Eine Sau gibt 3 bis 4 kg Biestmilch. Dennoch sind nicht alle kleinen und spätgeborenen Ferkel sicher versorgt. Ein neuer Test zeigt, wie gut das eigene Biestmilch-Management ist.
Das neugeborene Ferkel muss möglichst schnell genügend Kolostrum aufnehmen. Denn Biestmilch beinhaltet wichtige Antikörper, über die das Ferkel eine passive Immunabwehr aufbaut, um so vor Krankheiten geschützt zu sein. Die enthaltenen Antikörper gehören zu der Gruppe der Immunoglobuline, wobei das Immunoglobulin G (IgG) rund 80 % ausmacht. Neben der Immunität sichert Kolostrum auch die Versorgung der Neugeborenen mit Energie, Vitaminen, Mengen- und Spurenelementen und Hormonen. Außerdem wirkt Biestmilch leicht abführend, sodass der erste Kot schnell abgesetzt wird.
Vitale Ferkel erwünscht
Wie sich das Kolostrum auf die Überlebensrate der Ferkel auswirkt, zeigt eine aktuelle Studie aus Brasilien. Bei rund 600 neugeborenen Ferkeln wurde die Kolostrum-Aufnahme erfasst. Ergebnis: Ferkel, die weniger als 200 g Kolostrum aufnahmen, hatten eine deutlich geringere Überlebenschance als solche, die mehr als 200 g Biestmilch zu sich nahmen (siehe Übersicht 1).
Doch welche Faktoren beeinflussen die aktive Kolostrumaufnahme der Ferkel? Hier scheint vor allem der Zeitpunkt eine Rolle zu spielen. Je eher die Ferkel nach der Geburt das Gesäuge erreichen, desto größer sind die Chancen, die nötige Menge zu erhalten. Nur so werden die Ferkel mit der lebenswichtigen Energie versorgt, um ihre Körpertemperatur aufrecht zu erhalten.
Die Vitalität wird oftmals durch das Geburtsgewicht beeinflusst bzw. über das Ferkelgewicht definiert. Leichte Ferkel, die nach der Geburt hinter der Sau auf den Spalten liegen bleiben, kühlen schnell aus und schaffen es dann oft nicht mehr rechtzeitig zum Gesäuge.
Schwerere Ferkel hingegen gleichen den Temperaturabfall nach der Geburt besser aus und haben ein längeres Durchhaltevermögen. Sie erreichen das Gesäuge in einer kürzeren Zeit und finden schnell einen funktionstüchtigen Strich. Der Saugreflex sorgt dann bei den vitalen Ferkeln für die nötige Kolostrumaufnahme.
Zuletzt Geborene im Nachteil
Neben der Vitalität bzw. dem Geburtsgewicht beeinflusst auch die Geburtsreihenfolge die Aufnahme von Immunoglobulinen. Denn der IgG-Gehalt der Milch nimmt innerhalb weniger Stunden nach der Geburt rapide ab. Das Kolostrum wird nach und nach durch weniger energiereiche Sauenmilch ersetzt. Erkennbar ist dies auch an der Farbe und Konsistenz der Milch.
Das heißt, dass es die zuletzt geborenen Ferkel schwerer haben, die Mengen an Immunoglobulin G aufzunehmen, die bei früh geborenen Ferkeln gefunden werden. Bereits sechs Stunden nach Geburtsende ist die IgG-Konzentration je ml Milch um die Hälfte abgesunken. Dementsprechend mehr muss ein spät geborenes Ferkel trinken, um auf die gleiche Menge IgG wie ein früh geborenes zu kommen.
Hinzu kommt, dass in gleichem Maße auch die Darmwand der Ferkel für Immunoglobuline undurchlässiger wird. Bereits nach ca. 24 Stunden ist die Blut-Darmschranke für die Antikörper aus dem Kolostrum geschlossen.
Welche Auswirkung die Reihenfolge bei der Geburt auf die Immunoglobulin-Versorgung hat, wird in Übersicht 2 deutlich. So wiesen nach einer holländischen Untersuchung die letztgeborenen Ferkel statistisch absicherbar weniger IgG im Blutserum auf als die erstgeborenen.
Große Würfe verstärken Konkurrenz
Die Kolostrum-Versorgung ist auch deshalb in den Fokus geraten, da die Würfe immer größer werden. Amerikanische Studien belegen, dass ein Ferkel durchschnittlich 250 bis 300 g Kolostrum in den ersten 24 Lebensstunden aufnimmt. Die Unterschiede zwischen den Ferkeln sind hoch und variieren von unter 20 bis maximal 700 g.
Die durchschnittliche Kolostrummenge je Sau beträgt 3,7 kg. Dieser Wert schwankt stark und ist abhängig vom Impfstatus des Tieres sowie ihrer Kondition und Gesundheit. Das durchschnittliche Ferkel benötigt 250 g Kolostrum. Das heißt: Bei 16 lebend geborenen Ferkeln werden bereits 4 kg Kolostrum benötigt.
Leider hat die Natur nicht vorgesehen, dass die Kolostrum-Menge mit der Wurfgröße oder dem Wurfgewicht steigt. Sauen, die 16 oder 18 Ferkel gebären, produzieren nicht unbedingt mehr Kolostrum als Sauen mit zehn Ferkeln. Daher nimmt sowohl bei großen Würfen als auch bei leistungsschwachen Sauen das Risiko zu, dass Ferkel nicht genügend Kolostrum aufnehmen und die ersten Lebenstage nicht überstehen.
Bei großen Würfen kommt hinzu, dass häufig mehr Ferkel mit niedrigen Geburtsgewichten unter 1 100 g zur Welt kommen. Diese untergewichtigen Ferkel haben es besonders schwer zum Gesäuge zu gelangen, sich einen Platz am Strich zu erkämpfen und dabei nicht auszukühlen. Daher nehmen sie meist auch weniger Kolostrum auf als Ferkel, die bei der Geburt deutlich über 1 100 g auf die Waage bringen, was sich letztlich auch im IgG-Serumgehalt widerspiegelt, wie eine holländische Untersuchung zeigt (siehe Übersicht 3).Eine ausreichende Kolostrumaufnahme verbessert nicht nur die Überlebenschance, sondern ermöglicht einen guten Start in die Säugephase. Untersuchungen belegen, dass Ferkel, die große Mengen Kolostrum aufnahmen, auch die höchsten Absetzgewichte aufwiesen.
Biestmilch-Management überprüfen
Bisher war es in der Praxis sehr aufwendig, die aufgenommene Biestmilch-Menge exakt festzuhalten. Die Firma ForFarmers hat zusammen mit der Wissenschaft einen einfachen Test entwickelt, mit dem das Biestmilch-Management im Betrieb bewertet werden kann.
Hierzu werden aus möglichst großen Würfen Ferkel ausgewählt, die rund 24 Stunden alt sind. Getestet werden zwei große, zwei mittelgroße und zwei kleine Ferkel. Von diesen werden 0,5 bis 1,0 ml Blut aus der vorderen Hohlvene entnommen und gekühlt an ein Labor geschickt.
Dort wird dem Blut Ammoniumsulfat zugegeben und die Probe zentrifugiert. Es entsteht ein Niederschlag, der mit dem IgG-Gehalt im Blut in enger Beziehung steht. Im Rahmen einer amerikanischen Studie wurde ein Grenzwert festgelegt, der 15 mg IgG je ml Blut entspricht. Diese Menge soll ein Ferkel mindestens aufgenommen haben. Wird diese kritische IgG-Konzentration im Blut nicht erreicht, verenden die Ferkel häufig.
Die Werte der beprobten Ferkel fließen in eine Datenbank ein. Aus inzwischen rund 10 000 Ferkeln wird ein Mittelwert gebildet, anhand dessen man sich und seinen Betrieb vergleichen kann. Mithilfe des sogenannten Biest- Scores kann abgeleitet werden, wo der Betrieb im Vergleich zu anderen steht.
Interessante Fragen sind: Wie viele Ferkel liegen unter dem kritischen Wert? Steigen die Werte mit zunehmender Wurfnummer? Sind jene Ferkel mit guter Kolostrum-Aufnahme auch später beim Absetzen die schwersten? Und zu guter Letzt: Sollte man am betrieblichen Kolostrum-Management arbeiten?
Milchaufnahme so verbessern
Die Möglichkeiten sind vielfältig. Letztlich muss sichergestellt sein, dass die Geburten schnell über die Bühne gehen und die Letztgeborenen die gleichen Chancen erhalten wie die Erstgeborenen. Ferner müssen die kleinsten und schwächsten Ferkel besonders betreut werden.
Schnelle Geburten: Da die Konzentration der Immunoglobuline im Kolostrum schnell sinkt, ist eine zügige Geburt von Vorteil. Alle 15 bis 20 Minuten sollte ein Ferkel geboren werden. Um ein Gefühl dafür zu entwickeln, sollte die Geburtsdauer regelmäßig erfasst werden. Bei wiederholt auftretenden Geburtsverzögerungen sollten die Ursachen erforscht und abgestellt werden.
Gegebenenfalls sollte die Sau angemolken werden, damit Oxytocin ausgeschüttet wird, was wiederum für Kontraktionen der Gebärmutter sorgt und die Geburt beschleunigt. Unruhe und Stress hingegen können Geburten verzögern und den Milchfluss blockieren. Beides ist von den Sauen fernzuhalten.
Split-Nursing: Da die spät geborenen sowie die leichten Ferkel geringere Chancen haben, genügend Kolostrum aufzunehmen, sollten Sie diese gerade bei großen Würfen unterstützen. Dies kann durch das Abtrennen der Erstgeborenen (Split-Nursing) erfolgen.
Hierzu werden die ersten Ferkel markiert und nach einigen Stunden, wenn sie bereits Milch aufgenommen haben, im Ferkelnest abgetrennt. So verringert man den Konkurrenzkampf am Gesäuge, und die später geborenen Ferkel können ungehindert trinken.
Wichtig ist, den abgetrennten Ferkeln genügend Wärme zuzuführen. Mit einem eckigen Kasten ohne Boden können einige Ferkel zur Hälfte auf dem warmen Nest unter der Wärmelampe und zur Hälfte auf den Spalten abgetrennt werden. So kann Flüssigkeit ablaufen. Nach zwei bis drei Stunden tauscht man die abgetrennten Ferkel gegen andere aus.
Extra-Betreuung: Häufig finden einzelne, meist kleinere Ferkel nicht den Weg zum Gesäuge. Diese sind zunächst aufzuwärmen, um die Lebensgeister wieder zu wecken. Dann sollte man sie an das Gesäuge setzen. Auch einige Sauen erfordern ein genaues Hinsehen und eine kontinuierliche Geburtsüberwachung. Dies gilt z. B. für Erstlingssauen. Deren Milch ist häufig nicht so reich an Immunoglobulinen wie Milch älterer Sauen. Um so wichtiger ist, dass alle Ferkel ausreichende Portionen Biestmilch bekommen.
Fazit
Je früher Neugeborene mit dem Saugen beginnen, desto mehr Antikörper nehmen sie auf. Die Überlebenschancen steigen, wenn das Ferkel mindestens 200 g Kolostrum zu sich nimmt.
Leichte sowie zuletzt geborene Ferkel sind im Nachteil, insbesondere wenn der Konkurrenzkampf am Gesäuge groß ist oder die Sau an Milchmangel leidet. Diese Ferkel sollten z. B. durch das Split-Nursing unterstützt werden.
Das eigene Kolostrum-Management ist regelmäßig zu hinterfragen. Mit dem Biest-Score steht hierfür eine schnelle Methode zur Verfügung. Bei negativen Abweichungen des ermittelten IgG-Gehaltes vom Vergleichswert sollten die Ursachen geklärt und das Management optimiert werden.