Die Medien berichten in letzter Zeit verstärkt über den Ausbruch multiresistenter Keime in Krankenhäusern. Für Patienten und Ärzte sind diese Erreger ein Albtraum. Denn sie sind gegen viele Antibiotika resistent. So können sie hart-näckige Infektionen auslösen, die vor allem bei geschwächten Patienten bis zum Tod führen können. Leider bleibt bei der Berichterstattung die Sachlichkeit oft auf der Strecke. Und nicht selten wird die Tierhaltung zum Sündenbock abgestempelt. Der pauschale Vorwurf: Tierhalter setzen massenhaft Antibiotika ein. Hierdurch entstehen resistente Keime. Sie sind lebensgefährlich für Menschen. Diese Darstellung ist nicht nur einseitig, sondern auch falsch. Zwar sind in unseren Schweineställen resistente Keime feststellbar. Diese lassen sich jedoch genetisch in einigen Bereichen von den Problemkeimen in den Krankenhäusern unterscheiden. Das heißt: Die moderne Tierhaltung ist keineswegs die Hauptursache für das vermehrte Auftreten multiresistenter Keime im Humanbereich! Dennoch muss sich die Branche der Diskussion stellen. Ein Team aus Veterinär- und Humanmedizinern hat deshalb untersucht, wie häufig resistente Keime in Schweineställen zu finden sind. Der Fokus liegt auf zwei Gruppen von Erregern, die bei landwirtschaftlichen Nutztieren häufig vorkommen: Beide Erregergruppen führen meistens lediglich zu einer symptomfreien Besiedlung von Mensch und Tier. Das heißt: Der Erreger siedelt sich, wie viele andere Keime auch, auf dem Körper an, ohne Beschwerden auszulösen. In Einzelfällen können die Erreger jedoch starke Infektionen verursachen. Dies ist nur der Fall, wenn MRSA- oder ESBL-Keime eine Eintrittspforte finden, z. B. bei Verletzungen der Haut, Schleimhaut oder Harnwege. Die Keime können sich im Organismus vermehren, wenn die Abwehr geschwächt ist. Zu einer massenhaften Vermehrung kann es kommen, wenn der Organismus mit einem Antibiotikum behandelt wird, gegen das der vorhandene Erreger resistent ist. So werden von dem Antibiotikum nämlich andere (sensible) Bakterien bekämpft, worauf die resistenten Keime „freie Bahn“ haben. MRSA besiedeln bei Tier und Mensch vor allem die Haut und die Nasenschleimhäute. Beim Eindringen in den Organismus können sie vor allem Haut- und Weichgewebs-Infektionen wie Abszesse und Furunkel, aber auch schwerwiegende Septikämien auslösen. ESBL-bildende Enterobakterien be- vorzugen in der Regel den Darm als Siedlungsort. Zu dieser Erregergruppe gehören z. B. Escherichia coli und Klebsiella pneumoniae. Beim Menschen können sie vor allem Harnwegs- und Atemwegserkrankungen auslösen. Sowohl MRSA als auch ESBL-bildende Erreger können zwischen Tier und Mensch übertragen werden. In Deutschland sind etwa 0,5 bis 1 % der Bevölkerung mit MRSA und rund 5 % mit ESBL-bildenden Erregern besiedelt. Bei Personen mit Nutztierkontakt sind die Raten deutlich höher. Wie weit verbreitet MRSA und ESBL-bildende Erreger in Schweinebetrieben in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen sind, sollte eine Untersuchung in 47 Praxisbetrieben zeigen. Je Betrieb gingen zwölf Gülle- und Staubproben ins Labor. Zunächst zu den Ergebnissen in Bezug auf MRSA. Von allen 282 untersuchten Staubproben zeigten 25 % ein positives Ergebnis (siehe Übersicht). Bei den auf MRSA untersuchten Gülleproben waren 29 % positiv. Bei den ESBL-bildenden Erregern liegt der Fokus auf den E. coli-Bakterien. Denn sie sind im Humanbereich besonders relevant. Von allen 282 untersuchten Gülleproben waren 29 % positiv für ESBL-bildende E. coli. Bei den Staubproben lag der Verbreitungsgrad dieser Erreger-Gruppe bei 10 %. ESBL-bildende Klebsiella pneumoniae waren in 1 % der Staubproben nachweisbar. Insgesamt wurden MRSA-Keime in 77 % der untersuchten Schweineställe nachgewiesen. Das heißt: Auf diesen Betrieben war MRSA in mindestens einer Staub- oder Gülleprobe nachweisbar. ESBL-bildende Erreger fanden sich auf 55 % der Betriebe. In rund 43 % der untersuchten Schweinebetriebe waren beide Erregergruppen gemeinsam nachweisbar. Die Ergebnisse bestätigen Voruntersuchungen aus derselben Region aus dem Jahr 2009, wo MRSA in insgesamt 57 % der Betriebe nachgewiesen wurde. Die aktuell höhere Nachweisrate bei MRSA erklärt sich durch eine im Vergleich zur Voruntersuchung größeren Zahl pro Betrieb untersuchter Proben. Das hat die Nachweiskraft erhöht. Hinsichtlich der MRSA-Verbreitung waren zwischen Betrieben in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen keine Unterschiede feststellbar. Auch konnte nicht ermittelt werden, dass die Menge resistenter Erreger proportional zum Nutztierbesatz regional ansteigt. In puncto ESBL-bildender Erreger ist aus anderen Untersuchungen in Deutschland bekannt, dass die Erreger in 56 bis 60 % der Schweinebetriebe auftreten. Dies passt zur hier nachgewiesenen Rate von 55 %. Im zweiten Teil der Untersuchung erfolgte die Typisierung der im Stall gefundenen Erreger. Dabei wurden verschiedene Virulenzgene bestimmt. So lässt sich ableiten, welche Gefahr diese für die Menschen darstellen können. Bezüglich ESBL liegt der Fokus auf den E.coli-Isolaten. Denn diese haben die größte Bedeutung für Menschen. Die Studie zeigt, dass 98 % der E.coli-Isolate positiv für nur ein ESBL-Gen sind. Größte Bedeutung hat dabei mit einem Anteil von 43 % das Enzym CTX-M-1. In der Human-Medizin hat hingegen das Enzym CTX-M-15 die größte Bedeutung. Die in Schweineställen gefundenen ESBL-produzierenden E.coli unterscheiden sich somit genetisch von den Keimen, die im Humanbereich die meisten Probleme bereiten. Ähnlich ist die Situation bei MRSA. Zwar gehören die im Stall gefundenen Keime fast ausnahmlos zum Stamm CC398, der auch in Krankenhäusern auftritt. Die genauere Bestimmung zeigt jedoch Unterschiede zwischen den Krankenhaus- und Stallkeimen auf. So gehören knapp 57 % der Stall-MRSA zum Subtyp t011 und weitere 30 % zum Subtyp t034. Die in Schweineställen gefundenen MRSA-Typen unterscheiden sich damit deutlich von den Keimen, die für den Großteil der schwer zu behandelnden Infektionen im Krankenhaus verantwortlich sind. Die Erklärung ist, dass den in Schweinen vorkommenden MRSA-Stämmen Gene fehlen, die eine Resistenzbildung gegen wichtige Antibiotika im Humanbereich verursachen können. Insbesondere die durch MRSA beim Menschen ausgelösten schweren klinischen Erkrankungen, wie tödlich verlaufende Blutvergiftungen, sind nicht unbedingt auf unsere Nutztiere zurückzuführen. Dennoch dürfen sich die Schweinehalter nicht sorglos zurücklehnen. Denn es ist nicht auszuschließen, dass die „Stall“-Keime ihre Resistenzen auf andere Keime im Krankenhaus übertragen. Das Vermischen von Resistenzen in Krankenhäusern und Altenheimen muss vermieden werden. Sie können sonst gefährlich für Menschen mit einer verminderten Immunabwehr werden. Schweinehalter müssen daher sicherstellen, dass sie keine resistenten Keime übertragen. Hierfür ist zu beachten: Neue Studien zeigen, dass in 77 % unserer Schweinebetriebe MRSA- und in rund 55 % der Betriebe ESBL-Keime zu finden sind. Die festgestellten Erreger unterscheiden sich jedoch genetisch eindeutig von den Keimen, die in Krankenhäusern große Probleme bereiten. In der öffentlichen Diskussion ist daher mehr Sachlichkeit gefragt. Wichtig ist, die Krankenhaus- und Stallhygiene weiter zu verbessern. Denn die Verschleppung resistenter Keime von Mensch zu Mensch stellt mit Abstand das größte Risiko dar. Gleichzeitig müssen Landwirte alle Maßnahmen treffen, um keine resistenten Keime in Krankenhäuser oder Altenheime einzutragen. Vorurteile in den Medien Tests in 47 Praxisbetrieben Stall-Keime genetisch anders Verschleppung vermeiden Fazit Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA). Enterobakterien mit Bildung Extended-Spektrum-Betalactamasen (ESBL). Reinigungs, Desinfektions- und Hygiene-Maßnahmen im Stall dürfen keine Lücken aufweisen. Vor Besuchen im Altenheim oder Krankenhaus ist eine intensive Kör-perhygiene, insbesondere die Hände- Desinfektion, ein Muss. Landwirte sollten nicht in den Stall gehen, wenn sie krank sind und ein Antibiotikum einnehmen. Vor Krankenhaus-Aufenthalten sollten sich Landwirte auf MRSA und ESBL-bildende E. coli testen lassen. Dies ist beim Hausarzt möglich. Häufig tragen die Krankenkassen die Kosten. Die meist harmlosen MRSA-Besiedlungen der Nase lassen sich nach Rücksprache mit dem Hausarzt durch eine Salbenbehandlung und intensive Hygienemaßnahmen beseitigen. - Fred Schnippe, SUS- Beim Thema resistente Keime steht die Nutztierhaltung oft zu Unrecht am Pranger. Neue Untersuchungen in Schweinebetrieben tragen zur Aufklärung bei.