudem arbeitet man an neuen Vor-Ort-Kontrollverfahren, um die in der Vergangenheit aufgetretenen Vorfälle künftig schneller aufdecken bzw. verhindern zu können. Jeden Verdachtsfall melden! Haben Landwirte Zweifel an der Richtigkeit von Wiegeergebnissen, können sie sich direkt an das zuständige Eichamt wenden. Eine übersichtliche Liste der bundesdeutschen Eichämter ist unter der Internetadresse www.eichamt.de zu finden. Der Eichbehörde sollte mitgeteilt werden, welche Verstöße beobachtet wurden bzw. wieso Zweifel an der Richtigkeit der Messergebnisse aufgekommen sind. Die zuständigen Mitarbeiter werden dann mittels einer amtlichen Überprüfung den Zustand und den Betrieb der Wiegesysteme überprüfen. Die Nachprüfungen sind für den Antragsteller in diesem Fall den Landwirt kostenlos. Daher sollte auf keinen Fall Mißbrauch damit betrieben werden. Einer Nachprüfung müssen schon konkrete Verdachtshinweise zugrunde liegen. Bei Unklarheiten, zum Beispiel unplausible Schlachtgewichte auf der Schlachtabrechnung, können Landwirte zusätzlich die Gewichte aus dem so genannten Alibidrucker verlangen. Der Alibidrucker, bzw. ein zusätzlicher Datenspeicher mit eichfähiger Software, muss immer dann vorhanden sein, wenn an der Waage zur Datenverarbeitung ein frei programmierbarer Computer angeschlossen ist (siehe Übersicht 2). Sinn des Alibidruckers bzw. der geeichten Dateneinheit ist es, die Messdaten unveränderlich und sicher für mindestens drei Monate aufzuzeichnen. Die Messwerte müssen übrigens beiden von der Messung betroffenen Parteien jederzeit zugänglich sein! Sollte der Alibidrucker bzw. der Datenspeicher ausfallen, darf die Waage nicht mehr betrieben werden. Ausreden des Geschäftspartners gelten in diesem Fall nicht, die Daten müssen vorliegen. Andernfalls liegt eine Ordnungswidrigkeit vor. Auch muss gewährleistet sein, dass die Daten auf der Schlachtabrechnung mit denen auf dem Ausdruck des Alibidruckers jederzeit vom Landwirt eingesehen werden können. Fazit Funkwellen bringen elektronische Waagen durcheinander. So entstehen beim Verwiegen von Schlachtschweinen, Ferkeln, Futtermitteln oder anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen falsche Wiegeergebnisse, die den Verkäufer benachteiligen. Landwirte sollten beim Wiegen des Viehtransporters oder des Getreidelasters darauf achten, dass sich kein Handy, kein Funkgerät oder ähnliche Geräte in der Nähe der Rechnereinheit der Waage befi nden. Ein Mindestabstand von 20 m ist einzuhalten. Die Eichämter als zuständige Kontrollbehörden decken darüber hinaus häufi ger auch andere kriminelle Machenschaften auf, mit denen Wiegeergebnisse gezielt beeinfl usst werden. So hat die Waage im Schlachthof oft nicht genügend Zeit, das Gewicht einwandfrei zu erfassen, weil z. B. die Bandgeschwindigkeit zu hoch ist. In anderen Fällen schleifen die Schlachtkörper während des Wiegeprozesses über den Boden oder sie schlagen aneinander. Bestehen Zweifel an der Richtigkeit der Ergebnisse, sollten Landwirte das zuständige Eichamt mit einer Nachprüfung beauftragen. Für den Schweinehalter fallen dabei keine Kosten an. Außerdem kann jeder Lieferant die Wiegedaten aus dem geeichten Datenspeicher der Waage verlangen und mit denen auf seiner Abrechnung vergleichen. Diese Daten müssen für den Landwirt jederzeit zugänglich sein Ausreden oder das Hinhalten mit fadenscheinigen Argumenten zählen nicht. Marcus Arden - Arden,Marcus -