Weltweit wächst die Schweineproduktion vor allem in integrierten Systemen. Kann die vertragliche Zusammenarbeit auch ein Weg für deutsche Betriebe sein?
Robert Hoste, Uni Wageningen
Schweinehalter haben wenig Einfluss auf den Erlös ihrer Tiere. Dafür ist die Marktposition des Einzelnen zu klein. So umfasst die Lebensmittelkette in Nordwesteuropa rund 1,7 Mio. Landwirte.
Demgegenüber stehen riesige Lebensmittelkonzerne. In Nordwesteuropa kontrollieren 85 Einkaufsbüros den Warenzufluss im LEH. Dennoch hat die Produktionskette bislang meist funktioniert: Jede Stufe konnte ausreichend Geld verdienen, zumindest im Mittel der Jahre.
LEH macht Druck
Das Marktgefüge verschiebt sich aber. Und die Schweinehalter geraten ins Hintertreffen. Dies zeigt sich u.a. durch extreme Erlösschwankungen. Oft reichen die kurzen Hochpreisphasen nicht aus, um die langen Preistäler zu kompensieren. Seit letztem Herbst ist die Liquidität der Schweinehalter stark angespannt.
Hinzu kommt die wachsende Einflussnahme des Lebensmittelhandels. Dabei stehen steigende Anforderungen an das Tierwohl oder die Nachhaltigkeit einem hohen Preisdruck gegenüber. Das Problem ist, dass die Schweinehalter Preisnachteile kaum weitergeben können.
Ist es da nicht sinnvoll oder überlebenswichtig, dass sich die Betriebe zusammentun? Das gilt für die Landwirte untereinander als auch mit den Partnern in der Kette. So hat ein Schlachthof ebenfalls großes Interesse, dass er seinen Rohstoff zuverlässig beziehen kann.
Vorteile mit Integration
Landwirte haben mit einer Zusammenarbeit zwar weniger unternehmerische Freiheiten. Doch die verschiedenen Formen der Kooperation bis hin zur Integration bieten große Vorteile. Der wichtigste ist die bessere Verhandlungsposition. Damit einher geht eine höhere Absatzsicherheit. Nicht zu unterschätzen ist auch das bessere Kostenmanagement sowie die flexible Anpassung auf Marktveränderungen. In Deutschland zeigt die Geflügelmast, wie die Integration für die Landwirte erfolgreich sein kann.
Dennoch findet man im Schweinesektor in Nordwesteuropa meist eine nicht-vertragliche Produktion mit dem Verkauf am freien Markt (siehe Übersicht S. 22). In Deutschland hat ebenso die Angebotsbündelung über Erzeugergemeinschaften und Viehverwertungsgenossenschaften große Bedeutung.
Doch auch bei uns werden Verträge wichtiger. Hier legen sich die Schweinehalter z.B. in puncto Haltung, Produktqualität und Liefermenge für ein Jahr fest. Die Preisabsprache beschränkt sich oft auf den Bonus. Die Verträge können unterschiedliche Gestaltungstiefen aufweisen. Die tiefgehenste Form ist die Lohnmast. Hier ist der Landwirt u.a. nicht mehr Besitzer der Tiere und stellt vorwiegend seine Arbeitskraft bereit.
Eine weitergehende Form ist die vertikale Integration. Auch hier bringt der Landwirt nur die Arbeit und den Stall ein. Die Marktrisiken liegen beim Vertragsanbieter. Es wird eine Vergütung pro geliefertes Tier oder pro Masttag bezahlt.
Bei weitergehenden Formen ist die ganze Kette im Eigentum des Vertragsanbieters. Die Landwirte sind lediglich Mitarbeiter. Es gibt auch Alternativen, wobei z.B. die Sauen geleast werden.
Amerikaner sind Vorreiter
Global ist die Integration in der Schweinehaltung stark verbreitet. Vorreiter sind die USA. Dort sind 60% der Produktion vertraglich gebunden. So entstanden sehr große Veredlungsbetriebe. Marktführer ist Smithfield mit 930000 Sauen. Die US-Nummer 2 ist Seabord Foods mit 335000 Sauen. Manchmal arbeiten die Konzerne ohne eigene Mast. Die Ferkel werden verkauft, oder die Mäster sind vertraglich gebunden.
In den USA dominieren zwei Formen der Integration. Bei den Produktionsverträgen stellt der Landwirt seinen Stall zur Verfügung, sorgt für die Tiere und den Gülleabsatz. Der Integrator ist Eigentümer aller Produktionsmittel und liefert tierärztliche Versorgung und Transporte.
Die Kapitalbeschaffung ist in den Staaten ein Problem. Es gibt daher Verträge, bei denen der Landwirt kein Eigenkapital benötigt. In der Regel trägt der Landwirt die Marktrisiken, manchmal sogar alle Produktionsrisiken. Dafür erzielt er ein stabiles Einkommen und kann seine Schulden abbezahlen. Danach sind die Erlöse gut. Die Produktionsverträge laufen oft über drei bis sieben Jahre.
Bei den Vermarktungsverträgen geht die Integration noch tiefer. Hier stehen auch die Auszahlungspreise für die Tiere fest. Weitere Formen der Integration findet man in Iowa, dem Zentrum der US-Veredlung. Wegen Absatzproblemen haben die Mäster dort Integrationen mit eigenen Schlachthöfen gegründet.
Weitere Integrationen haben die Schweinehalter in Iowa mit den großen Ackerbaubetrieben der Region aufgebaut. Denn die Getreideproduzenten schätzen Gülle als Dünger. Einige Ackerbaubetriebe haben sogar in Schweineställe investiert oder stellen Mitarbeiter bereit.
Brasilien: Tiefe Integration
In Brasilien ist die Integration weit fortgeschritten. Die wenigen nicht-integrierten Landwirte sind fast gezwungen, Teil einer Kette zu werden. Denn die Erzeugererlöse schwanken so stark, dass die Risiken kaum zu schultern sind. Im Sektor gilt die Vertragsproduktion daher als unvermeidlich.
Verbreitet sind vertikale Integrationen von der Urproduktion bis zur Zerlegung. Einige Betriebe arbeiten mit Produktions- und Vermarktungsverträgen. Auch in Brasilien ist Kapitalmangel der Hauptmotor für die Integration. Ein anderer Grund liegt im Export. So haben die Integratoren separate Ractopamin-freie Ketten aufgebaut. Der Wachstumsförderer ist in Nord- und Südamerika weit verbreitet. Beim Export nach China oder Russland ist er aber verboten.
Russlands Schweineproduktion hat sich dank hoher Erlöse und Subventionen rasant entwickelt. So ist das Land zum Fleischexporteur aufgestiegen. Es wurden komplexe Integrationen aufgebaut mit Zucht, Futterherstellung, Mast, Fleischindustrie bis zum Einzelhandel. Die Inhaber sind vor allem vermögende Russen. Miratorg ist der größte Konzern mit 180000 Sauen. Die 20 größten Integratoren produzieren zwei Drittel des Schweinefleischaufkommens. Oft erzeugen die Konglomerate auch Geflügel- und Rindfleisch sowie Getreide.
Typisch ist der kurze Horizont von fünf Jahren, in denen das Kapital zurückverdient sein soll. Das bedeutet ein Risiko für die Nahrungsmittelversorgung. Die seit mehr als zehn Jahren grassierende ASP hat die Entwicklung verlangsamt, aber nicht gestoppt.
Spanien drückt die Kosten
Spaniens Schweinehaltung ist rasant gewachsen, wozu die Integrationen stark beigetragen haben. Binnen zehn Jahren legte der Bestand von knapp 25 Mio. auf 32,4 Mio. Schweine zu. Die Integratoren haben vor allem die Mast schnell ausgedehnt. Sie kontrollieren heute rund 80% des spanischen Schweinemarktes. Hierbei sind die Genetik, Futtermittel und die tierärztliche Betreuung abgestimmt.
Durch die hohe Effizienz produzieren die Spanier kostengünstig. Zudem gibt es eine gute Infrastruktur mit schlagkräftigen Überseehäfen. So verdoppelte sich der Export von Schweinefleisch seit 2018 auf 1,8 Mio. Tonnen. Die spanischen Integratoren setzen ihren Wachstumskurs fort. Allerdings verlangsamt das niedrige Erlösniveau die Expansion.
Dänen wollen Kooperation
In Dänemark ist der Wille zur Zusammenarbeit traditionell hoch. Fast alle Schweinehalter sind Mitglied des genossenschaftlichen Schlachtkonzerns Danish Crown, der auch die Zucht- und Forschungsarbeit koordiniert. Große dänische Betriebe haben auch in die Schweinehaltung in Osteuropa investiert. Hier sind Kooperationen ein Erfolgsgarant.
Danish Crown möchte die Anbindung der Mäster vertiefen und z.B. die tierärztliche Betreuung und das Futter enger abstimmen. Neben der Kostenoptimierung geht es darum, die Exportmärkte mit homogenen Produkten flexibel zu bedienen. Doch die angestrebte Vertiefung der Integration spaltet Dänemarks Schweinehalter. Befürworter verweisen auf die Erfolge im Export, die überdurchschnittliche Erlöse ermöglichen. Andere lehnen die enge Bindung und Kontrolle durch den Fleischriesen ab.
In Frankreich sind die Schweinehalter in der Regel Mitglied einer Erzeugergemeinschaft. Cooperl ist die größte Erzeugergemeinschaft und landesweit der größte Schweinefleischproduzent. Die Kooperative produziert Futter, organisiert Tiertransporte und führt Fleischbetriebe. Zudem entwickelt sie Umwelttechnologien, z.B. für die Gülleverarbeitung. Die Kooperative arbeitet ebenso an Zukunftsfragen wie dem Kastrationsverzicht, dem Antibiotikaverzicht und der intensiven Datennutzung in der Kette.
In den Niederlanden läuft der Großteil der Schweineproduktion ohne Vertrag. Es gibt aber mehr als 20 Marktprogramme. Das größte ist das Beter Leven-Label der Tierschutzorganisation. Die niederländischen Lebensmittelketten setzen zumindest beim Frischfleisch vollständig auf dieses Label.
Um die Produktion der Label-Tiere abzustimmen, haben sich die Mäster mit Schlachtbetrieben zusammengeschlossen. So entstanden drei Beter Leven-Programme, wo die Erzeuger mit Vion, Westfort und Van Loon kooperieren. So können die Mäster und Schlachthöfe der Macht der LEH-Ketten zumindest halbwegs standhalten. Die drei Beter Leven-Programme stehen für etwa ein Viertel der niederländischen Mast.
Erste Ansätze in Deutschland
In Deutschland gibt es mit der Initiative Tierwohl (ITW) eine ähnliche Entwicklung. Sie verkörpert für viele Mäster den Einstieg in die vertragliche Bindung an den Schlachthof. Die Nachfrage nach ITW-Fleisch wächst, sodass die Schlachthöfe weitere Lieferverträge anstreben.
Ein weiterer Motor zu vertraglichen Bindungen ist Fleisch mit deutscher Herkunft. 5xD könnte kurzfristig hilfreich sein für das Überleben der Betriebe, langfristig scheint es aber nicht haltbar. Die Einzelhändler werden 5xD vermutlich nur solange fördern, bis es teurer ist als Importware. Begrenzend und damit kostentreibend dürfte der Ferkelmangel in Deutschland werden. Es sei denn, die Einzelhändler erfüllen tatsächlich ihre Pläne und stellen komplett auf die Haltungsstufen 3 und 4 um.