Das katholische Hilfswerk Misereor hat in Berlin gegen moderne Tierhaltung mitdemonstriert. Für Schweinehalter Bernhard Barkmann ein Schlag ins Gesicht.
Jedes Jahr vor Ostern flattert Post von Misereor ins Haus. Die katholische Hilfsorganisation bittet darin um Spenden für Projekte in Krisengebieten. Dieses Jahr geht es um Fischerfamilien auf den Philippinen, deren Existenz vom Klimawandel bedroht ist.
Keine Frage: Ein ehrenwerter Anlass, Geld zu geben. Bisher haben wir auch immer großzügig gespendet, wenn Adveniat oder eben Misereor zu Spenden aufgerufen haben. Aber dieses Jahr werden wir das Geld für einen anderen wohltätigen Zweck ausgeben.
Von Misereor enttäuscht
Denn meine Familie und ich haben uns maßlos darüber geärgert, dass Misereor zur Grünen Woche in Berlin bei der Demo „Wir haben es satt“ mitgelaufen ist. Seite an Seite marschierten Vertreter der Hilfsorganisation dort mit extremen Tierrechtlern von Peta & Co., die die moderne Landwirtschaft offen ablehnen und anfeinden!
Auf großen Schildern trugen sie Parolen vor sich her wie: „Fleisch ist Mord“ oder „Ökologische Landwirtschaft ist möglich – alles andere ist ein Verbrechen an Mensch, Tier und Natur“. Misereor selbst hielt folgendes Banner in der Hand: „Wir haben die Agrarindustrie satt: Wenn Menschen heute hungern, hat das mit unserem Fleischkonsum zu tun!“
Das hat mich in meiner Ehre als Landwirt zutiefst verletzt. Ich mache meinen Job verantwortungsvoll und mit Leidenschaft. Und ich behaupte, dass es den allermeisten meiner Berufskollegen genauso geht.
Nachdem sich schon keine Partei mehr offen für die Belange der „stinknormalen“ Landwirtschaft einsetzt, rückt nun auch die Kirche in Form von Misereor von den Landwirten ab?
Diskussion ohne Einigung
Höchst irritiert waren auch Jugendliche der katholischen Landjugendbewegung (KLJB) und luden die Verantwortlichen von Misereor zu einem Diskussionsabend in das Bistum Osnabrück nach Niederlangen im Emsland ein. Spontan kamen rund 150 Landwirte und Bürger zusammen. Weil ich mich zu dem Thema schon öffentlich und in meinem Blog zu Wort gemeldet hatte, durfte ich mit auf dem Podium sitzen.
Um ehrlich zu sein hatte ich erwartet, dass Misereor zurückrudern würde. Doch nichts dergleichen! Statt ein offenes Ohr zu haben für die Sorgen und Nöte der anwesenden Bauernfamilien, feuerten Felix zu Löwenstein, Mitglied des Misereor-Beirats, und Theo Paul, Generalvikar im Bistum Osnabrück und Vorsitzender des Misereor-Verwaltungsrates, fleißig weiter gegen die moderne Landwirtschaft. Dabei wurde unter anderem deutlich:
- Misereor macht das System der konventionellen Landwirtschaft für den Hunger in der Welt verantwortlich. Die Hilfsorganisation verdammt Agrarexporte und Importe von Eiweißfuttermitteln. Dadurch würden Kleinbauern in Lateinamerika und Afrika von ihrer Scholle vertrieben.
Dabei bilden in unserer vernetzten Welt die Arbeitsteilung und der globale Handel die Grundlagen des Wohlstands. So macht die Landwirtschaft heute doppelt so viele Menschen satt wie noch vor 40 Jahren. Für Hunger auf der Welt sind in erster Linie Kriege, Dürren und korrupte Regierungen verantwortlich – nicht wir rechtschaffenen Bauern in Deutschland!
- Misereor fordert den „Stopp des Antibiotika-Missbrauchs“ und wirft den Tierhaltern damit den ebensolchen vor. Das ist eine pauschale Verunglimpfung und blendet die Anstrengungen und Fortschritte bei der Minimierung des Einsatzes völlig aus.
Allein diese zwei Punkte zeigen: Die beiden Seiten – moderne Landwirtschaft und Misereor – haben sich im Laufe der Veranstaltung nicht angenähert. Dadurch hat sich der Entschluss der KLJB Neulangen verfestigt, nicht mehr an dem im Emsland schon traditionellen Fastenmarsch, bei dem zugunsten von Misereor Spenden gesammelt werden, teilzunehmen. Nach der Podiumsdiskussion schloss sich auch die KLJB-Ortsgruppe aus Dersum den Neulangenern an. Und in den folgenden Tagen erhöhte sich die Zahl der Aussteigergruppen auf zehn.
Dialog fortführen
In meinem Blog habe ich daraufhin viele Kommentare bekommen. Das macht deutlich, dass dieses Thema sehr viele Landwirte – nicht nur in der Diözese Osnabrück – bewegt. Ich bin sicher, dass die Kirche in den ländlichen Regionen noch einen ungleich stärkeren Rückhalt hat als in den Städten.
Zwei Wochen später stellte Misereor-Chef Pirmin Spiegel klar, dass die Landwirte keine Sündenböcke seien. Inhaltlich korrigierte sich das Hilfswerk zwar nicht, aber wenigstens wurde der Ton verständnisvoller.
Zuletzt sagte Spiegel am Rande einer Pressekonferenz sogar, sein Hilfswerk distanziere sich von extremen Organisationen. Das hören wir Landwirte gerne! Allerdings erwarten wir jetzt auch Konsequenzen – zum Beispiel, dass Misereor bei der nächsten Berlin-Demo nicht mitmarschiert! Das wäre ein gutes Zeichen!