Wie können Dysenterie-Betriebe saniert werden? Muss in jedem Fall die Herde gekeult werden, oder geht es auch anders? Was ist beim Bekämpfungsplan unbedingt zu beachten? Durchfall im Stall. Zunächst unauffällig zementgrau, dann bei Einzeltieren kakaofarben bis blutig-rot und mit Schleim durchsetzt. Erste Todesfälle treten auf. So beginnt der Alptraum für jeden Schweinehalter, wenn im Betrieb erstmals die Diagnose Dysenterie gestellt wird. Gedanken, die betroffenen Landwirten durch den Kopf gehen: Die Schweinedysenterie, hervorgerufen durch das bewegliche, spiralförmige Bakterium Brachyspira hyodysenteriae, ist das typische Beispiel einer Faktorenkrankheit. Das heißt, sie kommt erst dann zum Ausbruch, wenn zusätzlich zum Vorhandensein des Erregers weitere Faktoren hinzukommen. So können zum Beispiel Fehler in der Fütterung bzw. Rationsgestaltung, zu niedrige Stalltemperaturen oder weitere Erkrankungen wie Atemwegsinfektionen oder gleichzeitige Infektionen mit weiteren Durchfallerregern der Auslöser sein. Bei guten Haltungsbedingungen kann der Erreger über Monate oder sogar Jahre im Betrieb schlummern, ohne dass Krankheitssymptome auftreten. Besonders problematisch ist, wenn Zuchtsauen unerkannt Dysenterie-Erreger tragen. Denn wenn sich die Ferkel am Kot der Sauen anstecken, tragen sie die Erreger weiter in die nachgelagerten Mastbetriebe. Oftmals tritt hier erstmalig eine klinische Erkrankung auf. Noch schlimmer: Werden die Transportfahrzeuge nicht penibel gereinigt und desinfiziert, kann auch mit diesen eine Infektion weiterer Betriebe erfolgen. Dieser Infektionsweg spielt vor allem dann eine Rolle, wenn starker Frost die Reinigung und Desinfektion von Fahrzeugen erschwert. Eine große Bedeutung bei der Verbreitung der Dysenterie haben zudem Schadnager. Im Darm von Ratten und Mäusen können sich Brachyspiren vermehren und werden über einen langen Zeitraum mit dem Kot ausgeschieden. Nehmen Schweine ungewollt Nagerkot auf oder haben sonst direkten Kontakt zu den Nagern, kann so eine Infektion stattfinden. Zur erfolgreichen Dysenterie-Sanierung gehört deshalb auch immer eine effektive Schadnagerbekämpfung. Auch im Kot von Hunden, die Schweineschrot gefressen haben, ist der Erreger ggfs. nachweisbar. Aus diesem Grund sollten bei einer Sanierung Hunde und Katzen von den Schweinen ferngehalten werden oder sind bei der Medikation mit einzubeziehen. Der Nachweis des Dysenterie-Erregers Brachyspira hyodysenteriae kann kulturell, das heißt durch Anzüchtung der Erreger auf Nährbodenplatten, erfolgen. Alternativ bietet sich der Erregernachweis mittels PCR an. Der Vorteil des PCR-Verfahrens ist, dass bereits sehr geringe Mengen des Erregers nachgewiesen werden können, auch wenn die Brachyspiren nicht mehr vermehrungsfähig sind oder wenn bereits antibiotisch behandelt wurde. Soll allerdings gleichzeitig ein Resistenztest erfolgen, ist man auf die kulturelle Untersuchung angewiesen. Da nur vermehrungsfähige, lebende Erreger nachgewiesen werden, gilt die kulturelle Untersuchung als Gold-Standard beim Nachweis der Dysenterie. Neben Brachyspira hyodysenteriae gibt es weitere weniger oder nicht krankmachende Brachyspiren. Dies sind Brachyspira innocens, Brachyspira murdochii und Brachyspira pilosicoli, die in der PCR und in der Kultur unterschieden werden können, nicht jedoch bei der mikroskopischen Schnelluntersuchung. Zur antibiotischen Behandlung der Dysenterie eignen sich die Wirkstoffe Tiamulin, Valnemulin, Lincomycin und Aivlosin. Auch Tylosin hat eine Zulassung zur Behandlung der Dysenterie, doch zeigen über 90 % der Brachyspiren-isolate Resistenzen gegen Tylosin. Für eine vollständige Eliminierung der Erreger aus dem Tier ist eine Behandlungsdauer von mindestens 21 Tagen erforderlich. In der Praxis wird häufig kürzer behandelt, und es ist mit Rückfällen zu rechnen. Im Rahmen einer medikamentengestützten Sanierung wird man auf die 21 Tage noch ein Sicherheitspolster zugeben sowie gegebenenfalls weitere Zugaben für Umstallungsmaßnahmen. In diesem Fall wird vielfach mit einer Intervallbehandlung gearbeitet. Umstallungen und Reinigungsarbeiten sollten immer in der Medikationsphase stattfinden. Zudem ist auf eine ausreichende Dosierung der Wirkstoffe, bezogen auf das Körpergewicht, zu achten. Dysenterie ist also in vielen Fällen behandelbar. Die Eliminierung des Erregers aus dem Bestand setzt allerdings voraus, dass die Hygiene unter die Lupe genommen wird. Dabei sind folgende Punkte zu berücksichtigen: Insbesondere alle Fahrzeuge mit landwirtschaftlichen Kontakten wie TKBA-Fahrzeug, Viehhandelsfahrzeuge oder Futtermittel-LKWs haben im inneren Hygienebereich nichts verloren. Sind die Punkte zur betrieblichen Hygiene geklärt, stellt sich als nächstes die Frage nach dem richtigen Sanierungsweg. So gibt es die Möglichkeit, eine Sanierung im laufenden, gegebenenfalls abgestockten Bestand anzustreben (warme Sanierung). Der andere Weg ist die komplette Räumung der Stallanlage und der Neuaufbau der Herde (kalte Sanierung). Zunächst zur Mast: Hier die Voraussetzungen, die für eine sukzessive, d.h. abteilweise Sanierung in einem Mastbetrieb sprechen: Für eine Totalsanierung sollte man sich entscheiden, wenn die Ausgangslage wie folgt beschrieben werden kann: Im Sauenbetrieb ist die kritische Frage, ob die Sauenherde durch eine medikamentengestützte Sanierung erhalten werden kann oder eine Totalsanierung mit Bestandsneuaufbau erforderlich ist. Im Folgenden sind die Voraussetzungen für die jeweiligen Wege aufgeführt. Für eine warme, d.h. Medikamenten-gestützte Sanierung unter Beibehalt der Sauenherde sprechen folgende Gegebenheiten: Für eine Totalsanierung mit Neuaufbau der Herde sprechen folgende Gegebenheiten: Die Dysenterie verursacht große Schäden. Bei positivem Befund sollte ein strikter Bekämpfungsplan aufgestellt werden. Die Erreger der Dysenterie lassen sich erfolgreich aus dem Bestand verbannen. Je nach Ausgangslage bietet sich die sukzessive, Medikamenten-gestützte Sanierung an. Hier wird der Bestand reduziert und behandelte Tiere in desinfizierte Abteile umgestallt. Bessere Erfolgsaussichten bietet die Totalsanierung mit dem Neuaufbau der Herde. Die Entscheidung für den richtigen Sanierungsweg hängt neben der Resistenzlage v.a. von den betrieblichen Gegebenheiten ab, wie gründlich und sicher die Abteile gereinigt werden können. Auch muss die Restgülle mit Alzogur behandelt werden können. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, muss eine Totalsanierung mit einem Herdenaustausch in Angriff genommen werden. Geißel Dysenterie Erreger mit PCR nachweisen Mindestens 21 Tage lang behandeln Hygiene verbessern Warm oder kalt sanieren Lösungen für Sauenbetriebe Fazit Wie viel Medikamente muss ich jetzt einsetzen? Was kostet das? Wie lange muss ich therapieren? Wann hat dieses Grauen ein Ende? Kann ich die Tiere noch vermarkten? Werde ich die Dysenterie-Erreger überhaupt wieder los? Was muss ich machen, und was kostet die Sanierung? Vor jeder Sanierung ist der potenzielle Eintragsweg abzuklären und sicherzustellen, dass nach einer Sanierung nur unverdächtige Schweine zugekauft werden. Eine Sanierung ist nur sinnvoll, wenn über eine gute Außenabschirmung ein Wiedereintrag, zum Beispiel über Schadnager oder andere Haustiere oder ungeregelten Personen- und Fahrzeugverkehr, verhindert wird. Besonders große Risiken birgt der überbetriebliche Einsatz von Güllefässern und der Schlachtviehverkauf. Hier ist penibel auf einer Schwarz-Weiß-Trennung auf der Rampe zu achten. Auch darf das Waschwasser nicht von der Rampe zurück in den Stall bzw. Güllekeller laufen. Zu einer guten Abschirmung gehören Futtermittelübergabepunkte außerhalb des betrieblichen Weiß-Bereiches. Gegebenenfalls sind betriebseigene Blaseschläuche zu stellen. Alle betriebsfremden Personen, auch Schlosser und Elektriker, müssen bei Arbeiten im Stall betriebseigene Schutzkleidung tragen. Zur Erleichterung der begleitenden Schadnagerbekämpfung ist sicherzustellen, dass der Bereich um Stallungen aufgeräumt ist. Zum Beispiel ist Baumaterial in ausreichender Entfernung vom Stall zu lagern. Alle inner- und außerbetrieblichen Wege sind strikt zu trennen und dürfen sich nie kreuzen. Klar gegliederte Abteile; Saubere Trennung der Güllekanäle sowie dichte Schieber; Leicht zu reinigende Treibwege; Rein-Raus strikt einzuhalten; Frische Klinik nur in einzelnen Abteilen; Ein verantwortlicher Betreuer; Guter allgemeiner Gesundheitsstatus der Herde. Keine saubere Abteiltrennung; Verwinkelte, nicht sauber getrennte Güllekanäle; Treibwege verwinkelt, ein allumfassendes Reinigen und Desinfizieren der Flächen ist kaum möglich; Kein striktes Rein-Raus, Nachstallen sowie Resteabteil; Klinik lange im Bestand, alle Abteile betroffen; Mehrere Betreuer, Aushilfspersonal; Weitere gesundheitliche Probleme (Atemwege etc.). Gute Therapierbarkeit des Erregers; Kastenstandhaltung im Deckzentrum und Selbstfang-Kastenstände im Wartestall; Klar gegliederte Abteile sowie gute Gliederung in die Produktionsbereiche Sauen, Ferkelaufzucht und Mastbereich; Glatt verputzte oder geflieste Wände; Güllesystem klar gegliedert mit sicherer Abteiltrennung; Möglichkeit, die Herdengröße zu reduzieren, um Freiräume zu schaffen für die Reinigung und Desinfektion sowie das Umstallen der Sauen; Gut funktionierendes Medikationssystem; Genügend qualifiziertes Personal; Vollspaltenboden im Flatdeckstall; Frische Infektion; Kot in Deck-, Warte- und Abferkelstall wird täglich entfernt. Erreger ist gegen die meisten oder alle verfügbaren Antibiotika resistent; Gruppenhaltung tragender Sauen; Unscharfe Abteilgrenzen; Offenes Fachwerk, löcherige Wände; Güllesystem folgt nicht den Abteilgrenzen und ist verwinkelt und unübersichtlich; Keine Bereitschaft zur Bestandsreduktion und deshalb keine Freiräume; Kein Medikamentendosierer; Zu geringe Personaldecke, mangelnde Qualifikation; Dreckige Buchten z. B. bedingt durch Teilspaltenboden in der Ferkelaufzucht; Erreger vermutlich schon lange im Bestand; Sauen liegen im Kot. -Dr. Theodor Schulze-Horsel,SGD der Landwirtschaftskammer NRW, Ralf Stuhldreier,FGS-Veterinär GmbH in Büren -