Die Uni Wageningen fühlte 70 Sauenbetrieben mit Gruppenhaltung auf den Zahn. Ergebnis: Meist ist der Betriebsleiter der Schlüssel zum Erfolg.Viele Landwirte haben Angst, in der Gruppenhaltung die Kontrolle über ihre Sauen zu verlieren“, kommentiert Anita Hoofs vom Versuchszentrum Sterksel die Zurückhaltung der niederländischen Ferkelerzeuger bei der Umstellung auf die Gruppenhaltung. Bislang erfüllen in Holland nur ungefähr die Hälfte der Betriebe die ab 2013 geltenden Vorgaben. Hinzu kommen die verschärften Bedingungen: In den Niederlanden müssen Sauen bereits ab dem vierten Tag nach der Besamung in Gruppen gehalten werden. Die Praktiker befürchten, dass dadurch die Umrauscherrate steigt. Um Licht ins Dunkel zu bringen, hat die Uni Wageningen eine umfangreiche Untersuchung zum Thema durchgeführt. Man wollte herausfinden, ob die Gruppenhaltung ab dem vierten Tag nach dem Belegen funktioniert, welche Rolle das installierte Haltungssystem dabei spielt und was die Risiko- und Erfolgsfaktoren sind. Dazu wurden 700 Betriebe mit Gruppenhaltung telefonisch befragt und im Anschluss 70 Betriebe davon ausgewählt und besucht. Haltungssystem nicht entscheidend Drei Viertel der 70 besuchten Betriebe arbeiteten mit Abrufstationen, der Rest je zur Hälfte mit Kastenstand plus Auslauf oder mit Kleingruppen mit bis zu 20 Tieren (siehe Übersicht 1). Die relativ hohe Anzahl an Futterstations-Betrieben rührt daher, dass diese 2004 und 2005 sehr beliebt waren. Aktuell stehen Fressliegeboxen mit Auslauf bei den Holländern höher im Kurs. Um das wichtigste Ergebnis gleich vorweg zu nehmen: Die Gruppenhaltung ab dem vierten Tag nach dem Besamen funktioniert, und das Haltungssystem ist nicht ausschlaggebend für den Erfolg. Mit jedem System sind gute Fruchtbarkeitsleistungen und gleichzeitig ein hoher Grad an Tierwohlsein möglich. Allerdings bestehen große Unterschiede zwischen den Betrieben. Bei allen Gruppenhaltungssystemen – seien es Abrufstationen mit oder ohne Stroh, Fressliegeboxen mit Auslauf oder die Trogfütterung – kommen nämlich Betriebe mit sehr guten und Betriebe mit weniger guten Ergebnissen vor. Und auch dies machte die Untersuchung klar: Über alle Haltungssysteme hinweg gibt es drei Erfolgskriterien: Die Buchtengestaltung und das Platzangebot pro Sau, das Herdenmanagement sowie das Eingewöhnen der Jungsauen. Sie werden nun der Reihe nach erörtert. Sauen brauchen Platz und Orientierung Offensichtliche und schon beim Bau zu berücksichtigende Kriterien für eine erfolgreiche Gruppenhaltung sind die Buchtengestaltung und die verfügbare Fläche pro Sau im Wartestall. Wie aus der Untersuchung hervorgeht, hat das Platzangebot Einfluss auf den Besamungserfolg, die Abferkelrate der Sauen zum ersten und zweiten Wurf sowie die Abgänge insbesondere von jungen Sauen. Dabei gilt: Je mehr Platz desto besser. Denn Sauen brauchen vor allem direkt nach der Gruppenbildung genügend Raum zum Kämpfen und entsprechend zum Flüchten. So hält das in puncto Fruchtbarkeit und Gesundheit beste Viertel der Betriebe 2,4 m2 pro Sau vor, das untere Viertel der Betriebe nur 2,0 m2 (siehe Übersicht 2). Alle Laufwege sollten mindestens 3 m breit sein, so dass schwächere Sauen überlegenen Artgenossinnen ausweichen können. Das gibt den Tieren Sicherheit – neben Fressen, Trinken und Sozialkontakt eines der Grundbedürfnisse von Schweinen. Sind die Gänge zu schmal, trauen sich jüngere und rangniedere Sauen nicht oder nur unter Stress, diese zu betreten und zu anderen Funktionsbereichen zu laufen. Stress wirkt sich z. B. negativ auf die Futteraufnahme aus und stört in der frühen Phase der Trächtigkeit die Einnistung der Embryos empfindlich. Betriebe mit Fressliegeboxen, die 3 m und mehr lichte Weite hinter den Sauen als Auslauf bieten, können laut den Ergebnissen der Untersuchung mit einer höheren Abferkelrate, weniger Sauenverlusten und einer besseren Kondition der Tiere beim Einstallen in den Abferkelbereich rechnen. Die 25 % besten Betriebe stellen den Sauen einen 3,23 m breiten Auslauf zur Verfügung, das untere Viertel der Betriebe lediglich 2,75 m. Dabei ist die Investition in etwas mehr Bodenfläche gar nicht so teuer, wie oft vermutet wird. Wenn man bei einem 500er-Sauenstall von Investitionskosten von 250 € je 1 m2 Spaltenbodenfläche ausgeht und 0,3 m2 mehr Fläche pro Platz im Wartestall anbieten will, errechnen sich zusätzliche Kosten von 75 € pro Wartesau, was 60 € pro Bestandsau entspricht. Auf zehn Jahre Abschreibung umgerechnet sind das 6 € pro Sau. Diese Mehrkosten kann ein Betrieb mit einer Leistungssteigerung um ca. 0,1 Ferkel schnell wieder ausgleichen. Hinzu kommt, dass eine größere Stallgrundfläche mehr Spielraum bietet bei der Aufteilung und Einrichtung der Funktionsbereiche. Unterschiedliche Höhen oder Bodenmaterialien erleichtern den Sauen die Orientierung in der Bucht. Auch die Wege sollten klar sein und sich nicht allzu viel kreuzen. So zieht es ein Schwein nach dem Fressen zum Saufen und Koten. Muss es dabei den Liegebereich durchkreuzen, irritiert das einerseits das Tier selbst und stört andererseits die ruhenden Artgenossinnen. Ein Ruhebereich sollte also möglichst nicht zwischen zwei Orten der Aktivität liegen. Bei Futterstationen in der Bucht sollten Ein- und Ausgang derselben möglichst weit auseinander liegen. War dies bei den untersuchten Betrieben der Fall, wiesen die Sauen weniger Hautverletzungen auf. Sie waren vermutlich seltener in Auseinandersetzungen mit anderen Sauen verwickelt. Management: Vorteile des Systems nutzen Ist beim Bau alles richtig gemacht worden und sind die räumlichen Voraussetzungen für eine problemlose Gruppenhaltung der Sauen geschaffen, ist der nächste begrenzende Faktor der Betriebsleiter selbst. Anhand verschiedener Fragen wurden die Sauenhalter hinsichtlich ihrer Betriebsführung eingeschätzt. Dabei wurde herausgearbeitet, wie genau, gewissenhaft und strukturiert die Landwirte arbeiten, z. B. ob es für bestimmte Arbeiten Zeitvorgaben oder Arbeitspläne gibt und ob die Landwirte bestimmte Eckdaten wie das Sauengewicht oder die Speckdicke messen oder allein nach Augenmaß vorgehen. Sauenhalter, die hier viele Punkte sammelten, verzeichnen bei den Sauen weniger Klauenprobleme, eine bessere Kondition, eine höhere Abferkelrate und setzen mehr Ferkel ab. Sauen an Menschen gewöhnen Auch gehört es zu einem guten Management, die Vorteile seines Haltungssystems nicht nur zu kennen, sondern auch so weit es geht auszunutzen. Kann ich beispielsweise wie bei der Abrufstation zahlreiche, individuelle Futterkurven einstellen, muss ich diese Möglichkeit auch nutzen und mich in der praktischen Umsetzung nicht nur auf zwei Kurven, eine für normale und eine für magere Sauen, beschränken. Betriebe mit einem auf das Einzeltier ausgerichteten Management haben Sauen mit weniger Hautverletzungen, geringeren Klauenproblemen und besseren Fruchtbarkeitsleistungen. Erfolgreiche Betriebsleiter nehmen sich auch die Zeit, täglich einmal durch den Bestand zu laufen. Das hat einerseits den Vorteil, dass der Landwirt erkennt, wenn etwas mit der Sau nicht stimmt. Andererseits gewöhnen sich die Sauen so besser an den Menschen. Sie sind in der Folge zutraulicher und beim Besamen entspannter. Beim System Fressliegeboxen mit Auslauf sind verschließbare Hintertore am Stand erwünscht. Werden die Sauen zur Futterausgabe 30 bis 60 Minuten lang fixiert, führt dies zu einer höheren Abferkelrate der Erstlingssauen und weniger Klauenproblemen. Denn die Maßnahme bringt Ruhe in die Gruppe. Jedes Tier kann für sich allein ungestört fressen. Schwächere Tiere müssen keine Sorgen haben, dass stärkere Sauen ihnen das Futter streitig machen. Bei Futterstationen sollte der Sauenhalter mindestens in der ersten Trächtigkeitswoche das Restfutterprotokoll überprüfen. Hat eine Sau nicht genug oder gar nicht gefressen, muss der Landwirt sofort handeln und das entsprechende Tier aus der Gruppe nehmen. Laut den Ergebnissen der Untersuchung kann auf diese Weise eine höhere Abferkelrate erzielt werden. Am besten ist es natürlich, über die gesamte Trächtigkeit täglich zu kontrollieren, ob jede Sau gefressen hat. Jede zwanzigste Jungsau ist gruppenuntauglich Dritter Erfolgsfaktor bei der Gruppenhaltung ist die Jungsauenaufzucht. Die erfolgreichen Betriebsleiter halten in der letzten Phase vor dem Besamen mehr Fläche pro Jungsau vor als die weniger erfolgreichen. So bieten die 25 % besten Betriebe 1,9 m2 pro Jungsau, die 25 % schlechtesten nur 1,2 m2 (siehe Übersicht 3, Seite 34), was negative Auswirkungen auf die Abferkelrate hatte. Zudem füttern die 25 % besten Betriebe ihre Jungsauen in der Regel rationiert und mit Trockenfutter. Diese Form der Fütterung der Jungsauen hatte einen positiven Einfluss auf die Kondition der Tiere und die Anzahl abgesetzter Ferkel. Zur Gewöhnung an die Einzelhaltung sollten Jungsauen schon mindestens zehn Tage vor der Besamung in den Kastenstand im Deckzentrum umgestallt werden. Gleichzeitig sollte der Landwirt mit der Flushing-Fütterung beginnen. Fünf Tage vor der Besamung sollte jeglicher Stress für das Tier vermieden werden, um die Qualität der Follikel zu garantieren. Nicht zuletzt gewöhnen 94 % der besseren Betriebe ihre Jungsauen schon vor der eigentlichen Eingliederung an das Fütterungssystem im Wartestall. Kennen die Tiere die Fütterung bereits, entsteht hierdurch kein zusätzlicher Stress. Denn die Auseinandersetzung mit den Altsauen fordert die Tiere schon genug. Bereits vorher mit dem Fütterungssystem vertraute Sauen zeichnen sich durch eine höhere Abferkelrate, eine höhere Anzahl abgesetzter Ferkel und eine bessere Kondition aus, wie die Untersuchung zeigte. Sowohl direkt nach der Gruppenzusammenstellung als auch mehrere Stunden später verwenden erfolgreiche Ferkelerzeuger ausreichend Zeit darauf, die Tiere zu beobachten und zu beurteilen, ob die Integration funktioniert oder ob Tiere auszuselektieren sind. Nicht gruppentauglich sind etwa fünf Prozent der Jungsauen. Diese meist aggressiven Tiere sollten sofort aus der Gruppe entfernt werden. Ob und wie man schon während der frühen Jungsauenaufzucht Einfluss auf das spätere Sozialverhalten in der Gruppe nehmen kann, ist noch weitgehend unbekannt. Untersuchungen dazu sollen im nächsten Jahr folgen. Fazit Die Ergebnisse der Untersuchung holländischer Betriebe mit Gruppenhaltung lassen sich wie folgt zusammenfassen: Das Haltungssystem hatte keinen Einfluss auf die Wurfgröße und Ferkelzahlen pro Sau und Jahr. Je mehr Platz pro Sau zur Verfügung gestellt wird, desto besser klappt die Gruppenhaltung. Je strukturierter der Landwirt beim Herdenmanagement vorgeht, desto weniger Problemfälle werden beobachtet. Auch die Haltung und Betreuung der Jungsauen während der Eingliederungszeit war ein Erfolgsfaktor.