Hat der milde Winter die PRRS-Probleme in der Zuchtstufe verstärkt? SUS sprach mit Prof. Dr. Elisabeth große Beilage über den aktuellen Stand.SUS: PRRSV-negative Zuchtbetriebe und Besamungsstationen müssen mit Reinfektionen rechnen. Wie hoch ist diese Rate? große Beilage: Hierüber gibt es keine offizielle Statistik. In Gebieten mit hoher Schweinedichte infizieren sich schätzungsweise ca. 80 % der Herden innerhalb von fünf Jahren. Im Osten Deutschlands mit den teils großen Abständen zwischen den Herden ist die Rate sehr viel geringer. Dort gibt es Bestände, die schon länger als zehn Jahre PRRSV-frei sind. Aber auch diese Bestände dürfen in ihren Bemühungen um eine sehr gute Hygiene und Abschirmung nicht nachlassen. Einen 100%-igen Schutz kann es auch hier wegen der Luftübertragung des Erregers nicht geben. SUS: War die Quote in diesem Winter besonders hoch? große Beilage: Feuchtes, windiges und bedecktes Wetter mit Temperaturen leicht über dem Gefrierpunkt begünstigt die Luftübertragung von PRRSV und anderen Erregern. Eine solche Wetterlage hatten wir z. B. im November und Dezember 2011. Eine gehäufte Reinfektion von Zuchtbeständen ist mir dennoch nicht bekannt. Dass dieser Eindruck entstanden ist, hat eventuell mit Reinfektionen in zwei KB-Stationen zu tun. Aufgrund ihrer großflächigen Kontakte zu vielen Zuchtbeständen wird das Infektionsgeschehen daher ganz anders wahrgenommen. SUS: Sind neue, aggressive Varianten unterwegs? große Beilage: Im Zusammenhang mit den aktuellen Fällen konnten sowohl EU- als auch US-Genotypen des PRRSV nachgewiesen werden. Das deutet momentan nicht auf die Verbreitung einer neuen aggressiven Variante hin. Durch die im Vergleich zu anderen Viren hohe Mutationsrate verändert sich das PRRS-Virus jedoch ständig. Dabei können natürlich auch aggressivere Virusstämme entstehen. SUS: Wann besteht akute Ansteckungsgefahr über das Sperma? große Beilage: In der akuten Krankheitsphase scheiden einige Eber über mehrere Wochen PRRSV auch über das Sperma aus. Experimentelle Untersuchungen zeigen, dass die Ansteckung über Sperma von zuvor künstlich infizierten Ebern fast immer möglich war. Bei sehr geringen Erregermengen im Sperma und Zusatz von Verdünner muss es aber nicht in jedem Falle zu einer Ansteckung kommen. Welche Virusmenge kritisch ist und in welchem Umfang Sperma mit hoher Viruskonzentration von einer akut infizierten Besamungsstation ausgeliefert wird, ist nicht vorherzusagen. Dies hängt unter anderem von der Virulenz und weiteren Eigenschaften des entsprechenden PRRSV-Stamms ab. SUS: Wie sollen Ferkelerzeuger mit PRRSV-negativen Beständen reagieren, wenn der Spermalieferant einen PRRSV-Rückfall zu verkraften hat? große Beilage: PRRSV-freie Herden sollten, so die Infektion der KB-Station sehr schnell bemerkt wurde, die zuletzt besamten Sauen schnellstmöglich merzen. Danach ist durch engmaschige Laboruntersuchungen zu prüfen, ob eine Übertragung der Infektion auf die Herde stattgefunden hat oder doch noch verhindert werden konnte. Wenn der mutmaßliche Zeitpunkt der erstmaligen Besamung mit infiziertem Sperma mehr als zehn Tage zurückliegt, dürfte mit der Merzung von den zuletzt besamten Sauen vermutlich nicht mehr viel zu erreichen sein. Oftmals haben diese Sauen den Erreger dann bereits mehrere Tage ausgeschieden. In diesem Fall wäre die mehrmalige Untersuchung einer größeren Stichprobe von Sauen auf PRRSV die Methode der Wahl, um eine Infektion festzustellen. Da infizierte Eber das PRRS-Virus nicht kontinuierlich ausscheiden, besteht eine gewisse Chance, dass sich nicht alle Herden infizieren, die aus einer frisch infizierten Besamungsstation beliefert wurden. Für die Praxis heißt das, dass jede einzelne Herde einmal wöchentlich über einen Zeitraum von wenigsten vier, besser sechs Wochen untersucht werden sollte, um die Übertragung der Infektion sicher auszuschließen. Sollte eine Übertragung und Ausbreitung der PRRSV-Infektion festgestellt werden, ist die Impfung der Herde zu empfehlen. SUS: Die meisten Ferkelerzeugerbetriebe sind PRRSV-positiv. Wie sollten diese Sauenhalter reagieren? große Beilage: Der Nachweis einer Übertragung von PRRSV mit infiziertem Sperma in eine bereits vorab infizierte Herde gestaltet sich schwierig. Hier muss das neu eingetragene Virus gefunden und von dem bereits in der Herde zirkulierenden PRRSV unterschieden werden. Dies ist, wenn überhaupt, nur mit sehr viel Aufwand möglich. In den infizierten Herden wird über regelmäßig ablaufende Infektionen sowie über die oft praktizierte PRRS-Impfung eine Immunität aufgebaut. So darf man hoffen, dass zumindest eine Teilimmunität gegenüber dem neu eingetragenen PRRSV-Stamm besteht und keine oder nur gering ausgeprägte klinische Erkrankungen auftreten. Sollten dennoch typische PRRS-Symptome auszumachen sein, ist das Impfschema bzw. der verwendete Impfstoff zu prüfen und ggfs. zu optimieren. SUS: Wie wichtig ist ein engmaschiges PRRSV-Monitoring der KB-Stationen ? große Beilage: Ich halte ein mindestens 14-tägiges Untersuchungsintervall für unbedingt notwendig. Nur so ist zu gewährleisten, dass der Eintrag von PRRSV zu einem möglichst frühen Zeitpunkt erkannt wird. Dabei sollten die Proben auf Erreger und Antikörper untersucht werden, um sowohl eine sehr frische Infektion als auch eine Infektion, die eventuell schon 14 Tage zurückliegt, sicher zu erkennen. SUS: Wer trägt die Kosten? große Beilage: Die Kosten für das PRRSV-Monitoring werden letztlich auf den Spermapreis umgelegt. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass das Geld sehr gut angelegt ist. Denn ein PRRS-Ausbruch in einer vorab PRRSV-freien Herde geht mit sehr großen wirtschaftlichen Schäden und einer enormen psychischen Belastung der Tierhalter einher. SUS: Gab es im letzten Winter generell in konventionellen Herden mehr PRRS-Probleme als in den Vorjahren? große Beilage: Den Eindruck habe ich nicht. PRRS ist, wie auch im Durchschnitt der Winter der zurückliegenden Jahre, ein andauerndes bzw. wiederkehrendes Problem. Besonders frustrierend sind die Fälle, in denen regelmäßig und sorgfältig geimpfte Herden von einem akuten, verlustreichen PRRS-Ausbruch betroffen sind. Solche Fälle kommen mit einer gewissen Anzahl in jedem Winterhalbjahr vor. Für die Tierhalter, die alle Vorkehrungen zum Schutz vor PRRS getroffen haben, sind diese Fälle ebenso unbefriedigend wie für Tierärzte, die solche Fälle weder vorhersehen noch wirksam verhindern können. SUS: Kann ein Zuchtbetrieb nach einer Reinfektion wieder PRRSV-frei werden? große Beilage: Die Betriebe müssen nach einer Reinfektion warten, bis sich die Herde wieder stabilisiert hat. Im Fall von Sauenherden kann eine ausreichende Stabilität angenommen werden, wenn es nicht mehr zu einer Übertragung des Virus von der Sau auf ihre Ferkel kommt. Dann kann mit der Sanierung begonnen werden. Wobei Betriebe mit verschiedenen Standorten für Sauen, Ferkel und Schweine deutlich bessere Chancen auf eine erfolgreiche Sanierung haben als geschlossene Bestände, die ihre Schweine an einem Standort halten. Für einen Ferkelerzeugerbestand würde ich für den Zeitraum der Stabilisierung und die anschließende Eradikation mindestens zwölf Monate ansetzen. Eberbestände können theoretisch auch saniert werden. Allerdings dürfte das nicht wirtschaftlich sein. Erst wenn alle Eber serologisch und in der PCR negativ sind, kann die Station wieder als PRRSV-unverdächtig gelten. SUS: Was halten Sie von regionalen Eradikationsprogrammen, wie sie z.B. in Holland angedacht sind? große Beilage: Regionale und auf freiwilliger Basis durchgeführte Eradikationsprogramme halte ich in Deutschland – zumindest für die Regionen mit mittlerer und intensiver Schweineproduktion – momentan für nicht realisierbar. Ich bezweifle, dass wirklich 100 % der Schweinehalter in einer solchen Region von der Teilnahme an einem derartigen Programm zu überzeugen wären. Zudem würden Mäster in diesen Regionen erhebliche Schwierigkeiten haben, die für eine regionale Sanierung unerlässlichen, PRRSV-freien Ferkel in ausreichenden Mengen am Markt zu bekommen. Ungeachtet dessen werden sich im Laufe einer Flächensanierung noch viele Probleme ergeben, die im Vorfeld so nicht bekannt waren. Deshalb sollten wir die Projekte intensiv verfolgen, um zu lernen und Lehrgeld zu sparen. -Interview: Heinrich Niggemeyer, SUS-