Viele sehen im Ausbau der integrativen Produktion die Zukunft. In den Niederlanden haben Kettenkonzepte bereits relevante Marktanteile erobert.
Michael Werning, SUS
Unternehmen aus den vor- und nachgelagerten Bereichen schließen sich mit Landwirten zu einer Kooperation zusammen, um gemeinsam eine starke Marktposition aufzubauen. Das ist die Kurzbeschreibung der sogenannten vertikalen Integration. Und die wird inzwischen von vielen Experten als einer der Wege gesehen, um die Zukunft der deutschen Schweinebranche zu sichern.
Vorteil Planungssicherheit
Denn mit einer Integration gehen verbindliche Verträge einher, die Schweinehaltern in immer volatiler werdenden Märkten Sicherheit geben können. Das kann sich auf den Planungshorizont für Investitionen, den Absatz oder den Preis beziehen. Zudem können durch die unterschiedlichen Stärken der Integrationspartner Mehrwerte in der Vermarktung entstehen.
Auf der anderen Seite schaffen Verträge und Kooperationen auch Verbindlichkeit. Die unternehmerischen Freiheiten werden unweigerlich eingeschränkt, was bei vielen deutschen Schweinehaltern Bedenken schürt. Die Berufskollegen in den Niederlanden stehen dagegen vertikalen Integrationen sehr offen gegenüber und können in der Vermarktung von Tierwohlfleisch große Erfolge vorweisen.
30% Marktanteil
Die Anfänge der Kettenkonzepte reichen dort bis in die 90er-Jahre zurück, und mittlerweile haben sie relevante Marktanteile erobert. So wurden in den Niederlanden im vergangenen Jahr knapp 16 Mio. Schweine geschlachtet. Rund 30% der Tiere sind innerhalb eines der mehr als 14 nationalen Kettenkonzepte gehalten bzw. vermarktet worden.
Mit rund 4 Mio. Tieren entfällt der absolute Großteil auf die 1-Sterne-Kategorie des Labels Beter Leven (siehe Übersicht). Dann folgen mit kumulierten rund 250000 Schweinen mehrere Markenprogramme, die sich speziell an Metzgereien und Caterer richten. Weitere 150000 Tiere fallen unter die 2- und 3-Sterne-Kategorien von Beter Leven.
Das bekannte Label wurde im Jahr 2007 von der Tierschutzorganisation Dierenbescherming ins Leben gerufen und vor allem durch den größten Einzelhändler der Niederlande, der Supermarktkette Albert Heijn, forciert. Das setzte auch andere Akteure des LEH unter Handlungszwang und mittlerweile wird fast das gesamte Frischfleischsegment im Handel durch das Programm abgedeckt. Bei der Verarbeitungsware befindet man sich ebenfalls auf einem guten Weg, wodurch der Marktanteil im gesamten Schweinefleischsegment inzwischen auf mehr als 70% geklettert ist.
Andere bekannte Kettenkonzepte, wie Good Farming Star oder Varken op z’n Best, sind von Schlachthöfen und Fleischverarbeitern angestoßen worden und basieren häufig auf den Haltungskriterien der 1-Sterne-Kategorie von Beter Leven.
Die Rote Seite verfolgt mit ihrem Engagement in der Kettenproduktion in erster Linie das Ziel, dem Lebensmitteleinzelhandel Fleischware in einer gehobenen und vor allem gleichbleibenden Qualität anzubieten. Dazu fächern die Fleischkonzerne ihr Angebot immer weiter auf. So bietet allein das Unternehmen Westfort dem Handel vier verschiedene Schweinefleischkonzepte an:
- Standardware, die zu 100% in einer rein niederländischen Wertschöpfungskette erzeugt wird
- Haltung unter 1-Stern-Beter Leven
- Antibiotikafreie Erzeugung
- Haltung nach EU-Biostandards
Klimaschutz als Aufhänger
Viele kleinere Initiativen, die auch weniger die großen Einzelhandelsketten, sondern eher die regionale Vermarktung über Metzgereien, Restaurants und Co. im Blick haben, sind von der Erzeugerseite entwickelt worden. Dazu gehören z.B. Livar, Frivar, Het Wroetvarken, Vallei Varken oder Krull. Sie sind häufig regional strukturiert, schreiben hohe Haltungsstandards vor und setzen im Verkauf bzw. Marketing auf eine enge Anbindung der Schweinehalter. Bei den größeren Kooperationen unter ihnen liegen die Schlachtzahlen bei rund 5000 Tiere in der Woche. Viele niederländische Öko-Schweinehalter sind in den kleineren Programmen organisiert.
Ein erst im vergangenen Jahr gestartetes Kettenbündnis ist Better for Pigs, Nature & Farmers. Hierbei handelt es sich um eine Kooperation zwischen einer festen Gruppe aus 100 Schweinehaltern, dem Fleischunternehmen Vion und dem Händler Albert Heijn. Neben verschiedenen Tierwohlkriterien und einem geringen Medikamentenverbrauch setzt das Programm vor allem auf eine Reduktion des CO₂-Fußabdruckes. So wollen die Bündnispartner bis zum Jahr 2026 die CO₂-Emissionen für die Schweinefleischproduktion um 18,5% senken. Dazu laufen, ebenso wie zu Tiergesundheit und Tierschutz, verschiedene Forschungsprojekte auf den teilnehmenden Betrieben.
Da die Rückverfolgbarkeit vom Schnitzel bis zum Schwein im Fleischhandel immer stärker nachgefragt wird, werden sehr viele Daten und Informationen zwischen den Kettenpartnern ausgetauscht. In aufbereiteter Form werden sie auch dem Verbraucher durch QR-Codes auf den Verpackungen und Infotafeln in den Geschäften zugänglich gemacht. Einige Kettenbündnisse bieten den Händlern für die Kundenkommunikation neben hochwertigem Bild- und Textmaterial auch Schulungen mit Vertriebsexperten an.
Faire Gewinnteilung
Für die Schweinehalter in diesen Programmen ist es entscheidend, dass sie den Mehraufwand in der Produktion vergütet bekommen. In vielen Fällen geschieht das nach dem bekannten Muster, dass sie einen Festpreis pro kg Schlachtgewicht ausbezahlt bekommen, der über den gängigen Notierungen liegt.
Einen neuen Ansatz verfolgen die Schweinehalter des Landwirte-Bündnisses Farmers Defence Force (FDF) und der mittelständische Schlachter und Fleischverarbeiter Gosschalk. Beide Lager haben kürzlich die Verträge für eine neue Kettenpartnerschaft unterschrieben.
So sollen sich die Schweinehalter in der Farmer Friendly (FF)-Kooperation organisieren und ihre Tiere an ein noch zu gründendes Fleischunternehmen verkaufen. Dieses Unternehmen soll die Schlachtung der FF-Tiere sowie die Vermarktung des Fleisches organisieren. An diesem neuen Unternehmen hält Farmer Friendly und Gosschalk jeweils 50% und entsprechend soll auch der Gewinn verteilt werden. Für die angeschlossenen Landwirte soll das Geld in Form einer höheren Notierung oder der Ausschüttung einer Dividende fließen.
Erste Gespräche über eine Listung des FF-Fleisches werden bereits mit verschiedenen Supermärkten geführt. Für den Start des Vermarktungsunternehmens wird jetzt Risikokapital gesammelt. Auch hier wird geteilt und die Landwirte sollen einmalig zwischen 50 Cent und 1,50 € pro angeliefertem Schlachtschwein bzw. 1,50 bis 2 € pro gehaltener Sau beisteuern.
Einstieg gut abwägen
Auch wenn die Vorteile der Kettenkonzepte herausragen und das Interesse der Schweinehalter daran gerade in unruhigen Marktphasen hoch ist, sollte der Einstieg in ein Kettenkonzept gut überlegt sein. Insbesondere dann, wenn der Betrieb zunächst mit großem finanziellen Aufwand, z.B. in Form eines Stallneubaus, die Rahmenbedingungen für eine Teilnahme schaffen muss. Sind die Investitionskosten dagegen nicht sonderlich hoch und die Kriterien machen einen Wechsel zwischen den Programmen möglich, ist das Risiko überschaubarer.
Teilnahmewillige Schweinehalter müssen sich zudem damit auseinandersetzen, dass ihnen in einigen Programmen relativ starre Produktionsvorgaben gemacht werden. Das kann so aussehen, dass man nur von bestimmten Herstellern Futter beziehen kann und die betreuende Tierarztpraxis vorgeschrieben wird. Nicht selten wird Mästern auch der Ferkelbezug bzw. die Genetik vorgegeben. So fungieren z.B. bei Varken op z’n Best die bekannten Futterhersteller De Heus und For Farmers bzw. die Zuchtunternehmen PIC und Topigs als Kettenpartner.