Eine belgische Studie zeigt, welche Maßnahmen zur Biosicherheit umgesetzt und welche stiefmütterlich behandelt werden. Wo steht Deutschland im EU-Vergleich?
Heinrich Niggemeyer, SUS
Krankheitserreger können auf unterschiedlichen Wegen in eine Schweineanlage gelangen. Dies kann direkt über den Zukauf von infizierten Ferkeln, Jungsauen oder Sperma geschehen. Aber auch Fahrzeuge, betriebsfremde Personen, mitgeführtes Werkzeug oder Schadnager können den Gesundheitsstatus des Betriebes gefährden. Zudem spielt die Lage des Standortes eine Rolle, denn einige Erreger können auch über die Luft übertragen werden.
Um das Eintragrisiko klein zu halten, werden Quarantänezeiten sowie eine gründliche Reinigung und Desinfektion der Transportfahrzeuge empfohlen. Sehr wichtig ist die Einteilung in Schwarz-Weiß-Bereiche. Weiß steht für den kontrollierten Bereich, der so deutlich wie möglich vom unkontrollierten Schwarzbereich zu trennen ist. Hinzu kommt die interne Biosicherheit, um innerhalb der Herde Keimübertragungen zu minimieren.
Check in 574 Betrieben
Ob ein Betrieb in puncto Biosicherheit im „grünen Bereich“ liegt oder noch Defizite bestehen, zeigt ein gut nachvollziehbares Biocheck-Protokoll der belgischen Universität Gent. Dieses ist auch auf Deutsch kostenlos im Internet verfügbar (www.biocheck.ugent.be). Es ermöglicht, den eigenen Betrieb objektiv zu bewerten.
Dabei wird berücksichtigt, dass das Risiko bei den Übertragungswegen nicht gleich groß ist und es von der Häufigkeit der Ereignisse abhängt. Zunächst wird die externe, dann die interne Sicherheit abgefragt. Das Protokoll umfasst 109 Fragen, wobei zwischen verschiedenen Antwortmöglichkeiten gewählt werden kann. Maximal können 100 Punkte je Kategorie erreicht werden. Je höher die Punktzahl, desto weniger Lücken hat der Betrieb bei der Biosicherheit.
Wo die Schweinehalter in puncto Hygiene stehen, zeigen Daten von 574 Betrieben aus Belgien, Dänemark, Frankreich, Deutschland, den Niederlanden und Schweden, die von Januar 2014 bis Januar 2016 erfasst wurden.
Dänemark liegt vorn
In der Übersicht 1 sind für jeden teilnehmenden Betrieb die errechneten Punkte für die externe und interne Biosicherheit abgebildet. Je weiter links bzw. oben der Betrieb im Diagramm liegt, desto vollständiger werden die Sicherheitsmaßnahmen umgesetzt.
Deutlich zu sehen ist, dass bei der externen Sicherheit höhere Punktzahlen erreicht werden als bei der internen Sicherheit. Im Schnitt waren dies 72,2 (extern), 59,8 (intern) und 66,7 Punkte für die Gesamtbewertung.
Beim Ländervergleich schnitten dänische Betriebe mit im Schnitt 75,1 Punkten am besten ab. Die Variation zwischen den Betrieben war verhältnismäßig gering. Dies ist auf das weit verbreitete SPF-System (spezifisch Pathogen-frei) zurückzuführen. Das dazugehörige Biosicherheitsprotokoll wird auch von Betrieben umgesetzt, auch wenn sie aktuell keinen SPF-Status aufweisen.
An zweiter Stelle waren die niederländischen Betriebe einzuordnen (68,0 Punkte Gesamtbewertung), dicht gefolgt von den schwedischen Betrieben (67,1 Punkte). Allerdings fiel hier eine größere Streubreite zwischen den Betrieben auf.
Deutsche Schweinehalter lagen mit 63,5 Punkten in der Gesamtbewertung im Mittelfeld. Sie haben also noch Potenzial, sich zu verbessern. Das Gleiche gilt für belgische und französische Betriebe, die im Länderranking den fünften und sechsten Platz belegten.
Risiko Tiertransport
In der Übersicht 2 auf Seite 62 sind die Bewertungen in den Unterkategorien aufgeführt. Zunächst zum Zukauf von Tieren: Hier fallen die guten Noten für Dänemark, Schweden und die Niederlande auf, die die Quarantänezeiten einhalten und den Gesundheitsstatus ihrer Zukauftiere kennen. Französische Betriebe hingegen wechseln oft den Vermehrer. Abgesehen vom PRRS-Status kennen sie den Gesundheitsstatus der Jungsauen oft nicht.
Auch Transportfahrzeuge können ein Problem sein. Hier schnitten dänische und deutsche Betriebe gut ab, während die Bewertung für schwedische Betriebe mit 59,3 Punkten am niedrigsten war. Dort sind zwar strenge Regeln für die Reinigung und Desinfektion der Transporter vorgegeben. Doch Kontrollen zeigen, dass oft nicht sorgfältig genug vorgegangen und die Fahrerkabine vergessen wird. In Dänemark hingegen dürfen Transportfahrzeuge, die aus Gebieten mit höherem Krankheitsrisiko kommen, die ersten 48 Stunden nach dem Waschen und Desinfizieren keinen dänischen Betrieb anfahren.
In Belgien, Frankreich oder Schweden fehlt oftmals eine separate Verladerampe mit Wartebuchten und die Tiere kommen direkt aus dem Stall bzw. Zentralgang, sodass es bei der Bewertung Abzüge gab. Einige Betriebe gaben an, dass einzelne bereits verladene Tiere zurück in den Stall laufen können, was unbedingt abzustellen ist.
Gülle, Kadaver, Personen
Auch der Umgang mit Kadaver birgt Risiken: Hier wurde herausgestellt, dass in allen Ländern die Kadavertonne von dem TKBA-Wagen von einer öffentlichen Straße aus erreicht werden kann. Die Behältnisse werden aber nur unzureichend gereinigt und desinfiziert.
Beim Güllefahren wurden v.a. auf Betrieben in Belgien, Frankreich, den Niederlanden und Schweden Defizite offensichtlich. Deutsche und dänische Betriebe achten darauf, dass die Gülle von der unreinen Seite der Anlage angesaugt und abtransportiert wird. Auch Materialien und Utensilien, die mit in den Stall genommen werden, müssen zuvor desinfiziert werden, was häufig nicht umgesetzt wird.
Erfreulich: In den meisten Betrieben war eine Hygieneschleuse vorhanden, über die betriebsfremde Personen in die Anlage gelangen. Es gab aber keine Informationen darüber, ob sie richtig konstruiert war.
Die überwiegende Mehrheit der Betriebe versorgten die Besucher mit Overalls und Stiefeln. Allerdings führten Mitarbeiter und Betriebsleiter selbst den Kleider- und Schuhwechsel oft nicht bzw. nicht immer durch.
Lage des Betriebes wichtig
Die Kategorie „Futter/Wasser“ erhält die niedrigste Gesamtpunktzahl. Lediglich in Dänemark und Deutschland müssen die meisten Fahrer der Futtermittelunternehmen nicht das Stallgelände betreten. Sie befüllen die Silos außerhalb der Anlage. Betriebe aus anderen Ländern verfügen oft nicht über entsprechende Futterrohre für die Durchleitung. Bei einer wöchentlichen Belieferung ist das Risiko dann groß.
Auch gehören regelmäßige Wasseruntersuchungen oder das Reinigen der Wasserleitungen häufig nicht zum Standardprogramm vieler Betriebe. Zudem sind Vögel und Haustiere ein Problem. So hatte der Hund oder die Katze bei einem Drittel der Betriebe Zugang zum Stall. 31% der Betriebe sichern die Lufteinlässe nicht mit Draht ab, sodass Vögel und Schadnager Zugang haben.
Was die Schweinedichte und den Abstand zur nächsten Schweinehaltung betrifft, haben Dänemark und Schweden die besten Voraussetzungen. Hier liegen die Betriebe in Regionen mit weniger als 300 Schweinen je km2. Die Schweinedichte ist in NRW oder Weser-Ems, in der Bretagne oder in Südbrabant deutlich höher.
Ein anderes Problem ist die Nähe von Wildschweinen. Hier hat Dänemark einen klaren Vorteil, da sich dort kaum Wildschweine aufhalten. Lediglich in der Grenzregion zu Deutschland wurden vereinzelt Wildschweine gesichtet. Die Bewertung für Deutschland fiel in diesem Punkt niedrig aus.
Kein Mischen von Tieren
Die interne Biosicherheit bezeichnet alle Vorgänge, die innerhalb eines Stalles für eine Erregerübertragung sorgen können. Ein wichtiger Punkt ist, wie mit erkrankten Tieren umgegangen wird. Generell bekam von den Unterkategorien zur internen Biosicherheit das Management bei Krankheiten die höchste Benotung. Eine interessante Beobachtung war, dass französische Betriebe kranke Tiere in der Regel nicht separieren und kaum mit Krankenbuchten oder -abteilen arbeiten.
Der Wurfausgleich und ein Versetzen von Saugferkeln sollte nur einmal erfolgen; bei Praktiken mit mehrmaligen Versetzen gab es Abzüge. Auch gehört das Desinfizieren von Skalpellklingen oder Injektionsnadeln zwischen den Würfen nicht überall zur Routine.
Für den Abferkel- und Flatdeckbereich ist das Rein-Raus-Verfahren etabliert, nicht aber in jedem Fall für die Mast. So erzielten dänische Betriebe in der Kategorie „Management Mast“ nur 25 von 100 möglichen Punkten, weil Altersgruppen nicht konsequent getrennt werden.
Bezüglich der Belegdichte bekamen die Schweden und Niederländer bessere Bewertungen, da sie im Mittel nur drei Aufzuchtferkel je m2 Buchtenfläche halten, während die Betriebe der übrigen Länder eher bei vier Ferkeln je m2 lagen. Gleiche Tendenz war auch in der Mast zu beobachten.
Zwischen den Stallkomplexen wird wenig unternommen. So fehlten in vielen Betrieben Desinfektionswannen, sodass es beim Biocheck Abzüge gab. Ebenso waren Stiefelwechsel und Händewaschen vor Betreten einer neuen Stalleinheit nicht die Regel.
Die Reinigung und Desinfektion ist das A&O der internen Biosicherheit. Dies betrifft aber nicht nur die Ställe selbst, sondern auch alle Materialien und Utensilien. Auch hier traten länderübergreifend Defizite auf, wobei die Niederlande überraschenderweise mit 45,4 Punkten den letzten Rang belegten.
Fazit
- Ob Biosicherheitsmaßnahmen in der Praxis umgesetzt werden, sollte eine belgische Studie mit 574 Betrieben aus sechs EU-Ländern zeigen.
- Länderübergreifend erreichten die Betriebe für die externe Sicherheit höhere Bewertungen als für die interne Biosicherheit. Beim Ländervergleich hoben sich dänische Betriebe ab. Deutsche Betriebe belegten mittlere Plätze.
- Bei der externen Biosicherheit ist der Transport von Tieren, Gülle, Futter oder Kadavern mit größeren Risiken verbunden. Die Personenschleuse darf nicht umgangen werden.
- Um die interne Biosicherheit zu verbessern, muss das Mischen von Altersgruppen vermieden sowie die Futter- und Wasserhygiene verbessert werden. Nicht nur die Buchtenflächen sind zu desinfizieren, sondern auch die Gänge sowie alle eingesetzten Utensilien.