Die Holländer haben ihre Bestände leicht aufgestockt. Ob noch mehr Ferkel und Schlachtschweine zu uns kommen, erklärt Robert Hoste, Forschungsinstitut für Agrarwirtschaft, Wageningen.SUS: Die holländische Schweinezahl ist leicht gewachsen. Was steckt dahinter? Hoste: Mit einem Plus von 70 000 Tieren hat der Bestand 2010 moderat zugelegt. Im Vergleich zum Tiefpunkt im Jahr 2004 haben die Betriebe um 1,1 Mio. auf aktuell gut 12 Mio. Schweine aufgestockt. Das Wachstum ist möglich, weil ungenutzte Produktionsrechte wieder ausgeschöpft werden. Freie Rechte sind jetzt aber kaum noch verfügbar. Ein weiterer Grund für das Wachstum ist die Steigerung der Ferkelzahlen. Für die Gesamtproduktion spielt auch das höhere Schlachtgewicht eine Rolle. SUS: In welchen Bereich wird investiert? Hoste: Die Ferkelerzeugung und Mast entwickeln sich in den letzten Jahren etwa gleich schnell. Auffallend ist der rasante Strukturwandel. Pro Jahr scheiden rund 6 % der Schweinehalter aus. Gleichzeitig ist das einzelbetriebliche Wachstum enorm. Der Durchschnittsbetrieb umfasst heute rund 1 000 Mastschweine bzw. fast 400 Sauen. Fast 50 % der Sauen stehen in Beständen mit mehr als 500 Sauen. Diese Strukturen sind notwendig, um die steigenden Haltungs- und Umweltauflagen erträglich zu halten. Abluftfilter oder der Umbau auf die Gruppenhaltung sind für kleine Betriebe oft zu teuer. SUS: Wie entwickeln sich der Schlachtschweine- und Ferkelexport? Hoste: Die Lebendausfuhr nach Deutschland war 2010 mit 3,3 Mio. Schlachtschweinen noch etwas höher als im Vorjahr. Weitere Zuwächse gibt es auch beim Ferkelexport. Mit rund 6,4 Mio. Ferkeln im Jahr 2010 konnten unsere Betriebe die Ausfuhren um rund 5 % gegenüber dem Vorjahr steigern. Der Absatz nach Deutschland hat ebenfalls wieder etwas zugenommen. Mit 50 % Marktanteil bleibt die Bundesrepublik unser wichtigster Abnehmer. Auch in Spanien, Italien und Polen konnten wir 2010 jeweils rund 80 000 Ferkel mehr vermarkten. Insgesamt ist die Ausfuhr in osteuropäische Länder aber leicht rückläufig. SUS: Den Haag will die Haltungsauflagen verschärfen. Wie ist der Stand? Hoste: Die Regierung hatte eine Fülle von Verschärfungen geplant. Die schlimmsten waren die Anhebung des Platzangebotes auf 1 m2 pro Mastplatz und 0,4 m2 pro Ferkel. Zudem sollten Betonspaltenböden für Mastschweine mit mehr als 18 mm Schlitzweite verboten werden. Nach massiven Protesten hat Den Haag in wichtigen Punkten eingelenkt. Zwar bleibt die Gruppenhaltung für Sauen bereits ab dem vierten Tag nach der Besamung Pflicht. Doch das Platzangebot wurde auf 0,8 m2 pro Mastplatz korrigiert. Das heißt, die Mäster sind weniger betroffen als die Sauenhalter. Insgesamt kann die Branche etwas aufatmen. SUS: Was hat die Regierung zum Einlenken bewegt? Hoste: Hauptgrund war die Furcht vor einem Kahlschlag in der Schweineproduktion. So zeigt eine Studie, dass mehr als die Hälfte der Betriebe die Investitionen zur Umsetzung höherer Haltungsauflagen nicht aufbringen kann. Hilfreich war zudem das neue Tierschutz-Label „Beter Leven“, das Hollands größte Tierschutzorganisation ins Leben gerufen und mit Vion und der Supermarktkette Albert Heijn umgesetzt hat. Das Label hat es der damaligen Landwirtschaftsministerin erleichtert, bei den Haltungsauflagen zurückzurudern. SUS: Es heißt, rund 25 % der Betriebe haben Liquiditätsprobleme – stimmt das? Hoste: Ja. Laut einer Studie kämpfte bereits im letzten Jahr jeder vierte Schweinebetrieb in Holland mit Zahlungsschwierigkeiten. Betroffen sind vor allem kleine Betriebe. Ihr Hauptproblem sind überhöhte Kosten. Die gestiegenen Futterpreise haben die Lage weiter verschärft. Bei relativ niedrigen Marktpreisen reichen die Erlöse nicht aus, um die laufenden Ausgaben zu tragen. Die schlechte Einkommenssituation zwingt etliche Schweinehalter, weitere Kredite aufzunehmen oder Flächen und Produktionsrechte zu verkaufen. SUS: 2015 sollen die Produktionsrechte fallen. Was sind die Konsequenzen? Hoste: Die Regierung will die Deckelung der Produktion zwar aufheben. Jedoch nur, wenn der Gülleabsatz im Gleichgewicht ist. Das wird vermutlich nicht der Fall sein. Zwar arbeiten unser Bauernverband LTO und der Interessenverband NVV mit Hochdruck am Thema. Doch damit ist das Problem hoher Nährstoff-Überschüsse in den Veredlungsregionen noch nicht gelöst. Im Gegenteil:Durch verschärfte Umweltauflagen und die stärker reglementierte Gülleausfuhr nach Deutschland dürfte der Nährstoffdruck sogar größer werden. Hinzu kommt der Wegfall der Milchquote ab 2015. Hierdurch werden die Milchviehbetriebe vermutlich weiter expandieren. SUS: Heißt das, der holländische Schweinebestand geht künftig eher zurück? Hoste: Der Druck auf die Schweinehalter wächst. Und durch die EU-weit verschärften Haltungsauflagen wird vermutlich die Zahl der Betriebe ab 2013 zunächst schneller abnehmen. Dann könnte eine Phase mit verlangsamtem Strukturwandel folgen. Insgesamt ist im Jahr 2013 in den Niederlanden mit einem leicht schrumpfenden Schweinebestand zu rechen. Letztlich müssen aber alle EU-Länder die Haltungsauflagen umsetzen. Abhängig von der Überwachung in den einzelnen Staaten dürfte die gesamte europäische Sauenhaltung erhebliche Einschnitte erleben. SUS: Bedeutet das, die Konkurrenz für den deutschen Ferkelmarkt nimmt ab? Hoste: Nein! Ich gehe davon aus, dass die holländischen Ferkelexporte nach Deutschland sogar noch leicht zulegen. Denn in der Mast ist in den Niederlanden eher mit einer Stagnation zu rechnen. Gleichzeitig kann man mit einer weiteren Steigerung der Sauenfruchtbarkeit um knapp 0,5 Ferkel pro Jahr rechnen. Fakt ist: Die Niederländer sind flexible Produzenten, die ihre Kosten und Leistungen im Griff haben. Die Vorreiterrolle in der europäischen Schweinebranche werden sie nicht abgeben. Das gilt besonders für die Ferkelerzeuger! SUS: Man hört von Protesten gegen so genannte Megaställe. Wer steckt dahinter? Hoste: Hinter den Protesten stehen vor allem Umweltaktivisten und Anwohner. Betroffen sind in erster Linie bauwillige Landwirte, die sich wenig am Dorfleben in Vereinen oder in Schulen beteiligen. Auch von politischer Seite wächst der Druck gegen große Ställe. So hat die Provinz Noord-Brabant in einem Ballungsgebiet im Süden ein Größenlimit für Veredlungsbetriebe verhängt. Hier darf die bebaute Fläche inklusive Hofraum und Wohnhaus 1,5 ha nicht überschreiten. Momentan ist diese Grenze zwar noch nicht so gravierend. Doch vor allem größere Betriebe setzen immer häufiger auf den Zukauf von Neben-Standorten, wenn sie am Stammbetrieb nicht mehr expandieren können. SUS: Holland will 2015 aus der Kastration aussteigen. Welche Folgen hat das? Hoste: Die niederländische Schweinebranche ist recht optimistisch, dass man die Ebermast bis 2015 umsetzen kann. Allerdings gibt es großen Forschungsbedarf, um den Ebergeruch zu verringern. Es gilt, die Haltungssysteme, die Fütterung und die Zucht anzupassen. Insgesamt denken wir, dass das Problem lösbar ist. Die Folgen dürften überschaubar bleiben.