Auch in den besten Mäster-Ferkelerzeuger-Ehen kann es kriseln. Oft geht es um die Tiergesundheit. Hier ist ein neutraler Tierarzt als Mediator gefragt.
Dr. Josef Schulte-Wülwer, Meppen
Immer wieder geraten Hoftierärzte in Gewissenskonflikte. Dies ist dann der Fall, wenn Ferkelerzeuger und Mäster sich darüber streiten, ob bestimmte zugesagte Qualitätskriterien bei den Ferkeln eingehalten werden. Einerseits sind sie ihrem Klientel verpflichtet, andererseits erwartet man von ihnen Ehrlichkeit und eine fundierte weitsichtige Beratung. Nur gut, wenn dann ein Dritter zur Verfügung steht, der sich dieser Problematik annimmt.
Um solche Hilfestellungen oder Mediatoren-Tätigkeiten werden mehr und mehr die Tierärzte der Schweinegesundheitsdienste (SGD) gebeten. Die Nachfrage nach fundierter, neutraler Beratung hat in den letzten Jahren im Zuge der Antibiotika-Debatte noch einmal zugenommen.
So klagen immer häufiger Mäster darüber, dass die gelieferten Ferkel in der Aufzucht nicht ausreichend gegen Infektionen wie Streptokokken oder Atemwegs- und Darmerkrankungen therapiert worden sind und dann in der Mast erneut erkranken.
Schweine wachsen ungleich
Mäster Friedhelm Meier bezieht seit einigen Jahren Ferkel von Erzeuger Frank Schulte (Namen geändert). Alle drei Wochen werden ca. 400 Tiere in jeweils zwei leere und gereinigte Mastabteile eingestallt. Meier und Schulte vereinbarten, dass alle Ferkel im Alter von drei Wochen gegen Mykoplasmen und Circo geimpft werden.
Beide Seiten waren mit der Zusammenarbeit sehr zufrieden. Doch in den letzten Monaten knirscht es zunehmend. Ursache dafür ist, dass die bei Ankunft sich noch gut präsentierenden Ferkel etwa drei Wochen nach Ankunft stark auseinanderwachsen und teilweise anfangen zu husten.
Damit nicht genug: Einige Tiere fangen an zu fiebern und müssen antibiotisch behandelt werden. Zudem stellt Meier fest, dass die Lungenbefunde bei seinen Schlachtschweinen stark angestiegen sind. Inzwischen weist jedes vierte Tier Schäden an der Lunge auf. Auch die Tierverluste in der Mast sind etwas angestiegen.
Anfangsverdacht APP
Meiers Hoftierarzt untersuchte den Bestand. Sein Anfangsverdacht zielte in Richtung unterschwellige APP-Infektion. Deshalb brachte er ein gerade verendetes und ein akut erkranktes Schwein zum Untersuchungslabor. Außerdem wurden zehn Blutproben sowie fünf Nasentupfer zur Untersuchung eingesandt.
Das Untersuchungsergebnis war ernüchternd. Denn weder der anfängliche APP-Verdacht konnte bestätigt werden noch gab es Hinweise auf Influenza oder PRRS. Allerdings wurden in den Blutproben der älteren Mastschwei-ne hohe Mykoplasmen-Antikörpertiter nachgewiesen.
Zudem fanden sich bei dem tot angelieferten Schwein herdförmige Verdichtungen in den Lungenspitzenlappen. Bei der bakteriologischen Gewebeuntersuchung konnten Streptokokken nachgewiesen werden. Diese Befunde sprechen dafür, dass eine Enzootische Pneumonie (Mykoplasmen-Infektion) mit anschließender Streptokokken-Besiedlung der Grund für das Auseinanderwachsen der Masttiere ist.
Erklärung nicht akzeptiert
Nachdem Meier seinen Ferkellieferanten mit dieser Diagnose konfrontierte, stellte dieser auf stur. Schulte argumentierte, dass seine Ferkel bei Verkauf gesund und alle ordnungsgemäß gegen Mykoplasmen geimpft seien.
Als auch ein direktes Gespräch der beiden Haustierärzte nicht weiterhalf, wurde der SGD-Tierarzt gebeten, hier zu vermitteln. Zumal es zwischen den beiden Parteien bislang immer gut funktioniert hatte und die Lieferbeziehung erhalten bleiben sollte.
Beim ersten SGD-Besuch im Mästerstall, der zusammen mit Meiers Tierarzt erfolgte, bestätigte sich das beschriebene Bild. Die neu ankommenden Ferkel machten generell einen guten Eindruck. Allerdings zeigten einige Tiere bei genauem Hinsehen einen etwas größeren Kopf bzw. ein längeres Gesicht. Das kann ein Hinweis dafür sein, dass sich in der Partie auch ältere, etwas langsamer gewachsene Ferkel befinden.
In den Mastabteilen der Mittelmast fanden sich dann zunehmend ungleiche Gruppen. Auffallend war ein voll belegtes Reste- bzw. Nachmastabteil. Bei Sichtung der Mastleistungen zeigte sich, dass die ersten Schweine zwar mit 90 Tagen schlachtreif waren, einige aber auch mehr als 135 Tagen dafür brauchten.
Beim Besuch im Ferkelerzeugerbetrieb zeigte sich ebenfalls ein recht gutes Hygiene- und Gesundheitsbild. Der Hoftierarzt des Sauenhalters bestätigte, dass alle zugesagten Impfungen sorgfältig durchgeführt wurden und großen Wert auf Hygiene- und Vorbeugemaßnahmen gelegt wird. Der Betrieb hatte die biologische Leistung in den letzten drei Jahren auf annähernd 30 abgesetzte Ferkel pro Jahr steigern können. Sauen und Saugferkel präsentierten sich sehr gut.
Problem Resteabteil
Im Aufzuchtbereich war das Bild aber etwas differenzierter. Seitdem es vor ca. zehn Jahren verstärkte Circo-Probleme gab, wird beim Absetzen versucht, nach Möglichkeit zwei komplette Würfe in eine Bucht einzustallen. Dadurch finden sich in den Buchten immer schwerere und etwas leichtere Ferkel. Auch die früher durchgeführte antibiotische Eingangs-Metaphylaxe wurde vor knapp zwei Jahren im Rahmen der Antibiotika-Diskussion eingestellt. Soweit erforderlich, werden einzelne Ferkel per Spritze behandelt.
Die meisten Ferkel haben nach rund sechs Aufzuchtwochen das Verkaufsgewicht erreicht. Die noch untergewichtigen Ferkel kommen dann in ein Reste-abteil und werden drei Wochen später mit der nächst jüngeren Gruppe abgeliefert. Einige wenige Ferkel müssen als Spanferkel verkauft werden.
Nach Sichtung der vorliegenden Diagnostikdaten kommen SGD-Tierarzt, Haustierarzt und Landwirt gemeinsam zu folgender Feststellung: Das an sich gute Gesundheitsbild des Ferkelerzeugerbestandes kommt in der Aufzucht ins Wanken. Durch die früher durchgeführte antibiotische Metaphylaxe nach dem Absetzen konnten damals aufkommende Infektionen weitgehend im Keim erstickt werden. Erschwerend kommt hinzu, dass bedingt durch die Leistungssteigerung das Flatdeck stärker belegt werden muss. Die nach sechs Wochen nicht verkaufsfertigen Ferkel blockieren zudem wertvollen Flatdeckplatz.
Maßnahmenplan festgelegt
Bei dem anschließenden Treffen mit allen Beteiligten werden dann folgende Maßnahmen besprochen:
- Der Ferkelerzeuger trennt künftig die sehr leichten Absetzferkel (unter 4,5 kg) in zwei Extrabuchten im Flatdeckabteil ab. Diese bekommen dann noch etwas länger ein Starterfutter.
- Gegebenenfalls werden diese in der Gruppe gezielt nach Maßgabe des Tierarztes mediziniert. Soweit in den nächsten Tagen in den anderen Buchten Ferkel auffällig werden, müssen auch diese ausgesondert und in eine freie Bucht bzw. zu den kleineren Schweinen gestallt werden.
- Um dem Mäster die Sortierung der Tiere zu erleichtern, werden künftig alle Ferkel, die noch nicht mit der Hauptpartie abgeliefert werden können, extra gekennzeichnet oder zumindest beim Transport abgeschottet. Diese Tiere werden dann in gesonderte Mastbuchten eingestallt, um so die anderen Gruppen gleichmäßiger zu halten. Einen möglichen Schaden wegen nicht erreichter Schlachtgewichte bei den Schweinen der Extrabuchten werden sich Mäster und Ferkelerzeuger teilen.
- Aufgrund der Hinweise auf Mykoplasmeninfektionen wird der Ferkelerzeuger zumindest vorübergehend alle Ferkel zweimalig gegen Mykoplasmen impfen.
Streit um Jungsauen
In den meisten Fällen lassen sich solche Konflikte am runden Tisch zur Zufriedenheit aller lösen. Dabei geht es nicht nur um Ferkel-, sondern relativ häufig auch um Jungsauenlieferungen.
In einem konkreten Fall warf ein Sauenhalter seinem Vermehrungsbetrieb vor, dass die neuen Sauen den Bestand mit Salmonellen infiziert haben. Diese Bedenken sind sehr gut nachvollziehbar, da bei Eingangsuntersuchungen häufiger positive Jungsauen auffallen.
Da der Ferkelerzeuger bislang mit den Jungsauen sehr zufrieden war, ihm aber aufgrund der Untersuchungsergebnisse Zweifel gekommen sind, zog er einen SGD-Tierarzt hinzu. Dieser besuchte zunächst den Zuchtbetrieb und sichtete die zur Verfügung gestellten Untersuchungsergebnisse. Mit den so gewonnenen Eindrücken suchte der Fachmann den Sauenhalter auf.
Um das Risiko einer Einschleppung in den Bestand zu vermindern, wurde eine Optimierung der Haltung und Fütterung in der Quarantäne empfohlen. Gleichzeitig sagte der Vermehrer zu, sich der Problematik anzunehmen und seinerseits die Maßnahmen zur Salmonellenreduzierung zu optimieren. So wurde die Basis geschaffen, die Geschäftsbeziehung fortzuführen. Wo-bei auch eine Trennung der Partner und der Aufbau einer neuen Beziehung Ergebnis einer solchen Vermittlung sein kann.
Schützenhilfe
Immer wieder werden SGD-Tierärzte auch von Kollegen um Hilfe gebeten, die sowohl den Sauenhalter als auch den Mäster betreuen. Auch wenn die Betreuung der Kette Vorteile hat, kann es in einer solchen Konstellation zu teils größeren Spannungen kommen. Liefert z.B. ein Ferkelerzeuger kranke Tiere ab und kann der Hoftierarzt dies wegen seiner Schweigepflicht oder aus Loyalität zum Ferkelerzeuger gegenüber seinem Mästerkunden nicht kommunizieren, bringt das so manchen Veterinär in Gewissenskonflikt. In solchen Fällen ob-liegt es dem neutralen SGD-Tierarzt, die Probleme offen anzusprechen und gemeinsam mit den Beteiligten nach Lösungen zu suchen.
Hin und wieder kommt es auch vor, dass in Betrieben Missstände herrschen, die der Hoftierarzt sieht und beim Besitzer anspricht, die aber trotzdem nicht abgestellt werden. Auch hier stoßen die betreuenden Hoftierärzte schnell an die Grenzen ihrer Möglichkeiten. Sie sind dann froh, wenn ein neutraler Dritter hinzugezogen werden kann.
Diese Fälle können sich auch für den SGD-Tierarzt als schwierig erweisen, insbesondere dann, wenn es sich um tierschutzrelevante Probleme handelt und der Besitzer sich nicht einsichtig zeigt. Aber auch in solchen Extremfällen tut sich ein unabhängiger SGD-Tierarzt leichter, beispielsweise mit einer notwendig werdenden Benachrichtigung der Überwachungsbehörde.
Fazit
- Wenn zugesagte Qualitätskriterien in puncto Tiergesundheit nicht eingehalten werden, kann eine gut funktionierende Geschäftsbeziehung zwischen zwei Schweinehaltern platzen.
- Die jeweiligen Hoftierärzte sind oft befangen. In diesen Fällen können zum Beispiel Fachtierärzte des Schweinegesundheitsdienstes die Rolle eines unabhängigen Mediators übernehmen. Die Nachfrage diesbezüglich ist groß.
- Nach entsprechenden Be-standsbesuchen und gründlicher Aufarbeitung der Probleme werden Lösungen gesucht, die für beide Seiten akzeptabel sind.