Auf dem Weltkongress für angewandte Zucht in Leipzig wurden die genomische Selektion sowie neue Zuchtmerkmale diskutiert. SUS fasst die wichtigsten Erkenntnisse zusammen. In den kommenden Jahren werden zwei Entwicklungen die Schweinezucht prägen. Zum einen nimmt die Nachfrage nach Schweinefleisch weltweit zu. Das heißt: Die Produktion muss wachsen. Zum anderen ist der Bedarf an tierischen Nahrungsmitteln langfristig nur durch eine effektive Produktion unter Schonung der verfügbaren Ressourcen und Kontrolle der Auswirkungen auf die Umwelt zu decken. Tiergesundheit, tiergerechte Haltung und die Kontrolle der Lebensmittelsicherheit gewinnen zunehmend an Bedeutung. In der Vergangenheit wurden die Zuchtziele vorwiegend auf ökonomisch bedeutende Merkmale ausgerichtet. Es hat sich jedoch gezeigt, dass sich dadurch oft Merkmale aus den Bereichen Gesundheit, Fitness und Nutzungsdauer verschlechtert haben. Die Experten auf dem Weltkongress für angewandte Genetik in Leipzig waren sich einig, dass diese Merkmale bei künftiger Zuchtarbeit zu berücksichtigen sind, auch wenn sie derzeit wirtschaftlich weniger bedeutend erscheinen. Das Ziel muss sein, im Bereich der Fitness und Gesundheit aufzuholen. Wie sicher sind genomische Zuchtwerte? Auf dem Weltkongress war die Anwendung und Nutzung der genomischen Selektion das beherrschende Thema. Dabei werden DNA-Proben mittels eines speziellen Verfahrens (SNP-Chip) auf markante Stellen im Genom untersucht. Inzwischen sind SNP-Chips entwickelt worden, mit denen man Informationen von 30 000 bis 60 000 SNP-Markern sammelt. Noch größere SNP-Chips mit bis zu 300 000 Informationen sind in der Entwicklung. Im zweiten Schritt werden diese genomischen Informationen statistisch ausgewertet und ein so genannter genomischer Zuchtwert berechnet. Die Schweinezüchter interessieren sich sehr für Erfahrungen aus der Rinderzucht, denn hier ist die Nutzung der SNP-Chips für die genomische Selektion am weitesten fortgeschritten. Die wichtigste Voraussetzung ist die so genannte Lernstichprobe, an der die einzelnen SNP-Effekte geschätzt werden. So wurde aus den Vorträgen deutlich, dass eine Lernstichprobe von 10 000 bis 15 000 Bullen bzw. 30 000 bis 40 000 Kühen mit sicher geschätzten Zuchtwerten ausreicht, um die SNP-Effekte schätzen zu können. Je nach Merkmal werden dann Korrelationen zwischen den konventionell und den mittels SNPs geschätzten Zuchtwerten von 0,3 bis 0,8 erreicht. Der große Vorteil der genomischen Selektion beim Rind ist die Verkürzung des Generationsintervalls. Allerdings wurde darauf hingewiesen, dass das neue Verfahren keinesfalls die Leistungsprüfungen ersetzen kann. Vielmehr sind zur Erstellung einer zeitnahen Lernstichprobe auch weiterhin Leistungsprüfungen notwendig, die eine sichere Zuchtwertschätzung mittels traditioneller Methoden erlauben. Große Lernstichprobe Für die Schweinezucht bleibt festzuhalten, dass die Lernstichproben in der beim Rind genannten Größenordnung aufgrund der vergleichbar kleinen Reinzuchtpopulationen nicht zu erreichen sind. Für die Rasse Piétrain wird eine Lernstichprobe mit mehr als 1 000 Ebern mit sicheren Zuchtwerten möglich sein. International tätige Zuchtunternehmen werden auch bei den Mutterlinien ähnliche Größenordnungen anstreben. Aufgrund der Tatsache, dass die Selektion der Eber in erster Linie auf Eigen- und Geschwisterleistungen und nicht nur auf Nachkommenleistungen basiert, kann die Anwendung einer genomischen Selektion das Generationsintervall kaum verkürzen. Zudem ist die Anwendung der genomischen Selektion nur für die Merkmale möglich, für die eine sichere und umfassende Leistungsprüfung vorliegt. Für den Merkmalskomplex Gesundheit ist eine entsprechende Leistungsprüfung bisher nicht vorhanden. In einem Vortrag mit dem Titel „Züchtung auf Krankheitsresistenz ist auch mit genomischer Selektion schwierig“ werden die dabei auftretenden zwei großen Probleme an einer Simulationsstudie deutlich aufgezeigt: 1. Mittels der SNP-Effekte lässt sich aufgrund der niedrigen Erblichkeit für die meisten Gesundheitsmerkmale nur ein sehr geringer Teil der phänotypischen Varianz erklären. Das lässt wiederum nur einen geringen Zuchtfortschritt erwarten. 2. In den komplexen Zuchtzielen beim Schwein haben die Gesundheitsmerkmale bisher nur eine untergeordnete Bedeutung. Aufgrund gegensätzlicher Beziehungen zu ökonomisch bedeutenden Produktionsmerkmalen wird der mögliche Zuchtfortschritt noch zusätzlich reduziert. j Gene für Eber-geruch gesucht Neben der genomischen Selektion als Anwendungsgebiet des SNP-Chips können die Informationen auch bei der Suche nach funktionalen Genombereichen genutzt werden. So wurden beim Schwein Assoziationsstudien unter Nutzung von SNP-Chips für das Auftreten von Hodenbrüchen und für die Komponenten des Ebergeruchs (Androstenone und Skatol) vorgestellt. In allen Studien konnten Regionen auf dem Genom mit statistisch absicherbaren Einflüssen auf die genannten Merkmale gefunden werden. Diese Studien dienen in erster Linie dazu, in den gefundenen Genomabschnitten mit signifikanten Einflüssen nach den eigentlich funktionalen Genen für die Merkmale zu suchen. Für den Ebergeruch wurden mehrere Genomabschnitte auf verschiedenen Chromosomen mit statistisch absicherbaren Effekten gefunden. Für Hodenbrüche kann aufgrund der Ergebnisse ebenfalls ausgeschlossen werden, dass hier ein einzelnes Gen für die Ausprägung dieses Merkmals verantwortlich ist. In einer weiteren Studie wurde der SNP-Chip beim Schwein auch genutzt, um Genomregionen mit signifikanten Einflüssen auf andere Produktionsmerkmale, wie die Zunahme, die Futteraufnahme und die Speckdicke, zu finden. Die Studie zeigt, dass für diese Merkmale mit mittleren bis hohen Erblichkeiten zwischen 30 bis fast 60 % der phänotypischen Varianz durch 200 bis 400 SNPs erklärt werden kann. Aus diesen Ergebnissen wird nochmals deutlich, dass es auch bei hoch erblichen Merkmalen sehr viele SNPs auf den verschiedensten Chromosomen mit meist kleinen Effekten sind, die die Merkmalsausprägung erklären können. Ebenso wurde der SNP-Chip beim Schwein genutzt, um nach möglichen Genregionen mit statistisch absicherbaren Effekten auf Klauenmerkmale und der Lebensleistung von Sauen zu suchen. Es zeigte sich in dieser Untersuchung, dass für die Klauenmerkmale durch 200 bis 300 SNPs zwischen 12 und 33 % der phänotypischen Varianz erklärt werden konnte. Für die Lebensleistung der Sau (Zahl der gesamt geborenen Ferkel) betrug dieser Prozentsatz immerhin 18 %, wohingegen für die Wurfgröße im ersten Wurf nur 0,3 % der Varianz mittels SNPs erklärt werden konnte. Da diese Studie nur an einer geringen Tierzahl in einer Herde durchgeführt wurde, kommen die Autoren zu dem Schluss, dass interessante Genregionen vorhanden sind, die aber noch an größeren Tierzahlen und unter verschiedenen Haltungsbedingungen bestätigt werden müssen. Futteraufnahme bei Sauen verbessern Ein weiterer Schwerpunkt der im Kongress vorgetragenen Untersuchungen befasste sich mit der Futteraufnahme. Insbesondere ging man auf die Restfutteraufnahme ein, der Teil der Futteraufnahme, der nicht zur Deckung des Erhaltungsbedarfs und des Wachstums benötigt wird. Auch die Beziehung der Futteraufnahme beim Mastschwein und der Futteraufnahme von Sauen während der Säugezeit und deren Einfluss auf die aufgezogenen Ferkel standen im Fokus einiger Untersuchungen. Die Ergebnisse zeigen, dass für die Restfutteraufnahme Erblichkeiten im mittleren Bereich gefunden wurden, die einen Selektionsfortschritt möglich machen. Weiterhin wird aus den Ergebnissen deutlich, dass eine Selektion auf Restfutteraufnahme bei Jungsauen keine nennenswerten Einflüsse auf die spätere Fruchtbarkeit hat. In der Tendenz war die Zahl der geborenen Ferkel sogar geringfügig höher bei Sauen mit geringerer Restfutteraufnahme. Diese Sauen zeigen aber in der Säugephase einen statistisch absicherbaren höheren Gewichtsverlust, der sich eher negativ auf die Aufzuchtleistung, die Nutzungsdauer und die allgemeine Fitness der Sauen auswirken kann. In der Konsequenz schlagen alle Autoren vor, dass bei einer Berücksichtigung der Restfutteraufnahme bei Mastschweinen im Zuchtziel auch Merkmale der Futteraufnahme bei Sauen während der Laktation berücksichtigt werden sollten, um negative Auswirkungen auf die Sauenfruchtbarkeit und Nutzungsdauer zu vermeiden. Zwei Arbeitsgruppen aus Norwegen und aus Kanada stellten den praktischen Einsatz neuer Technologien zur Erfassung des Fleischanteiles und der Fleischqualität bei Schweinen vor. CT und Ultraschall einsetzen In Norwegen werden auf einer neuen Eberprüfstation ca. 3 500 Eber lebend mittels Computertomographie (CT) analysiert, um den Fleischanteil festzustellen. An den nicht selektierten Ebern werden dann am Schlachtkörper mit modernen Methoden der intramuskuläre Fettgehalt und der Tropfsaftverlust erfasst. Die Ergebnisse zeigen beim Tropfsaftverlust mittlere und beim Fleischanteil und dem intramuskulären Fettgehalt hohe Erblichkeiten sowie den bekannten Antagonismus zwischen dem Fleischanteil und der Fleischqualität. Die Autoren kommen zu dem Fazit, dass praktikable und auch ökonomisch vertretbare Methoden zur Erfassung der Fleischqualität mit Bezug zur Sensorik zur Verfügung stehen, um die Fleischqualität in Zuchtprogramme zu integrieren. Die kanadische Arbeitsgruppe stellte eine Ultraschalltechnik zur Erfassung des intramuskulären Fettgehaltes am lebenden Tier vor. Es wurden Korrelationen zwischen der Messung mittels Ultraschalltechnik und der Bestimmung mittels chemischer Methoden am Schlachtkörper von 0,7 bei Duroc gefunden. Diese Methode würde einen wichtigen Beitrag dazu leisten, um zusätzliche Kriterien der Fleischqualität in die Zuchtarbeit zu integrieren.