Neue Umweltauflagen und hohe Lagerbestände heizen den Güllemarkt dramatisch an. Niederländische Schweinehalter zahlen teils bis zu 40 €/m3 für die Gülleabgabe.
Für die niederländischen Schweinehalter kommt es bei der Gülleabgabe knüppeldick. Bereits Ende letzten Jahres schnellten die Ab-Hof-Preise in Veredlungshochburgen auf bis zu 26 € pro Kubikmeter Gülle hoch. In den viehdichten Provinzen Limburg und Nordbrabant mussten die Schweinehalter im Februar teils bis zu 40 €/m3 für die Abholung ihrer Gülle zahlen.
Auslöser der Preisexplosion ist ein Mix mehrerer ungünstiger Faktoren:
- Aufgrund der starken Regenfälle im Frühjahr 2023 verblieben hohe Restbestände in den Lagerbehältern.
- Gute Erzeugererlöse haben den Abbau der Tierbestände gestoppt, einzelbetrieblich kam es zur Aufstockung.
- Steigende Diesel- und Mautkosten verteuern die Transporte.
Umweltschutz verschärft
Der mit Abstand größte Preistreiber sind jedoch die verschärften Umweltauflagen. Denn hier hat die Regierung in Den Haag mehrere Pakete auf den Weg gebracht, die den Schweinehaltern seit dem vergangenen Jahr kräftig zusetzen.
Allem voran steht der Wegfall der Degoration. Sie erlaubte es bis Ende 2022 auf Grünland statt 170 kg bis zu 250 kg Stickstoff je Hektar aus Wirtschaftsdünger auszubringen. Im vergangenen Jahr wurde die Degoration bereits um 10 kg N/ha gekappt, bis 2026 fällt sie ganz weg.
Laut Niederländischem Zentrum für Gülleverwertung (NCM) führt der Abbau der Degoration dazu, dass die Gülleverwertung auf den Flächen um 53 Mio. kg Stickstoff sinkt (siehe Übersicht 1). Das entspricht einem Verlust von rund 300.000 ha Güllefläche!
Die zweite Maßnahme ist die Ausweitung der nährstoff-kontaminierten Ge-biete mit hohen Nitratgehalten im Wasser. Ihr Anteil stieg zum letzten Jahreswechsel von rund 40 auf 60% der Gesamtfläche der Niederlande (siehe Übersicht 2). Die Veredlungshochburgen sind fast flächendeckend betroffen.
In Nitrat-belasteten Gebieten sinkt die Obergrenze von 170 kg N aus Wirtschaftsdünger in diesem Jahr um 5% und im nächsten Jahr um weitere 15%. Zudem endet die Degoration früher.
Die Branche hofft, Dreiviertel dieser Einschränkungen durch Einsparungen bei Mineraldüngern auszugleichen. Doch selbst bei dieser positiven Annahme gehen durch die Verschärfungen in den Nitrat-belasteten Gebieten Ausbringungsflächen für Wirtschaftsdünger für 14 Mio. kg N jährlich verloren.
Die dritte Maßnahme sind Schutzzonen an Wasserläufen, wo die Ausbringung von Wirtschaftsdünger tabu ist. Seit dem vergangenen Jahr gehen dafür im Mittel 3% der Gülleflächen verloren. Dies entspricht umgerechnet 12 Mio. kg Stickstoff, die Jahr für Jahr anders verwertet werden müssen.
Insgesamt erhöhen die Umweltauflagen den Nährstoffüberschuss der Niederlande bis 2026 auf 79 Mio. kg N. Mit dem bestehenden Überschuss steigt der Saldo binnen drei Jahren auf rund 95 Mio. kg N. Das ist eine Verfünffachung des aktuellen Nährstoffüberschusses!
Kosten explodieren
Das heizt die Kosten für die Gülleabgabe weiter an. Bereits 2023 mussten niederländische Schweinehalter nach Erhebungen der Universität Wageningen im Mittel 20,60 €/m3 für die Abholung ihrer Gülle bezahlen (siehe Übersicht 3). Das sind rund 25% mehr als im Jahr zuvor.
Laut NCM-Verwertungszentrum können sich die Kosten in den nächsten drei Jahren verdoppeln, auf 40 bis 50 €/m3 Gülle! Für viele Schweinehalter ist das existenzbedrohend. Denn viele verfügen nur über sehr wenige Gülleflächen. Das führt zu gewaltigen Belastungen. Laut Wageningen Economic Research mussten niederländische Betriebe letztes Jahr fast 95 € pro Sau bzw. 22 € je Mastschwein für die Gülleverwertung aufbringen.
Mit Blick auf die weiter steigenden Nährstoffüberschüsse steht die niederländische Veredlungsbranche maximal unter Druck. Sie versucht daher über verschiedene Hebel gegenzusteuern:
- Die Güllevergärung in Biogasanlagen wurde seit 2016 mehr als verfünffacht. Laut jüngster Statistik gibt es landesweit 116 Biogasanlagen, die rund 3,5 Mio. t Gülle aufnehmen. Allerdings vermindert die Vergärung den Nährstoffgehalt nur wenig. Gärreste bieten jedoch eine bessere Nährstoffverfügbarkeit, was die Vermarktung erleichtert.
- Vor allem in den Vieh-intensiven Provinzen wurden zahlreiche Anlagen zur Gülleaufbereitung gebaut. 2022 gab es gut 200 davon, die zusammen 13 Mio. t Gülle aufnahmen. Bis 2025 soll die Kapazität durch sechs weitere Großanlagen um rund 10% steigen. Betriebe mit hohen Phosphorüberschüssen sind seit Kurzem verpflichtet, einen Teil ihrer Gülle in die Verwertung zu geben. Die aufwendige Aufbereitung rechnet sich aber erst ab Güllepreisen von 20 €/m3. Die Preisexplosion könnte der Sparte also neuen Schub bringen.
- Die Branche strebt an, noch mehr Mineral- durch Wirtschaftsdünger zu ersetzen. Allerdings ist der Gülletransport in niederländische Ackerbauregionen bereits vergangenes Jahr auf 32 Mio. t gewachsen. Die Luft für weitere Steigerungen wird damit immer dünner.
- Unsere Nachbarn werden versuchen, noch mehr Wirtschaftsdünger im Ausland abzusetzen. Bereits 2023 verließen rund 80.000 Gülle-Lkw die Niederlande! Hauptabnehmer sind Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Hier mehrt sich der Widerstand gegen die holländische Gülle, auch wegen des Lkw-Verkehrs.
Die Nährstoffüberschüsse können da-her auch einen Abbau der Tierbestände auslösen. Im Rahmen des Ammoniak-Reduktionsplans strebt Den Haag ohnehin eine Reduzierung der Nutztierhaltung um 30% an. Die Güllekrise wird den Prozess beschleunigen.
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