Grundsätzlich sind die Aussagen unseres Berufskollegen zum Kupierverzicht nicht falsch. Allerdings beziehen sie sich meines Erachtens sehr auf seine persönliche Situation. Denn nicht viele Betriebe verfügen über einen erheblichen Umfang an Bestandsgebäuden, die sich relativ günstig auf 2.000 Mastplätze mit einem großzügigen Platz- und Strohangebot umbauen lassen. Hinzu kommt, dass die dort eingesetzte Berkshire-Genetik wie alle fetteren Herkünfte von Haus aus ruhiger ist.
Jedoch ist das Fleisch dieser Tiere auf dem deutschen Markt nicht massentauglich. Denn meist werden bei uns nur die edlen Teilstücke nachgefragt. Jeder Landwirt mit einem Tierwohlstall muss sich mit den maßgeblichen Akteuren der Politik und besonders des Lebensmittelhandels messen und diese bestenfalls von seinem System überzeugen. Der LEH bestimmt die Musik, zu der wir zu tanzen haben – ohne Rücksicht auf die Erzeuger. Den großen Discount- und Supermarktketten geht es nur um Marge und Image.
So wünschenswert ein Kupierverzicht auch sein mag. In unserer Gesellschaft ist aufgrund von Inflation, geiz ist geil und Ansprüche außerhalb der Ernährung wenig Raum für qualitativ höherwertige Lebensmittel. Auch schwächere Einkommensgruppen dürfen wir nicht aus den Augen verlieren.
Wir Landwirte können vieles umsetzen und sind bereit dazu. Jedoch müssen unsere Mehrleistungen fair bezahlt werden, damit auch ein Familienbetrieb ein auskömmliches Einkommen erwirtschaften kann. An dieser Stelle zitiere ich Berthold Brecht: Erst kommt das Fressen und dann kommt die Moral. Mit dieser ist es dauerhaft nicht so weit her. Leider!
Alwin Kreimer, Schweinehalter aus Rondeshagen
Ringelschwanz: Faktor Genetik
Ich bewirtschafte einen Betrieb im geschlossenen System mit Eigenremontierung. Als ich im letzten Sommer begann, nach dem Aktionsplan Kupierverzicht in einzelnen Buchten unkupierte Tiere zu halten, war ich angespannt. Schon länger kürzten wir bei den Tieren höchstens ein Fünftel des Schwanzes. In der Regel funktionierte das gut. Allerdings gab es auch immer wieder Durchgänge, wo es ohne klare Ursache zum Beißen kam.
Nachdem sukzessiv der Anteil an Langschwänzen gesteigert wurde, verzichteten wir vor einigen Wochen erstmals bei einem Durchgang komplett auf das Kupieren. Und bis jetzt sind wir sehr zufrieden. Es kam nur in Ausnahmefällen zu Beißereien und durch das Aussortieren von Tätertieren kehrte schnell wieder Ruhe ein. Einmal wurde ein Lüftungsfehler als Ursache ausgemacht.
Bei der Frage nach dem Erfolgsrezept muss ich sagen, in puncto Haltung stechen wir nicht heraus. Die Ställe sind aus den 80er-Jahren, das Platzangebot liegt bei 0,85 m² und wir haben Strohraufen und Knabberstangen installiert.
Ich glaube, die Genetik macht bei uns den Unterschied aus. Wir setzen seit mehreren Jahren auf Sauen, die nicht so viele, dafür aber schwere und robuste Ferkel gebären. Ich bin überzeugt, dass dies der Schlüssel zum Kupierverzicht ist. Daher appelliere ich an meine Berufskollegen, bei diesem Thema den Fokus stärker auf die Sauengenetik zu legen.
Richard Niederhaus, Schweinehalter aus Enger