Im letzten Winter wurde viel über die neue Durchfallerkrankung PED diskutiert. Wo wir heute stehen, zeigt das Interview mit der Virologin Dr. Sandra Blome.
Im letzten Winter sind bei uns erste Fälle der Durchfallerkrankung PED aufgetreten. Wie ist der aktueller Stand?
Blome: Seit Mitte 2014 sind weit über 100 PED-Fälle in Deutschland diagnostiziert worden. Es waren insbesondere Mastbetriebe im Süden und Nordwesten des Landes betroffen. Aktuell gibt es deutlich weniger Nachweise. Daraus könnte geschlussfolgert werden, dass die Ausbreitung an Fahrt verliert. Allerdings gibt es auch nur noch wenige Einsendungen.
Wie ist die Lage bei unseren Nachbarn?
Blome: Vermutlich ähnlich wie bei uns. So haben beispielsweise Österreich und die Niederlande nur sporadisch Fälle gemeldet. Die Virusstämme sind eng mit den anderen zentraleuropäischen und deutschen Stämmen verwandt. In Dänemark sind bislang keine PED-Fälle aufgetreten.
Welche Übertragungswege sind bekannt?
Blome: Die Übertragung erfolgt in der Regel auf fäkaloralem Weg, wobei auch Kotverschmutzungen von Transportfahrzeugen eine Rolle spielen können. Darüber hinaus wurde diskutiert, ob z. B. die Verfütterung von Plasmaaufbereitungen das Virus verschleppt haben könnte. Diesbezüglich gibt es keine endgültigen Ergebnisse.
Wie schnell breitet sich PED aus?
Blome: PED ist eine durch Coronaviren verursachte hoch ansteckende Durchfallerkrankung. Bereits geringe Erregermengen führen zur Ansteckung. Die Inkubationszeit liegt bei ein bis zwei Tagen. Oftmals erkranken alle Tiere eines Abteils oder einer Stalleinheit.
Welche Symptome sind typisch?
Blome: Die Erkrankung geht mit einer schweren Darmentzündung einher, die zu wässrigem, häufig gelblichem Durchfall, Erbrechen und Dehydrierung führt bzw. führen kann. Bei einem Ausbruch ist deshalb vor allem auf eine ausreichende Wasser- und Elektrolytversorgung zu achten. Während alle Altersklassen von Schweinen erkranken können, sinkt die Sterblichkeit mit zunehmendem Alter. Eine Infektion bei Saugferkeln in der ersten Lebenswoche kann zu sehr hohen Verlusten führen. Bei Mastschweinen stehen vor allem Einbußen bei den Tageszunahmen im Vordergrund.
Wie lässt sich PED nachweisen?
Blome: Der Erreger lässt sich sehr gut und schnell mittels (real-time) RT-PCR nachweisen. Der Nachweis gelingt am besten aus Kot, Kottupfern oder Darmproben. Diesen Test bieten etliche Labore an. Darüber hinaus lässt sich das Virus in der Regel gut im Elektronenmikroskop darstellen. Die zellkulturelle Anzucht gelingt nur selten.
Waren bei uns auch ferkelerzeugende Betriebe betroffen?
Blome: Auch in Deutschland waren einige Sauenbetriebe dabei. Während einzelne Betriebe von milderer Klinik berichteten, gab es auch verheerende Fälle mit hohen Verlustraten von bis zu 80 % der Saugferkel. Die Faktoren, die zu diesen Unterschieden führten, werden derzeit untersucht. Management und Sekundärinfektionen werden in diesem Zusammenhang diskutiert.
Ist der Sauenbestand nach einer Durchseuchung stabil?
Blome: Es gibt Berichte, dass Bestände mehrfach betroffen waren, teilweise sogar die gleichen Tiere. Diese Praxisbeobachtungen sind bisher nur schwer zu verifizieren. Experimentelle Studien in den USA haben gezeigt, dass eine belastbare, aber nicht sehr lang anhaltende Immunität vermittelt wird. Die Ferkel von Sauen, die eine Infektion durchgemacht haben, sind zumindest partiell geschützt.
Wie kann man sich vor PED schützen?
Blome: Derzeit stehen vor allem Maßnahmen zur Verbesserung der Biosicherheit im Vordergrund. Einen zugelassenen Impfstoff gibt es bei uns nicht.
Welcher Virustyp ist bei uns unterwegs? Und wie ist dieser einzuordnen?
Blome: Die in Zentraleuropa kursierenden Virusstämme sind sogenannte S-INDEL-Stämme, die generell mit etwas milderer Klinik assoziiert waren und sich von den hochvirulenten US-amerikanischen Stämmen geringfügig unterscheiden. Die Virulenzfrage ist jedoch komplex und bislang nur unzureichend untersucht.
Wie ist der Stand in Mittel- und Nordamerika?
Blome: Auch in den USA, Kanada und Mexiko scheint sich die Lage weitestgehend beruhigt zu haben, obgleich nach wie vor Fälle gemeldet werden. Da insbesondere in der kalten Jahreszeit mit ansteigenden Fallzahlen zu rechnen ist, werden die nächsten Wochen zeigen, ob es zu einem erneuten Anstieg kommt.
Ist damit zu rechnen, dass eines Tages auch bei uns aggressivere PED-Varianten auftreten?
Blome: In der Ukraine sind kürzlich verheerende Ausbrüche aufgetreten. Diese sind mit Virusstämmen assoziiert, die sehr eng mit den US-amerikanischen Stämmen verwandt waren. Hochvirulente Viren gibt es also auch außerhalb Asiens und Amerikas.
Es ist aber auch zu beobachten, dass die Klinik sehr stark vom Betriebstyp abhängt. In Ferkel erzeugenden Betrieben können auch die vermeintlich milderen Stämme katastrophale Auswirkungen haben!