Nach dem Erstausbruch 2018 rollt seit dem Winter eine neue ASP-Welle durch China. Der Wiederaufbau der Bestände rückt in weite Ferne und wird aus eigener Kraft kaum gelingen.
Fred Schnippe, SUS
Der Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest (ASP) traf China 2018 ins Mark. Das hochansteckende Virus verbreitete sich rasend schnell im ganzen Land. Bis 2020 schrumpfte der 470 Mio. Schweine um- fassende Bestand um mehr als 30%!
Mitte 2020 beruhigte sich das Geschehen etwas und der Wiederaufbau der Bestände sollte starten. Doch seit dem letzten Winter rollt die zweite ASP-Welle und trifft die Betriebe härter als zuvor.
Die Seuche hat das ganze Land wieder fest im Griff. Besonders betroffen ist der Osten, wo die neue Welle binnen weniger Monate 50% der Schweine getötet hat. Einige Unternehmen haben 70 bis 100% ihrer Sauen verloren. Katastrophal ist die Lage auch in der zentralchinesischen Provinz Henan, der Hochburg der Schweineproduktion. Dort gingen rund 50% der Sauen verloren. Insider bewerten die Situation noch verheerender als beim Erstausbruch 2018.
Extreme Kältewelle
Im Januar wurde die Volksrepublik von einer ungewöhnlich harten Kältewelle mit Temperaturen von bis zu minus 30°C erfasst. Viele Betriebe arbeiten mit Offenställen und sind auf derartige Frostphasen nicht vorbereitet. Fachleute schätzen, dass allein der extreme Winter und daraus folgende Krankheiten den Schweinebestand um 15 bis 20% dezimiert haben.
Auch die ASP-Situation hat sich durch den langen Frosteinbruch verschlimmert. Denn aufgrund der Kälte haben viele Desinfektionsmittel schlecht gewirkt. Zudem grassieren neue ASP-Subtypen, die ansteckender sind. Die neuen Varianten erzeugen ein milderes Krankheitsbild, was die Erkennung der Seuche erschwert. Die ohnehin schleppende Aufarbeitung neuer Pestausbrüche wird damit weiter verlangsamt. Denn etliche Betriebe melden die ASP verzögert oder gar nicht, um noch möglichst viele Tiere zu verkaufen.
Illegale ASP-Impfstoffe
Veterinäre sehen die Entstehung neuer ASP-Varianten auch im Zusammenhang mit illegalen ASP-Impfstoffen. Denn viele Schweinehalter betrachten die Seuche als Dämon und tun sich bei der Biosicherheit schwer. Sie sind bereit, auch illegale Impfstoffe auszuprobieren. Am Schwarzmarkt sind experimentelle ASP-Vakzine z.B. aus Russland verfügbar. Die Behörden haben den Einsatz nicht zugelassener ASP-Vakzine zwar verboten. Der freizügige Medikamentenmarkt lässt sich aber nur schwer kontrollieren.
Peking setzt stattdessen auf die staatliche Entwicklung eines Impfstoffes gegen die Seuche. Bereits seit dem Erstausbruch 2018 wird intensiv daran geforscht. Sobald eine zuverlässige Vakzine verfügbar ist, will die Zentralregierung sofort mit einer breit angelegten Impfkampagne starten. Denn Behörden und Tierärzte sind sich einig, dass die ASP inzwischen endemisch ist, sprich dauerhaft auftreten wird. Es herrscht die einhellige Meinung, dass sich die Seuche nur noch mittels Impfung stoppen lässt.
Lücken beim Keulen
Das zentrale Problem ist das mangelnde Vorgehen in infizierten Betrieben. Denn man betreibt die sogenannte Schlechter-Zahn-Politik. Das heißt: Bei einem ASP-Ausbruch werden oft nur die Abteile oder Stalleinheiten mit nachweislich positiven Tieren geräumt. Auf die strikte Keulung infizierter Bestände und der Kontaktbetriebe wird vielerorts verzichtet.
Das zweite Problem sind die Tiertransporte. Denn Schlachtschweine dürfen selbst in ASP-Gebieten ohne Beprobung verkauft werden. Auch in der zweiten Welle kommen daher massenhaft ASP-positive Tiere an die Fleischbetriebe. Selbst 30 kg-Ferkel wurden geschlachtet, um noch Erlöse zu erzielen. Tiertransporte und Schlachthöfe sind so zur Drehscheibe der ASP geworden. Es ist kein Geheimnis, dass es kaum noch Schweinefleisch ohne ASP-Erreger gibt. Auf diese Weise tragen auch Privatpersonen zur Seuchenverschleppung bei. Zudem ist Schweinefleisch durch die Dezimierung der Bestände knapp und teuer geworden. Wer eben kann, hält Schweine im Hinterhof. Über die vielen regionalen Märkte wird der Erreger zusätzlich verbreitet.
Dass China bei der ASP-Bekämpfung nicht strikter durchgreift, hat auch mit dem Führungsanspruch der Kommunistischen Partei zu tun. Denn in der aufstrebenden Wirtschaftsmacht hat die Versorgung mit bezahlbaren Lebensmitteln höchste Priorität. Beim Schweinefleisch hat die ASP zu Versorgungsengpässen und zur Preisexplosion geführt. Die Abhängigkeit von Fleischimporten missfällt der Zentralregierung. Der Verzicht auf strikte Keulungen soll möglichst viele Tiere für die Fleischversorgung retten – mit mäßigem Erfolg.
ASP-freie Zonen sind Ziel
Um die Seuchenbekämpfung dennoch voranzutreiben, hat Peking im Mai den fünften nationalen ASP-Plan erlassen. Er teilt das Land in fünf Regionen ein. So will man die Bekämpfung lokal steuern und Tiertransporte mehr kontrollieren. Mittelfristig will Peking die Schlachthöfe dezentralisieren. Beides soll die ASP-Verschleppung über weite Strecken verhindern. Gleichzeitig will man mit Fördermitteln in den Regionen und in den Betrieben ASP-freie Zonen schaffen.
Fachleute bezweifeln, dass man die Seuche so in den Griff bekommt. Denn aktuell sind schätzungsweise 15 bis 20% des Gesamtbestandes der Volksrepublik ASP-positiv. Bei Stichproben in Schlachthöfen waren nahezu 100% der Schweine infiziert. Es ist zu befürchten, dass die ASP über Jahre immer wieder aufflackert.
Großanlagen haben die Biosicherheit daher stark verbessert und sind heute hermetisch abgeriegelt. Mitarbeiter durchlaufen zunächst für 48 Stunden eine Quarantäne in der Anlage und müssen einduschen, bevor sie zu den Tieren gelangen. Speisen werden auf den Farmen vorgekocht und nur im Schwarzbereich verzehrt. Transportfahrzeuge werden intensiv gereinigt und bei 70°C getrocknet. Trotzdem trifft die ASP auch Großanlagen.
Weniger professionelle Betriebe tun sich mit der Hygiene schwer. Oft gibt es massive Schadnagerprobleme und es fehlen Kenntnisse zu Infektionsketten.
30% weniger Sauen
Die anhaltenden ASP-Probleme haben den Sauenbestand von 45 auf unter 30 Mio. Tiere dezimiert. Ursprüngliches Ziel war eine Bestandserholung auf 35 Mio. Sauen bis Ende 2020. Die zweite ASP-Welle hat dies zunichte gemacht. Laut neuen Prognosen des US-Landwirtschaftsministeriums USDA könnte sich der vollständige Wiederaufbau der Schweinehaltung bis 2029 hinziehen.
Insbesondere in den Veredlungs-Provinzen im Nord-Osten sind die ASP-Schäden irreversibel. Die Sauenverluste sind so hoch, dass sich die Bestände nicht aus eigener Kraft erholen können. In Summe fehlen China 20 Mio. Zuchtsauen! Die Zuchtsauenpreise sind auf bis zu 1500 € hochgeschnellt. Aus Not belegen die Betriebe sogar Mastschweine.
Durch das knappe Angebot sind die Erzeugerpreise im Winter auf mehr als 5 €/kg LG gestiegen. Das ist mehr als das Doppelte wie üblich. Ferkel sind extrem knapp und kosteten noch im März mehr als 300 €! Inzwischen normalisieren sich die Preise wieder, was allerdings auch mit Panikverkäufen im Zuge neuer ASP-Ausbrüche zu tun hat.
Um die Versorgung mit Schweinefleisch wieder zu festigen, hat Peking ein umfassendes Förderprogramm für die heimische Produktion aufgelegt. Der Bau neuer Ställe wird mit 50 bis 90% der Investitions- und Umlaufkosten unterstützt.
Die guten Preisaussichten am chinesischen Schweinemarkt locken auch Großinvestoren an. So baut Muyuan Foods derzeit die größte Sauenanlage der Welt. Am Standort in der Provinz Henan sollen 84000 Sauen jährlich 2,1 Mio. Ferkel erzeugen. Betriebe dieser Größenordnung sind aber die Ausnahme. Meist geht es um Projekte für 2500 bis 5000 Sauen.
Ausländische Genetik gefragt
Die Großanlagen setzen auf ausländische Genetik und einen hohen Gesundheitsstatus. Momentan sind Dänemark und Frankreich für den Export zugelassen. Mit Großbritannien laufen Gespräche. Letztes Jahr wurden rund 20000 Zuchtschweine aus Europa eingeflogen. Das ist aber ein Tropfen auf den heißen Stein. Der Importbedarf bleibt über Jahre groß. Deutschland hat leider keine Exportlizenz für Zuchttiere.
Fleischbedarf bleibt hoch
Auch beim Fleisch bleibt die Volksrepublik von Importen abhängig. Das USDA hat seine Prognose nach dem erneuten ASP-Einbruch stark nach oben korrigiert. Es beziffert den Einfuhrbedarf auf 9 bis 15 Mio. t Schweinefleisch. Damit würde das letzte Jahr übertroffen. Die Regierung hat ihre Fleischreserven ausgelagert, um Engpässe abzumildern. Insider erwarten daher, dass Deutschland bald wieder Schweinefleisch nach China liefern darf.
Bei den biologischen Leistungen gibt es ebenfalls Nachholbedarf. Top-Betriebe schaffen 30 abgesetzte Ferkel. Das Landesmittel liegt aber bei 20 Ferkeln. Es dauert vermutlich noch Jahre, bis China sein Ziel als Selbstversorger erreicht.