Welche Strategien verfolgen die EU-Länder bei der PRRS-Bekämpfung? Wie funktionieren regionale Tilgungsprogramme?
Heinrich Niggemeyer, SUS
Das Virus des Porcinen Reproduktiven und Respiratorischen Syndroms (PRRS) ist weitverbreitet und führt in den meisten europäischen Ländern zu großen Schäden. Um detaillierte Informationen zur Verbreitung, den Kosten und den aktuellen Bekämpfungsstrategien von PRRS in Europa zu erhalten, hat die EU-Kommission eine Umfrage initiiert. An dieser beteiligten sich Experten aus 20 Ländern. Nachfolgende Ausführungen beziehen sich u.a. auf die Ergebnisse der Umfrage sowie einem Abschlussbericht der Expertengruppe EuroPPRSnet.
Unterschiedliche Verbreitung
In Europa gibt es nur vier PRRSV-freie Länder. Das sind Norwegen, Schweden, Finnland und die Schweiz. Alle anderen Länder sind von PRRSV betroffen (siehe Karte). In welchem Maße dies der Fall ist, kann nur geschätzt werden. PRRS ist derzeit weder anzeige- noch meldepflichtig.
Aufgrund der Insellage sowie limitierten Importen und strukturierten Tierströmen ist davon auszugehen, dass in Ländern wie Dänemark, Irland oder England die Rate infizierter PRRSV-Betriebe bei unter 50 % liegt.
In anderen Ländern wie Niederlande oder Österreich dürfte sie bei bis zu 80 % liegen. Doch für die meisten EU-Länder, darunter wichtige Erzeugerländer wie Deutschland, Frankreich, Spanien oder Polen, wird die Prävalenz im Schnitt mit über 80 % der Betriebe angegeben.
Das heißt, dass in diesen Ländern lediglich Einzelbetriebe oder aufeinander abgestimmte Betriebe in einer Kette PRRSV-frei sind. Das Ziel ist, diesen Status über eine möglichst lange Zeit aufrechtzuerhalten. Neben der Umsetzung strenger Hygiene-Protokolle gelingt dies am ehesten in Regionen mit einer vergleichsweise geringen Schweinedichte.
PRRS-Einbrüche und die Kosten
Um die Ausgangssituation in puncto PRRSV zu bewerten, spielt nicht nur die Prävalenz eine Rolle, sondern auch, um welche Stämme es sich handelt. Grundsätzlich werden zwei Genotypen des PRRSV unterschieden. Dabei handelt es sich um den ursprünglich nur in Europa zirkulierenden EU-Typ und den in Amerika und Asien verbreiteten US-Typ. Dieser besitzt inzwischen auch eine hohe Prävalenz in Dänemark, Deutschland, Österreich und Polen.
Die hohe Mutationsrate der PRRS-Viren hat zudem zu deutlichen Sequenz-unterschieden innerhalb des EU- und US-Typs geführt. So unterscheidet man mittlerweile beim EU-Stamm zwischen vier Subtypen. Wobei die Stämme unterschiedliche Virulenzen aufweisen. Das äußert sich auch in der Schwere der Erkrankung.
Dies ist ein Grund, warum manche Infektionen symptomlos, andere wiederum mit schwersten Verlaufsformen zu beobachten sind. Das hat zur Folge, dass die Kosten einer PRRSV-Infektion je nach Situation stark variieren bzw. nicht gut zu greifen sind.
Niederländische Studien in Sauenbetrieben, bei denen es akute PRRSV-Erkrankungen gab, zeigten z.B. Verluste von 59 bis 379 € pro Sau während des Ausbruchs. In Dänemark geht man hingegen nur von Verlusten bis zu 95 € pro Sau aus.
Letztere Angabe stützt sich auf eine vergleichende Untersuchung in chronisch PRRSV-infizierten und nicht infizierten Betrieben. So konnte nur eine vergleichsweise geringfügige Reduzierung der Produktivität festgestellt werden. Beispielsweise lagen in den PRRSV-infizierten Betrieben die Saugferkelverluste lediglich um 0,8 bis 0,9 Prozentpunkte sowie die Verluste im Ferkelaufzuchtbereich um 0,4 Prozentpunkte höher. Bei den Mastverlusten wurden keinerlei Unterschiede festgestellt.
PRRS-freie Länder keulen
Ebenso wie die Angaben zum Ausmaß einer PRRSV-Infektion variieren, gibt es unterschiedliche Meinungen zur PRRSV-Bekämpfung. In den meisten EU-Ländern besteht die wichtigste Maßnahme in der Impfung von Sauen und Ferkeln. Gleichzeitig werden allgemeine Maßnahmen zur Biosicherheit empfohlen.
Eine nationale Strategie zur Bekämpfung der PRRSV gibt es nur in den vier PRRSV-freien Ländern. Hier werden infizierte Bestände gekeult und später unter Entschädigung wieder aufgebaut. In Schweden und in der Schweiz wurde PRRSV erstmals 2007 bzw. 2012 diagnostiziert. Wie sich PRRSV nach Schweden ausbreitete, ist nicht bekannt. Die Fälle in der Schweiz waren auf den Import von infiziertem Sperma zurückzuführen. Nach einem entsprechenden Screening der Kontaktbetriebe wurden alle infizierten Bestände gekeult. Beide Länder erhielten den Status PRRSV-frei in weniger als einem Jahr zurück.
Ungarn möchte ebenfalls in absehbarer Zeit zu den PRRSV-freien Ländern gehören. Dort wurde 2011 ein staatlich finanziertes Screening gestartet. Die PRRSV-Prävalenz beträgt je nach Region bis zu 20 %. Im zweiten Schritt werden Tilgungspläne für die positiven Betriebe erarbeitet. Gleichzeitig sind die Veterinärbestimmungen verschärft worden. So dürfen nur noch Schweine aus PRRSV-freien Beständen nach Ungarn eingeführt werden. Dies hat den Export von Ferkeln und Schlachttieren nach Ungarn erheblich eingeschränkt.
Andere Länder streben, wenn überhaupt, lediglich regional begrenzte Tilgungsprogramme an.
Regionale Tilgungsprogramme?
In Dänemark wurde errechnet, dass die Einbußen durch PRRSV aller Vo-raussicht nach bei rund 15 Mio. € pro Jahr liegen. Die Kosten eines nationalen Tilgungsprogramms, das über einen Zeitraum von fünf Jahren läuft, schätzte man hingegen auf 120 Mio. €. Dies bedeutet eine Amortisationszeit von ungefähr 15 Jahren.
Auf dieser Grundlage ist es wahrscheinlich, dass Dänemark lediglich ein freiwilliges Überwachungsprogramm für alle Betriebe anstrebt. Gerade in Phasen schlechter Ferkelpreise ist es in Dänemark üblich, PRRSV-positive Sauenherden aus der Produktion zu nehmen und eine neue Herde mit PRRSV-negativen Jungsauen aufzubauen.
Von insgesamt rund 7500 Betrieben haben bereits heute etwa 2100 Betriebe den Status PRRSV-frei. Wird die oben angeführte Strategie des Räumens und Ersetzens konsequent umgesetzt, kann die Prävalenz der infizierten Betriebe stetig verringert werden.
Auch in den Niederlanden hat man sich Gedanken zur PRRSV-Eliminierung gemacht. So hat die „Dutch Product Board for Livestock and Meat“ ein auf freiwilliger Teilnahme basierendes regionales Kontroll- und Bekämpfungsprogramm initiiert. Das Projekt beschränkte sich allerdings zunächst nur auf ein relativ kleines Gebiet im wenig schweinedichten Norden der Niederlande.
Die 72 teilnehmenden Betriebe, die im Besitz von 48 Eigentümern sind, werden dreimal jährlich beprobt, um im ersten Schritt den Status der Betriebe zu erheben. Im zweiten Schritt geht es um die Viruseliminierung aus dem Betrieb sowie die Überwachung der Region.
In Deutschland wurde im Rahmen einer Doktorarbeit an der Ludwig-Maximilians-Universität München der PRRSV-Infektionsstatus in 49 von 56 Betrieben in einem zusammenhängenden Gebiet in Süddeutschland erhoben. Um die Chancen einer PRRSV-Eliminierung auszuloten, wurden zusätzlich verschiedene Risikofaktoren abgefragt und ausgewertet.
Aufgrund der Ergebnisse der labordiagnostischen Analysen wurden 30,6 % der Fälle der Infektionsstatus PRRSV-positiv zugewiesen, während 38,8 % der Betriebe als PRRSV-Impfbetriebe identifiziert wurden. Lediglich in 30,6 % der untersuchten Betriebe wurde der Status PRRSV-unverdächtig ermittelt.
Insbesondere der Zukauf von Mastläufern aus wechselnden Herkünften und die Einstallung von Tieren aus zwei oder mehr Herkünften erwiesen sich als Risikofaktor. Aufgrund der Betriebsstrukturen sowie der Handelsbeziehungen sind die Erfolgsaussichten eines regionalen PRRSV-Eliminierungsprogramms eher fraglich.
Fazit
In Europa gibt es vier Länder, die den Status PRRSV-frei für sich verbuchen. Alle anderen Länder sind in unterschiedlichem Maße von PRRS betroffen. In den meisten Ländern konzentrieren sich die Bemühungen derzeit auf die Sanierung von Einzelbetrieben.
Wegen der Gefahr einer Reinfektion durch umliegende PRRSV-positive Betriebe ist langfristig gesehen nur ein koordinierter regionaler Bekämpfungsansatz erfolgversprechend. Dabei sind jedoch die Betriebsstrukturen und regionale Gegebenheiten zu berücksichtigen.
Vor diesem Hintergrund ist eine regionale PRRSV-Eliminierung in Deutschland eher fraglich.