Vitale Saugferkel und robuste Mastschweine – wer will das nicht? Wie kann die Zucht die Verlustrate senken? Wer die Entwicklung der Ferkel- und Mastschweineverluste der letzten fünf Jahre analysiert, wird folgendes Fazit ziehen können: Trotz dieser Erfolge ist die Zucht weiterhin aufgefordert, Vitalitätsmerkmale stärker als bislang zu berücksichtigen. So ließe sich über die Reduzierung z. B. der Mastverluste die Wirtschaftlichkeit nachhaltig verbessern. Aber auch ethische Aspekte spielen hier eine Rolle. Gelingt es einem Mastbetrieb, die Verlustrate von z. B. 4 % auf 3 % zu senken, macht sich dies mit 1,10 € je verkauftem Mastschwein bezahlt! Zudem ist davon auszugehen, dass bei einem genetischen Hintergrund für Mastverluste auch eine aus züchterischer Sicht positive Korrelation zur Krankheitsanfälligkeit von Mastschweinen besteht. Somit würde eine züchterisch unterstützte Verringerung der Mastverluste auch einen geringeren Medikamenteneinsatz bewirken, der zusätzlich die Wirtschaftlichkeit verbessern wird. Daher ist der Wunsch nach Ebern, deren Nachkommen sich durch Vitalität auszeichnen, groß. Doch die züchterische Bearbeitung dieses wirtschaftlich bedeutenden Merkmals setzt eine Leistungsprüfung voraus. Eine praktikable und auch finanziell vertretbare Variante gibt es aber weder unter Feldbedingungen noch in der Stationsprüfung. Damit dieses Merkmal dennoch in der Zuchtarbeit berücksichtigt werden kann, müssten im Rahmen der Leistungsprüfung im Feld die Mastverluste routinemäßig erfasst werden. Da für das Ja-/Nein-Merkmal Mastverlust die übliche Anzahl Nachkommen pro Eber für eine verlässliche Aussage zu den Mastverlusten nicht ausreicht, müsste zudem der Prüfumfang ausgedehnt werden. Während die Erfassung der Mastverluste bei einer ausreichenden Zahl von Nachkommen derzeit an der Praktikabilität scheitert, ist man bei den Saugferkeln schon weiter. So ist aus vielen Untersuchungen bekannt, dass das Geburtsgewicht ein wichtiger Faktor für das Überleben der Ferkel ist. Daher werden in vielen Basiszuchten die individuellen Geburtsgewichte inzwischen routinemäßig erfasst, um daran die Vitalität der Ferkel abzuleiten. In einem Gemeinschaftsprojekt der Besamungsstation Ascheberg, dem Bundeshybridzuchtprogramm (BHZP) und der Universität Gießen wurden die Möglichkeiten einer Leistungsprüfung für Verluste bei Ferkeln und Mastschweinen untersucht. Hierfür wurden in insgesamt vier Betrieben, die im TOP-Genetik Programm integriert sind, mithilfe der dort eingesetzten elektronischen Identifizierung die Verluste auf Einzeltierbasis erfasst. Der Untersuchungszeitraum erstreckte sich über ein Jahr. In dieser Zeit wurden die Verluste von über 10 000 Ferkeln aus insgesamt 944 Würfen von 625 Sauen detailliert bis zum Mastende aufgezeichnet und analysiert. Ergebnis: Die Saugferkelverluste liegen im Mittel bei 12 %, die Verluste in der Ferkelaufzucht bei ca. 2 % und die Mastverluste bei nur 1 %, was deutlich unter dem Durchschnittswert der Erzeugerringe liegt. Zunächst einmal wurden die Verluste bis zum Absetzen der Ferkel untersucht. Wie nicht anders zu erwarten, wirkt sich der Faktor Betrieb, die Wurfnummer und die Wurfgröße signifikant auf die Verluste bei Saugferkeln aus. In Übersicht 1 ist der Einfluss der Wurfgröße auf die Verluste während der Säugezeit gesamt und aufgrund von untergewichtigen Ferkeln dargestellt. Es ist deutlich zu erkennen, dass ab Wurfgrößen von 15 Ferkeln die Verluste stark ansteigen. Bei Wurfgrößen ab 18 Ferkeln betragen die Saugferkelverluste fast 20 % und die Verluste aufgrund des Untergewichtes ca. 8 %. Für die so erhobenen Ferkelverluste wurden Erblichkeiten geschätzt. Für die gesamten Saugferkelverluste ergaben sich Schätzwerte von 15 %, was für eine Berücksichtigung dieses Merkmals bei der Zuchtarbeit spricht. Für das Merkmal „Verlust aufgrund zu niedriger Gewichte“ konnte ein Wert von immerhin noch 7,5 % ermittelt werden. Aus eigenen Untersuchungen an über 15 000 Ferkeln mit Geburtsgewichten ist bekannt, dass das durchschnittliche Geburtsgewicht mit zunehmender Wurfgröße nahezu linear sinkt. Die Überlebensfähigkeit von Ferkeln wiederum nimmt mit sinkendem Geburtsgewicht überproportional ab, wie in Übersicht 2 zu sehen ist. Insbesondere bei Geburtsgewichten von 1 000 g und weniger müssen Verlustraten von 50 % bis 80 % hingenommen werden. Das Geburtsgewicht hat also eine zentrale Bedeutung für die Überlebensrate. Dies wird auch deutlich, wenn die individuellen Geburtsgewichte der totgeborenen, erdrückten und während der Säugezeit verstorbenen Ferkel mit denen der aufgezogenen Ferkel verglichen werden (siehe Übersicht 3). So waren die durchschnittlichen Geburtsgewichte bei den toten und verendeten Ferkeln geringer, die Streubreite der individuellen Gewichte jedoch größer. Dieser in den Abbildungen dargestellte Zusammenhang unterstreicht, dass eine einseitige Zucht auf Wurfgröße zwangsläufig zu geringen Geburtsgewichten führt, die in erster Linie für den Anstieg der Ferkelverluste verantwortlich sind. Das Erfassen der individuellen Geburtsgewichte ist sehr arbeitsintensiv und wird zurzeit nur in Basiszuchtbetrieben praktiziert. Aus den in Übersicht 2 dargestellten Daten zeigt sich, dass sowohl für die Anzahl Ferkeln im Wurf mit weniger als 1 kg Gewichtsgewicht als auch für die Bewertung des Geburtsgewichtes Erblichkeiten von 11 bzw. 20 % geschätzt wurden. Auch die Streuung im Geburtsgewicht zeigt noch eine Erblichkeit von 8 %. Gleichzeitig konnte nachgewiesen werden, dass alle hier genannten Merkmale der Wurfqualität eine aus züchterischer Sicht negative genetische Korrelation zur Anzahl geborener Ferkel pro Wurf in der Größenordnung von 0,2 bis 0,3 zeigen. Aus den dargestellten Zusammenhängen wird klar, dass das Zuchtziel in der Fruchtbarkeit beim Schwein nicht nur auf die Wurfgröße beschränkt sein darf. Vielmehr haben wir es mit einem Komplex an Merkmalen zu tun, die optimiert werden müssen. Um auch im Rahmen der Feldprüfung für Endprodukteber Anhaltspunkte für die Ferkelvitalität zu bekommen, wird in dem oben genannten Gemeinschaftsprojekt das durchschnittliche Geburtsgewicht, die Anzahl Ferkel unter 1 kg Geburtsgewicht sowie die Streuung im Geburtsgewicht subjektiv mit einer 4-Punkte-Skala erfasst. Inzwischen liegen die ersten 1 000 Würfe zur Auswertung vor. Aus den noch ausstehenden Untersuchungen ist nun zu prüfen, inwieweit eine reine subjektive Beurteilung der Wurfqualität ähnliche Erblichkeiten und Korrelationen zur Wurfgröße zeigt. Während es für die Verlustrate bei Saugferkeln und anderen Vitalitätsmerkmalen möglich war, Erblichkeiten zu berechnen, gelang dies nicht für das Merkmal „Mastverluste“. So reichte im oben genannten Projekt aufgrund sehr niedriger Verlustraten in der Mast das bisher verfügbare Datenmaterial nicht aus, um gesicherte Aussagen über Erblichkeiten bzw. Unterschiede zwischen einzelnen Ebern machen zu können. Bei der niedrigen Verlustrate ist es auch kaum zu erwarten, dass durch züchterische Maßnahmen die Verluste weiter gesenkt werden können. In den Basiszuchten werden oftmals die Geburtsgewichte erfasst, um daran die Ferkelvitalität abzuleiten. Zudem ist eine züchterische Bearbeitung der Ferkelverluste über die Erfassung der Wurf-qualität auch unter Praxisbedingungen mit vertretbarem Aufwand möglich. Aufgrund der gefundenen Erblichkeiten ist auch hier Zuchtfortschritt zu erreichen. Weitaus schwieriger ist es, die Mast-verluste auf züchterischem Wege zu senken, da das Ausgangsniveau bereits sehr niedrig ist. Leistungsprüfung ist kostspielig Versuch mit 10 000 Ferkeln Neugeborene wiegen Auf Wurfqualität züchten Bleibt festzuhalten Trotz enorm gestiegener Wurfgrößen sind die Saugferkelverluste stabil geblieben. Sie bewegen sich im Schnitt zwischen 14 und 16 %. Die besten Betriebe zeigen, dass man die Verluste auf unter 12 % drücken kann! Um dieses Niveau halten zu können, sind die Anforderungen an das Management gestiegen und viele Betriebe haben speziell bei der Geburtskontrolle und in die Neugeborenenversorgung intensiviert, um bei gestiegener Ferkelzahl nicht höhere Verlustraten hinnehmen zu müssen. Auch in der Ferkelaufzucht scheint sich das Leistungsniveau stabilisiert zu haben. Dies ist vor allem auf die inzwischen weit verbreitete Circo-Impfung und verbessertes Management zurückzuführen. In der Mast sind die Verluste sogar rückläufig. Die Erzeugerringe weisen z. B. einen Durchschnittswert von 2,6 % für das letzte Wirtschaftsjahr aus. Dieser lag noch vor einigen Jahren bei 4 %. -Prof. Horst Brandt, Universität Gießen-