Verbraucher und Politik fordern einen reduzierten Einsatz von Antibiotika. Auch die Landwirte wollen gesunde, leistungsstarke Tiere. Der Einsatz von Impfstoffen zur Gesunderhaltung der Bestände ist daher von großer Bedeutung. Im Laufe der Jahre wurden die Impfstoffe deutlich verbessert. Gleichzeitig konnten neue Kombiprodukte und die Mischbarkeit von Vakzinen den Arbeitsaufwand senken. Im Vergleich zur Antibiotika-Behandlung ist die länger anhaltende Wirkung der Impfung ein Pluspunkt. Zudem ist die Verbraucherakzeptanz von Impfstoffen höher. Denn es treten keine Resistenzen und Umweltbelastungen auf. Doch es gibt Fälle, in denen handelsübliche Vakzinen keinen ausreichenden Schutz bieten. In diese Lücke können stallspezifische Impfstoffe stoßen. Folgende Situationen sind typisch: Stallspezifische Vakzinen sind inaktivierte Impfstoffe. Sie werden auf der Basis von im Bestand isolierten Erregern hergestellt und dürfen nur in diesem Betrieb zum Einsatz kommen. Der Fokus liegt auf den bakteriellen Erregern. Rechtlich ist ohnehin nur die Herstellung stallspezifischer Impfstoffe mit bakteriellem Ursprung zulässig. Grundsätzlich ist der Einsatz stallspezifischer Vakzinen bei allen bakteriellen Erregern denkbar. Die Verwendung konzentriert sich aber insbesondere auf drei Gebiete: Entscheidend für eine erfolgreiche Behandlung mit einer Bestands-Vakzine ist die zielgerichtete Impfstoffproduktion. Denn nur wenn der Impfstoff exakt zum Problem im Bestand passt, ist eine gute Wirkung zu erwarten. A und O sind daher die klinische Untersuchung des Bestandes und die Auswahl der zu beprobenden oder zu sezierenden Tiere. Wichtig: Die Tiere sollten frisch erkrankt, aber noch nicht antibiotisch behandelt sein. Auch die Muttertiere der zu beprobenen Ferkel sollten kein Antibiotikum erhalten haben. Sonst ist das Erreger-Bild unter Umständen lückenhaft. Des Weiteren sollte die Beprobung mehrere Tiere umfassen. So sollten z. B. bei Durchfällen stets Ferkel aus verschiedenen Würfen einbezogen werden. Wichtig sind insbesondere die Würfe von Jungsauen. Diese sind wegen ihrer kürzeren Auseinandersetzung mit den Betriebskeimen öfter von Durchfällen betroffen. Ganz entscheidend ist außerdem, dass der Tierarzt die Proben steril entnimmt. Dies verhindert, dass Begleitflora die Aussagekraft des Ergebnisses verfälscht oder beeinflusst. Nach der Probenentnahme muss das Material frisch und u. U. gekühlt ins Labor. Insbesondere bei Verdacht auf eine Hämophilus-Infektion sollten die Proben zügig verschickt werden. Denn Hämophilus ist nur in einem kurzen Zeitraum nachweisbar. Alternativ sind in Betrieben mit entsprechender Erlaubnis zielorientierte Organentnahmen mit Beprobungen möglich. Nächster Schritt ist die Interpretation der Ergebnisse. Dabei ist insbesondere zu klären, ob die gefundenen Erreger wirklich als Krankheitsursache und als Leitkeim zu identifizieren sind. Denn eine Schwäche stallspezifischer Impfstoffe ist die eindeutige Zuordnung der Krankheitsursache. Dies gilt vor allem bei Mischinfektionen. Hierbei sind insbesondere Keime auszuschließen, die ohnehin im Umfeld von Schweinen vorkommen bzw. nur unter bestimmten Umständen Krankheiten auslösen. Besteht diesbezüglich Unsicherheit, müssen weitere Tiere beprobt werden. Dann ist zu klären, ob ein Handels-Impfstoff die Erreger abdeckt. Ist dies nicht der Fall, kann ein stallspezifischer Impfstoff sinnvoll sein. Die ersten Schritte der Impfstoff-Herstellung sind die Isolierung, Identifizierung und Typisierung der Erreger. Dazu werden die Proben im Labor ausgestrichen und vermehrt. Ein guter Vorbericht des Tierarztes ist dabei hilfreich. Beim Nachweis eines bestimmten Keimes als Basis für die Impfstoffherstellung wird dieser in Reinkultur vermehrt und z. B. unter Zugabe von Formalin oder Hitze inaktiviert. Nach der Aufreinigung und Formulierung wird der fertige Impfstoff etikettiert, verpackt und gekühlt an den Tierarzt versendet. Während der Herstellung wird der Impfstoff mehrfach geprüft. Hierbei geht es vor allem um die Inaktivierung, Reinheit und Sterilität. Erfahrungsgemäß steht der Impfstoff etwa sechs Wochen nach Bestellung bereit. Bei erneuter Herstellung kann die Vakzine mit entsprechendem Hinweis in der Impfanzeige auch vom Landwirt verabreicht werden. Vor dem Einsatz sollten Landwirt und Tierarzt abklären, wann der Immun-Schutz erforderlich ist. Insbesondere bei Saugferkeldurchfällen kommt die Mutter-Schutzimpfung in- frage. Damit die Sauen einen hohen Antikörperspiegel im Kolostrum aufweisen, sollten sie fünf bis sechs Wochen sowie zwei bis drei Wochen vor der Geburt geimpft werden. Dieses Regime ist zwar aufwendiger als die Bestands-Impfung, bietet aber einen besseren Schutz. Bei der Impfung der Sauen gelangen die Antikörper über die Biestmilch an die Ferkel. Sie haben dann direkt nach der Biestmilchaufnahme die höchste Abwehrkraft. Allerdings baut sich der Schutz kontinuierlich ab. Zum Infektionszeitpunkt sind die Ferkel dann u. U. nicht mehr ausreichend geschützt. In diesem Fall kann es sinnvoll sein, neben den Sauen auch die Ferkel zu impfen. Allerdings vergeht einige Zeit, bis der Schutz bei den jungen Tieren aufgebaut ist. Wichtig ist daher, dass der Abstand zwischen erster und zweiter Ferkelimpfung nicht zu lang oder zu kurz ist. Zu empfehlen ist eine Impfung am fünften bis siebten Lebenstag. Zwischen 21. und 28. Lebenstag folgt die zweite Impfung als Booster. Unverzichtbar ist auch, die Wirksamkeit der Vakzine regelmäßig zu überprüfen. Denn leider kommt es immer wieder vor, dass mit den ersten Proben nicht alle bzw. der wesentliche Erreger gefunden wurde. Häufig wird auch nicht auf Viren mituntersucht. So können z. B. Rotaviren der Auslöser für Saugferkeldurchfall sein, der durch E. Coli oder Clostridien verstärkt wird. Daher sollte man auch bei erfolgreicher Impfung vor jeder Nachbestellung die Erreger-Aktualität überprüfen. Zur Bewertung der Wirksamkeit gehört, die Anzahl erkrankter Tiere inklusive Verluste zu erfassen. Auch der Medikamenteneinsatz ist zu bewerten. Wichtig ist zudem, dass Landwirt und Tierarzt den Impfstoff-Vorrat im Auge behalten. Denn bei Nachbestellungen können bis zu sechs Wochen vergehen. Auch bei funktionierendem Impfstoff muss der Betrieb regelmäßig neuen Impfstoff bestellen, da die Haltbarkeit auf sechs Monate begrenzt ist. Weiter ist zu bedenken, dass Impfungen bei be- stimmten Problemen allein keinen Erfolg bringen. So sind weder stallspezifische noch kommerzielle Impfstoffe allein in der Lage, z. B. Saugferkeldurchfälle zu stoppen. Die optimale Immunisierung der Jungsauen, die Reinigung und Desinfektion der Abteile sowie eine intensive Versorgung der Sauen und Ferkel um die Geburt sind unverzichtbar. Ziel ist eine schnelle Kolostrumversorgung. Abschließend ein Blick auf die Kosten. Hier gilt: In der Regel ist es wesentlich preisgünstiger, präventiv zu impfen als die Tiere notfallmedizinisch zu versorgen. Dies gilt insbesondere, wenn nach einem Krankheitseinbruch starke Leistungseinbußen auftreten. Häufig sind die Kosten stallspezifischer Impfstoffe vergleichbar mit denen von Handels-Impfstoffen. Zum Teil sind stallspezifische Impfstoffe günstiger. Letztlich hängen die Kosten davon ab, wie viele Keime die Vakzine einbeziehen soll. Stallspezifische Impfstoffe können bei bestimmten Erkrankungen eine kosten-effektive und verbraucherfreundliche Alternative zu Antibiotika sein. Allerdings sind eine umfassende Diagnostik und gezielte Probenentnahme unverzichtbar. Denn nur so lassen sich die ursächlichen Erreger bestimmen. Hier sind unter Umständen mehrere Anläufe nötig. Bestandsspezifische Impfstoffe können das Impfkonzept des Betriebes ergänzen. Wichtig ist, dass der Betrieb die Wirksamkeit der Vakzine regelmäßig überprüft und bei Bedarf Anpassungen vornimmt. Praxiserfahrungen zu Bestandsvakzinen lesen Sie in der Reportage auf den folgenden Seiten. Wenn kommerzielleImpfstoffe nicht greifen Diagnostik ist das A und O! Proben schnell ins Labor Herstellung dauert 6 Wochen Impf-Regime festlegen Wirksamkeit prüfen! Fazit Handelsübliche Vakzinen decken grundsätzlich den Erregertyp nicht ab. Eine erfolgreiche antibiotische Behandlung ist aufgrund der Resistenzlage nicht möglich. Die Erreger können sich verwandeln. So ist es möglich, dass zwischen den im Bestand gefundenen und über den Handels-Impfstoff abgedeckten Serotypen keine Kreuzimmunität mehr besteht. Im Bestand treten Mischinfektionen auf. Es besteht der Wunsch, gleichzeitig gegen mehrere Krankheitserreger zu impfen. Die größte Bedeutung haben Saugferkeldurchfälle. Hier spielen E. Coli und Clostridien oder eine Kombination beider Erreger eine große Rolle. Auch bei Streptokokken bieten sich stallspezifische Impfstoffe an. Denn sie weisen eine Vielzahl von Serotypen auf, und es gibt keinen Handels-Impfstoff. Ein weiteres Einsatzgebiet ist die Hämophilus-Problematik (Glässersche Krankheit). Hier bietet der Handel nur Impfstoffe gegen Serotyp 4 und 5 an. -Dr. Laura Strauch, Melle- Maßgeschneiderte Vakzinen können eine sinnvolle Ergänzung zum Impf-Konzept sein.Allerdings ist eine ausgefeilte Diagnostik unverzichtbar.